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27.07.18 / Positive Erfahrungen in Allenstein / Vorurteile abgebaut, um neue Erkenntnisse reicher: Wie der Sachse Julian Dawid Koch das Kulturweit-Programm erlebt hat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-18 vom 27. Juli 2018

Positive Erfahrungen in Allenstein
Vorurteile abgebaut, um neue Erkenntnisse reicher: Wie der Sachse Julian Dawid Koch das Kulturweit-Programm erlebt hat
Dawid Kazanski

Soziales Engagement erfreut sich steigender Beliebtheit.  Immer mehr Schulabsolventen, die gerade ihr Abitur oder ihre Berufsausbildung abgeschlossen haben, beteiligen sich am sogenannten Kulturweit-Programm. Einer von ihnen ist der Sachse Julian David Koch. Der angehende Deutschlehrer verbrachte ein Jahr in Allenstein.

„Kulturweit“ ist ein Programm des internationale kulturpolitischen Freiwilligendienstes der Deutschen UNESCO-Kommission, das jungen Menschen zwischen 18 und 26 Jahren die Möglichkeit bietet, sich für sechs oder zwölf Monate in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik zu engagieren. 

Die Freiwilligen können ihren Dienst in verschiedenen Bildungs- sowie Kultureinrichtungen ableisten. Dabei werden sie in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit, Projekt- oder Kulturmanagement und Sprachvermittlung eingesetzt. Entsendet werden die Kulturweit-Teilnehmer zu Institutionen, die sich sowohl in den Ländern Mittel-, Südost- und Osteuropas als auch in den Entwicklungsländern Asiens, Afrikas oder Lateinamerikas befinden.   

Neben zahlreichen deutsch-polnischen Schüleraustauschen wurde inzwischen das Kulturweit-Programm zu einem wichtigen Verbindungsfaktor, der Allenstein mit der Bundesrepublik Deutschland auf der Ebene der Bildungszusammenarbeit verknüpft. In Allenstein gibt es zwei Schulen – das Lyzeum Nr. 2 und das Lyzeum Nr. 3 –, die sich jedes Jahr um einen Kulturweit-Freiwilligen bewerben. In diesem bereits abgeschlossenen Schuljahr war das Julian David Koch aus Aue in Sachsen, der die Rolle eines Deutschlehrerassistenten erfüllte und somit durch seine pädagogische Mitarbeit den Deutschunterricht mitgestaltete.

Im Gespräch über seinen Aufenthalt in Allenstein im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSB) gab er zu, dass seine erste Reaktion, als er davon erfahren habe, in der Republik Polen als Freiwilliger tätig sein zu sollen, eher negativ ausgefallen sei: „Polen klang vor einem Jahr nicht unbedingt nach interessanten Orten und Leuten, die ich in meinem Freiwilligendienst im Ausland entdecken und kennenlernen wollte. Während ich mich also über Polen und Allenstein ganz speziell informierte und mit meiner Familie darüber sprach, fand ich heraus, dass meine Urgroßmutter aus dieser Region stammt. Somit konnte ich einen persönlichen Bezug zu meiner zukünftigen Arbeit herstellen und habe mich sehr darauf gefreut, für ein Jahr hier zu arbeiten.“ Gerade dieses persönliche Verhältnis zu Ostpreußen bewegte Julian dazu, sich mehr für seine Familiengeschichte zu interessieren und sie hautnah zu erleben. Um mit eigenen Augen den Geburtsort seiner Urgroßmutter zu sehen, unternahm er eine Reise nach Bischofsburg, einer zirka 30 Kilometer von Allenstein entfernten Kleinstadt, in der seine Uroma bis 1945 lebte. 

Das bereitete dem Freiwilligen viel Freude: „Über das Internet konnte ich sogar herausfinden, wo genau sie früher gelebt hat, wodurch ich sogar Fotos von ihrem ehemaligen Wohnhaus machen konnte. Sie hat sich sehr darüber gefreut, ihre alte Heimat wiedersehen zu können.“ 

Was seine Arbeit in den Schulen anbetrifft, konnte sich Julian als angehender Lehrer ausprobieren, sein Potenzial erkennen und sein Wissen erweitern. Der deutsche Schulabgänger bekam er die Gelegenheit, Einblicke ins polnische Schulleben zu gewinnen sowie die deutsche und polnische Schulwirklichkeit miteinander zu vergleichen. 

Seine Lehrerassistenz nahm der Freiwillige folgendermaßen wahr: „Ich war bei einfacheren Dingen wie Grammatik und Aussprache gefragt, durfte ab und zu selbst kleine Unterrichtseinheiten übernehmen oder sogar selbst Themen und Aufgaben vorbereiten und wurde bei Sachen wie zum Beispiel Jugendkultur gefragt, wie das denn in Deutschland aussieht. Überrascht hat mich, dass die Schule technologisch auf einem weitaus höheren Stand als meine Schule in Deutschland ist. Das Klassenbuch ist elektronisch, es wird viel mit dem Computer und dem Beamer gearbeitet und in einigen Räumen gibt es sogar interaktive Tafeln. Zwar gab es an meiner Schule in Deutschland eine ähnliche Ausstattung mit einem Beamer in fast jedem Raum, aber von den Lehrkräften wurden diese Möglichkeiten zu einer interessanteren Unterrichtsgestaltung sehr selten genutzt. Ansonsten hat mich wenig überrascht, die Schulen waren sich im weitesten Sinne doch sehr ähnlich.“ 

Auf die Frage, inwieweit sich die Mentalität der polnischen Jugendlichen von den Verhaltensweisen seiner deutschen Altersgenossen nach seiner Einschätzung unterscheidet, antwortete Julian: „Die Deutschen und die Polen sind sich meines Empfindens nach sehr ähnlich. Den einzigen Unterschied konnte ich bei der Wahrnehmung der jeweiligen anderen Nation erkennen. Als ich Freunden von meinem FSJ in Polen erzählt habe, wurde ich von Autowitzen und anderen selten dämlichen Bemerkungen überhäuft. Die deutsche Wahrnehmung der Polen ist viel weiter von der Realität entfernt als die polnische Wahrnehmung der Deutschen.“ Nach Julians eigener Einschätung hat das Auslandsjahr in der Republik Polen dazu beigetragen, dass er seine sozialen Kompetenzen verbessern konnte. Jetzt fühle er sich erwachsener und selbstständiger und könne sich wohl vorstellen, in Zukunft als Lehrer zu arbeiten. Das spricht dafür, dass die Ziele des Freiwilligenprogramms erfüllt werden.