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27.07.18 / Die düstere Ahnung einer Vorkriegszeit / In ihrem Roman »Munin« zieht Monika Maron beunruhigende Parallelen zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und der Gegenwart

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-18 vom 27. Juli 2018

Die düstere Ahnung einer Vorkriegszeit
In ihrem Roman »Munin« zieht Monika Maron beunruhigende Parallelen zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und der Gegenwart
Erik Lommatzsch

Immer mehr Unsicherheit erfasst die Deutschen im Zeitalter von Multikulti, Masseneinwanderung und radikalem Islam. Rutschen wir in eine Katastrophe? In „Munin oder Chaos im Kopf“ geht Monika Maron unserer Gegenwart unkonventionell auf den Grund.

Unklarheiten waren nie die Sache der Schriftstellerin Monika Maron. In Reaktion auf eine entsprechende Zuneigungsbekundung des seinerzeitigen Bundespräsidenten Christian Wulff, die später wortgleich von der derzeitigen Bundeskanzlerin aufgegriffen wurde, schrieb sie schon 2010: „Zu Deutschland gehören der Rechtsstaat, die Gleichstellung der Geschlechter, die Freiheit der Kunst, die Meinungs- und Religionsfreiheit, die Solidargemeinschaft, das Recht auf Bildung und gewaltfreie Erziehung. Aber nicht der Islam.“ 

Maron mahnte, dass Politiker den Muslimen hierzulande die Grenzen aufzeigen müssten. Im vergangenen Jahr konterte sie den Islamophobievorwurf nicht, im Gegenteil. „Die Wahrheit ist, dass ich vor dem Islam wirklich Angst habe. Aber warum ist das krankhaft und nicht vernünftig?“ Sie beklagte, dass die Zeitungen, die ihr diesen Vorwurf machten, kurioserweise zugleich von „blut­rünstigen Verbrechen“ im Namen des Islam berichteten. 

Als „rechts“ werde sie bezeichnet. Sie selbst bilde sich ein, „ähnlich vernünftig zu sein wie früher, als ich nicht mehr links, aber noch nicht rechts war“, und stellte die Frage, ob jemand am „Meinungskompass“ gedreht habe, sodass „rechts, links, liberal und ahnungslos“ völlig durcheinandergeraten seien.

Nach der Bundestagswahl 2017, welche bekanntlich der AfD mit einem recht ansehnlichen Ergebnis den Einzug ins Parlament ermöglichte, wies sie darauf hin, dass sich der „Hass, der sich tagelang über die Ostdeutschen, insbesondere die Sachsen ergoss“ – hier hatte die relativ junge Partei einen besonders hohen Wähleranteil zu verzeichnen –, den „Tatbestand des Rassismus“ erfülle, sollte dies nach den gleichen Kriterien gemessen werden wie andere Äußerungen. Aber das ist wohl nicht zu erwarten in einem Land, in welchem die Altgrünökolinke Jutta Ditfurth besagtes Wahl­ergebnis ohne erkennbare Gegenstimmen aus dem „etablierten Lager“ mit den Worten kommentieren durfte, es sei ein Fehler gewesen, Dresden wieder aufzubauen.

Besorgniserregende Zustände im eigenen Land, allerdings völlig anders geartet, waren bereits Thema der ersten Romanveröffentlichung von Monika Maron. „Flug­asche“, 1981 in der Bundesrepublik publiziert, enthielt deutliche Kritik an Umweltverschmutzung, Unterdrückung und Opportunismus in der DDR, wo die Autorin bis 1988 lebte. 

War ihr vorletzter Roman – „Zwischenspiel“ aus dem Jahr 2013 – eine heiter-melancholische Auseinandersetzung mit dem Leben und dem Tod, gespickt mit DDR-Reminiszenzen ohne Verklärungsansatz, so ist die aktuelle Lage das Beunruhigende ihres neuen Buches „Munin oder Chaos im Kopf“. Es sind Zeiten, in denen noch vor Kurzem als Gewissheit geltende Annahmen wieder auf Hoffnungen reduziert werden. Dazu zählt etwa die nun nicht mehr ganz so große Sicherheit, mit der ausgeschlossen werden kann, dass man jemals selbst (wieder) einen Krieg erleben könnte.

Monika Maron verwahrt sich zwar dagegen, dass die Hauptfigur ihres „Munin“-Romans, die Journalistin Mina, welche die Geschichte erzählt, 100-prozentig mit ihr selbst identifiziert werde. Dennoch: Man sieht die reale Autorin während der Lektüre doch meist recht deutlich vor sich. Mit klaren Ansagen wird auch in diesem Buch nicht gespart. Sicher ist die eine oder andere Kontur etwas stark gezeichnet. Dafür ist es Literatur, es soll anregen und keine apodiktischen Wahrheiten verkünden.

