Während auf der einen Nordseeinsel Plexiglaswände den Sand von den Kleinkindern fernhalten sollen, setzen andernorts Hotels darauf, ausschließlich Gäste ohne Kinder aufzunehmen. Wieder andere Tourismus-Magnete setzen auf Plastikfreiheit oder betonen die Entschleunigung durch Auto- und Fahrradverbote.
Die touristischen Ziele an Nord- und Ostsee müssen heute mehr als nur Sand und Wellen im Angebot haben, um die Touristen anzuziehen. Die vielfältigen Ansprüche der unterschiedlichen Besucher an Fischbrötchen mit Meerblick, weitläufigem Hundestrand, zentral gelegenem Kurzentrum, Segelschule mit bestem Revier und Rollator-tauglicher Promenade sind aber längst nicht immer unter einen Hut zu bekommen. Damit die Touristen, die im Sommer kommen, rundum glücklich sind, setzen immer mehr Inseln und Strandbäder auf eine Spezialisierung.
Butjadingen, an der Wesermündung gegenüber von Bremerhaven gelegen, mit charmanter und vor allem tidenunabhängiger Lagune ausgestattet, aber nicht unbedingt zu den bekanntesten Ferienzielen an der Küste gehörend, hat sich Familien mit Kleinkindern als Zielgruppe auserkoren. Auf der Halbinsel am Jadebusen soll der Babystrand zum Zugpferd werden. Mit durchsichtigen Wänden, die dafür sorgen, dass den kleinen Lieblingen der Nordseewind beim Buddeln und Spielen keinen Sand in die Augen weht und damit Heul-Attacken auslöst, bietet Butjadingen ein Extra, das an anderen Stränden der Nordseeküste (noch) nicht vorhanden ist.
Um dem Anspruch an ein familienfreundliches Urlaubsziel gerecht zu werden, ist zudem in eine kinderfreundliche Infrastruktur investiert worden. Kinderfreundlichkeit gehört auch beim Gästeservice zu den Prioritäten. Spielscheune und Erlebnisbad sind Einrichtungen, die dem Nachwuchs an Tagen mit typischem Nordseewetter Langeweile und schlechte Laune vertreiben sollen. Die Kehrseite der Medaille: Je mehr die Kleinsten in den Fokus rücken, desto weniger fühlen sich im Gegenzug Reisende angesprochen, die ohne Kinder unterwegs sind oder die mit Jugendlichen im Schlepptau ihren Urlaub verbringen.
Helgoland will in diesem Jahr auf Gourmet-Insel umsatteln. Die geplante Umrüstung der Insel ist eine Reaktion auf eine Gästebefragung. Vor allem die besser situierten Touristen merkten dabei an, dass sie auf Helgoland die Gastronomie unzureichend finden und das Portemonnaie deshalb geschlossen hielten. Eine klare Aufgabenstellung für die Tourismusabteilung auf Helgoland: Mit der gastronomischen Notsituation soll nun Schluss sein. Die räumlich stark begrenzte Insel will dabei Kulinarik nicht nur in den Restaurants etablieren, sondern auch auf dem Wasser für gastronomische Höhepunkte sorgen. Während die Klippen-Kulinarik der Insel auf Hummerrestaurant und Hummerbuden, auf thailändische Gastronomie und englische Tea-Time setzt, soll die Schwimmbar auf dem Wasser helfen, Touristen und Tagesgästen den Gaumen zu verwöhnen.
Für das ambitionierte Projekt ist sogar eigens ein Helgoland-Cocktail kreiert worden, der „Lange Anna“ genannt wurde. Um das Getränk vor Helgoland einzunehmen, kann der zahlungskräftige Tages- oder besser gesagt: Abendtourist, mit der neuen Katamaranfähre von Hamburg aus anreisen. Die Hin- und Rückfahrt von den St.-Pauli-Landungsbrücken kostet dann in der Urlaubssaison je nach Klasse zwischen 91,60 und 127,60 Euro.
Alles andere als rasant geht es auf Spiekeroog zu. Diese Nordsee-Insel setzt auf das Konzept der Entschleunigung und will damit längst nicht nur Stressgeplagte ansprechen. Um „runterzukommen“, wie es modern genannt wird, sind auf dem Eiland jegliche private Fahrzeuge verboten. Im Ortskern und auf dem Weg zum Strand ist sogar das Radfahren verboten. Deshalb gibt es auf der Insel auch keinen Fahrradverleih.
Ein Zugeständnis wird hier jedoch gemacht: Für Menschen mit Einschränkungen gibt es die Möglichkeit, ein Elektromobil in Anspruch zu nehmen – Taxen gibt es schließlich nicht. Der Rausch der Geschwindigkeit kann hier wirklich niemanden in seinen Bann ziehen.
Stattdessen werden auf Spiekeroog Kinder, Hunde und Rucksäcke mit dem Bollerwagen befördert und der Weg zum Strand zu Fuß zurückgelegt. 15 Kilometer Strand und ein idyllischer Ort sind die Garanten für höchstes Entspannungsglück. Mehr als das gibt es schließlich auf Spiekeroog nicht zu entdecken. Zeit für Muße bleibt damit mehr als genug.
Die Nordsee-Insel Föhr hat sich den Umweltschutz auf die Fahnen geschrieben und setzt auf Leben ohne Kunststoff. Das Projekt „Plastikfrei wird Trend“ spricht mit seinem Konzept umweltbewusste Touristen an, die auch im Urlaub ihrer Gesinnung treu bleiben wollen. Die Macher hinter dieser Umweltkampagne setzen jedoch darauf, dass Plastikfreunde den Kunststoffverzicht im Urlaub als Impuls erleben, der zum Umdenken anregt und nach der Auszeit im Alltag weitergelebt wird.
Die Unterkünfte, die bei dieser Aktion mit im Boot sind, verzichten bei der Ausstattung von Ferienwohnungen und Gästezimmern so weit wie möglich auf den Stoff, aus dem die Meeres-Albträume gemacht sind, der Jahr für Jahr für 20000 Tonnen Müll in der Nordsee sorgt und im Flutsaum der See Spuren hinterlässt.
Die plastikbewussten Unterkünfte auf Föhr halten deshalb einen Vorrat an Aufbewahrungsbehältern für Lebensmittel und Einkaufstaschen aus Naturmaterialien bereit und bieten kunststofffreie Trinkflaschen für den Ausflug. Zum Netzwerk gehören folgerichtig Geschäfte, die plastikfreies Einkaufen ermöglichen. Der obligatorische Pappbecher zum Mitnehmen von Kaffee ist auf Föhr aus Porzellan. Klar, dass das seinen Preis hat. Stolze elf Euro kostet der Becher mit Friesenmuster. Wer beim Strandspaziergang dann so müllvermeidungsmotiviert ist, dass er angespülte Chipstüten, Deckel und abgetrennte Scheuerfäden von Fischernetzen aufhebt und entfernt, kann seine Kunststofffunde in den am Strand aufgestellt Strandmüllboxen entsorgen. Die Gemeinde hat dann weniger Arbeit mit dem verschmutzten Strand und der Tourist ein sauberes Öko-Gewissen.