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27.07.18 / Eine eigene US-Behörde für die Raumfahrt / Vor 60 Jahren wurde die NASA gegründet, um die USA fit zu machen für den Wettbewerb mit der UdSSR im Weltraum

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-18 vom 27. Juli 2018

Eine eigene US-Behörde für die Raumfahrt
Vor 60 Jahren wurde die NASA gegründet, um die USA fit zu machen für den Wettbewerb mit der UdSSR im Weltraum
Wolfgang Kaufmann

Vor 60 Jahren veranlasste US-Präsident Dwight D. Eisenhower die Gründung der Weltraumbehörde NASA. Damit beendete er die fatale organisatorische Zersplitterung, die dazu geführt hatte, dass die USA beim Wettlauf ins All anfangs blamabel nachhinkten. Hierdurch schlug auch die Stunde von deutschstämmigen Raketenexperten wie Wernher von Braun.

„Gebt mir fünf Jahre und fünf Milliarden Dollar, und wir können auf dem Mond landen“, versprach Braun 1954 im Interview mit der US-Presse. Dieses Selbstbewusstsein resultierte nicht zuletzt daraus, dass es ihm nur wenige Jahre zuvor gelungen war, erstmals Objekte in den Weltraum zu schießen: Eine der von ihm konstruierten Raketen vom Typ Aggregat 4 (A4) stieg 1944 bis auf 175 Kilometer Höhe. Deswegen wurden er und sein Team auch sofort nach Kriegsende in die USA verbracht, wo man das Fachwissen der Deutschen abschöpfen wollte. 

Allerdings verzögerte sich die Aufnahme eines großangelegten Raketenprogramms zunächst wegen knapper finanzieller Mittel. Der Kurswechsel kam hier erst mit dem Beginn des Korea-Konflikts und der damit einhergehenden Verschärfung des Kalten Krieges im Jahre 1950. Nun holte man Braun und rund 120 weitere deutsche Ingenieure nach Huntsville (Alabama), wo sie die A4 zur ersten kernwaffentragenden Rakete der USA, genannt „Redstone“, weiterentwickeln sollten. Nachdem dieses bis Mitte 1953 gelungen war, wurde der Bau der noch leistungsstärkeren und gleichfalls auf der A4 basierenden „Jupiter“-Rakete beschlossen. Hierzu gründete das US-Heer im Februar 1956 die Army Ballistic Missile Agency (ABMA) unter Major General John Medaris. Der Chef von deren Entwicklungsabteilung, der Development Operations Division (DOD), wurde Braun.

Analog zur ABMA des Heeres beschäftigten sich auch die Western Development Division (WDD) der Luftwaffe und das United States Naval Research Laboratory (NRL) der Marine mit der Konstruktion großer Raketen. Das NRL arbeitete an der „Vanguard“. Mit ihr sollte nach dem Willen von Eisenhower der erste US-amerikanische Erdsatellit ins All geschossen werden. 

Dass Eisenhower trotz seiner Karriere beim Heer das Weltraumprojekt der Marine favorisierte, resultierte aus seiner tiefsitzenden Abneigung gegen Braun. Er wollte nicht, dass der ehemalige Hitler-Günstling und SS-Sturmbannführer an dem Propagandacoup der Vereinigten Staaten mitwirkte. Also trugen die drei „Jupiter C“-Raketen aus Brauns Ent­wick­lungsabteilung, die zwischen dem 20. September 1956 und 8. August 1957 ohne Zwischenfälle von Cape Canaveral aus ins All aufstiegen, keine Endstufe mit einem Erdsatelliten, sondern lediglich Ballastkörper. Damit hatten die USA die Chance verspielt, der Sowjetunion zuvorzukommen.

Kurz darauf löste der erfolgreiche Start von „Sputnik 1“ am 4. Oktober 1957 den Sputnikschock aus. So fürchtete der damalige Senator und spätere US-Präsident Lyndon B. Johnson: „Bald werden die Russen Bomben aus dem Weltraum schmeißen wie Kinder Steine von Autobahn­brücken.“ Das erhöhte den Erfolgszwang, unter dem die Schöpfer der „Vanguard“ standen. Der Erstflug der Rakete mit dem gleichnamigen grapefruitgroßen Satelliten an der Spitze sollte nun am 6. Dezember 1957 erfolgen – allerdings explodierte die „Vanguard TV 3“ schon zwei Sekunden nach dem Abheben. Das war umso blamabler, als die UdSSR am 3. November auch noch den über 500 Kilogramm schweren „Sputnik 2“ ins All geschossen hatte.

In dieser Situation drängte Braun darauf, der ABMA eine Chance zu geben. Und nun konnte Eisenhower trotz seiner Ressentiments sich nicht mehr widersetzen. Infolgedessen transportierte am 1. Februar 1958 eine leicht modifizierte „Jupiter C“-Rakete den ersten Erdsatelliten der USA namens „Explorer 1“ auf seine elliptische Umlaufbahn. Parallel zu den Startvorbereitungen nahm der Druck auf Eisenhower zu, der Zersplitterung des US-Raketen- beziehungsweise Raumfahrtprogramms entgegenzuwirken und zumindest letztere einer einzigen Institution zu übertragen.

Hierbei taten sich besonders der Präsident des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und leitende wissenschaftliche Berater des US-Präsidenten, James R. Killian, sowie das National Advisory Committee for Aeronautics (NACA) hervor, das bereits seit 1915 Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Luftfahrt betrieb. Das 

NACA schuf am 12. Januar 1958 eine Abteilung für Weltraumtechnologie, und sein Direktor, Hugh Dryen, schlug zwei Tage später ein großangelegtes nationales Programm zur Eroberung des Alls vor. Killian schickte am 5. März namens des ihm unterstehenden Beratergremiums, des President’s Science Advisory Committee (PSAC), ein Memorandum an den US-Präsidenten, in dem er dringend riet, das NACA zur nationalen Weltraumbehörde umzubilden.

Eisenhower schloss sich dem an und forderte den Kongress in Wa­shing­ton im April 1958 auf, ein entsprechendes Gesetz, den National Aeronautics and Space Act, zu erlassen. Das geschah zum 16. Juli 1958. Mit der Unterzeichnung durch den Präsidenten trat die Regelung am 29. Juli 1958 in Kraft. Die durch dieses Gesetz gegründete neue National Aeronautics and Space Administration (NASA, Nationale Luft- und Raumfahrtbehörde) nahm zum 1. Oktober 1958 ihre Arbeit auf.

Allerdings erwies es sich bald als ein Problem, dass die neue zivile Behörde auf die Zuarbeit des Militärs in Form von Trägerraketen angewiesen war. Das führte noch in ihrem Gründungsjahr zur ersten großen Krise der NASA. Sie konnte dadurch gelöst werden, dass es der NASA in den darauffolgenden zwei Jahren gelang, zumindest Brauns DOD und einige weitere wichtige Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen der Streitkräfte zu integrieren. Damit war die organisatorische Grundlage für alle späteren Erfolge der NASA auf dem Gebiet der bemannten und unbemannten Raumfahrt geschaffen, Erfolge, an denen deutschstämmige Experten wie Braun maßgeblichen Anteil hatten.