Schmal ist das Buch nur, was den Seitenumfang – reichlich 200 – betrifft. Zwei Linien, die letztlich die gleiche Problematik zum Inhalt haben, lassen sich ziehen. Abstrakt umrissen handelt es sich um das große Problem der Zuwanderung, die entsprechenden Folgen und den Umgang mit dem Unliebsamen. Dies alles vollzieht sich vor der Folie der Auflösung des Vertrauten.

Konkret ist es selbstverständlich farbiger und zum Teil wunderbar komisch. Die erste Linie, die „innere Geschichte“, entwickelt sich anhand der Aufgabe von Mina. Aufgrund der „armseligen Zeitungshonorare“ kommt ihr der gut bezahlte Auftrag, einen Beitrag über den Dreißigjährigen Krieg zu verfassen, sehr recht. 

Im Zuge ihrer Recherchen über die 400 Jahre zurückliegenden Ereignisse zieht sie mehr und mehr Parallelen zur deutschen Gegenwart. Die Atmosphäre einer „Vorkriegszeit“ beginnt sie zu spüren. Mitnichten sieht sie die Religionskriege im Bereich ihres historischen Themas, vielmehr spürt sie eine Rückkehr dieser nach Europa. Sie arbeitet sich an dem – tatsächlich existenten – Tagebuch des Söldners Peter Hagendorf ab. „Gewalt, Rohheit, Dumpfheit“ gehören nicht allein der Vergangenheit an, sie könnten „auch uns wieder erobern“. 

Die These vom Konfliktpotenzial, welches „vor allem in den überzähligen Söhnen armer, dafür bevölkerungsreicher Länder“ liegt, überzeugt sie – eine These, welche der Soziologe Gunnar Heinsohn, der im Roman nicht namentlich genannt wird, maßgeblich ausgearbeitet hat.  

Im Roman wird die einsam arbeitende Journalistin von einer Krähe besucht, die sie Munin tauft, nach einem der Raben des germanischen Gottes Wodan. Munin – hier weiblich – ist über weite Strecken Minas „Dialogpartnerin“. Mit der Krähe spricht sie über Gott, an den sie selbst nicht glauben mag, und die Verwurzelung im Eigenen. Sie lässt sich von ihr sagen, dass die Menschen immer das Falsche lernen, oder darauf hinweisen, dass die Deutschen über ihre Taten in der Zeit des „Dritten Reiches“ so erschrocken waren, dass sie lebenslange Sühne schworen. „Seitdem werft ihr euch schützend über alles, was ihr für schwach und hilflos haltet.“

Nur indirekt politisch, aber deutlich ist die „zweite Linie“ des Buches, die „äußere Geschichte“. In Minas Straße gibt es eine Frau, offenbar geistig behindert, die tagsüber auf dem Balkon beständig laut singt, mitunter wüst schimpft und ein störendes Ärgernis ist. Gespalten sind die Anwohner. Es beginnt ein Kampf zwischen Verständnisvollen und denen, die eine Lösung anstreben. Zur Aufgabe ihrer Wohnung ist die Frau nicht zu bewegen, auch nicht juristisch, sofern nichts weiter passiert. „Na, da können wir ja nur hoffen, dass alles ganz schnell schlimmer wird“, äußert ein Anwohner. Man fühlt sich an eine fatale Sichtweise auf die gegenwärtige Bundespolitik erinnert. Erst eine Katastrophe werde den Weg zum Handeln frei machen.

Natürlich hat der Roman weit mehr zu bieten. Etwa die Sicht einer Figur auf den Zustand des Landes: „Was Du siehst, sehe ich auch. Aber ich will mich nicht daran vergiften.“ Oder so treffliche Worte wie „Genderscheiße“ (der Ausdruck fällt gleich drei Mal).

Angriffe auf die Autorin wegen „Munin“ hagelte es bereits reichlich. Unsachlich und irrational sei ihre Bestandsaufnahme, meinte die „Neue Osnabrücker Zeitung“. Sie könne „in das nationale Lager gewechselt sein“, was bekanntlich mit einer herben Kritik gleichzusetzen ist, wurde unter anderem im Wiener „Standard“ angedeutet. Etwas großzügiger gab sich der Berliner „Tagesspiegel“: Nein, in der AfD-Ecke sei sie nicht zu verorten, dazu sei ihre Hauptfigur „dann doch zu klug“. Nach den Vorstellungen der besagten Zeitung bestünde ein „AfD-Roman“ offenbar nur aus knappen Hauptsätzen, fremdwortfrei.

Ihr Unbehagen an der gegenwärtigen deutschen Politik hat Maron nicht erst vor Kurzem öffentlich geäußert. In einem Interview anlässlich des Erscheinens des Romans fragte sie noch einmal: „Was glauben Sie, wie aufnahmefähig dieses Land überhaupt ist … ohne, dass wir darunter einfach verschwinden?“ Die – oberflächliche und verordnete – Harmonie im politischen Diskurs will sie stören. Mit ihrem „Munin“ ist ihr das nun auch literarisch hervorragend gelungen.