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03.08.18 / Mehr Aufträge als Nachwuchs / Das Handwerk boomt, aber die Besetzung der Ausbildungsplätze bereitet Probleme

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-18 vom 03. August 2018

Mehr Aufträge als Nachwuchs
Das Handwerk boomt, aber die Besetzung der Ausbildungsplätze bereitet Probleme
Dagmar Jestrzemski/PAZ

Für viele Handwerksberufe gilt wieder der alte Spruch „Handwerk hat goldenen Boden“. 40 Prozent der Betriebe haben prallvolle Auftragsbücher, wozu auch der Bauboom beiträgt. So mangelt es dem Handwerk denn auch weniger an Aufträgen denn an Nachwuchs.

Um 3,6 Prozent legten 2017 die Umsätze im Handwerk im Vergleich zum Vorjahr zu. Das ist mehr als in jedem der vorausgegangenen sechs Jahre und auch mehr als in der gesamten Volkswirtschaft. Die Unternehmen im Baugewerbe sind zurzeit durchschnittlich für 66 Tage im Voraus ausgelastet. Wenn Dachdecker, Zimmerer, Maler, Klempner, Fliesenleger und Elektroinstallateure bevorzugt Großaufträge im Baugewerbe annehmen, haben alle anderen Kunden das Nachsehen. Manch ein Handwerksbetrieb stellt einen Mitarbeiter allein für die Abarbeitung von Notfällen ein. 

An der Spitze bei den Umsatzzuwächsen finden sich nach wie vor die Handwerke für den gewerblichen Bedarf wie Metallbauer, Feinwerkmechaniker und Informationstechniker. Auch das Bauhauptgewerbe meldete mit 4,5 Prozent Zuwachs eine deutliche Steigerung an. Mit 1,4 Prozent mehr Einnahmen hatten erneut die Gewerbe für den privaten Bedarf – dazu gehören das Kraftfahrzeug- und das Lebensmittelhandwerk sowie das Friseurgewerbe – den geringsten Zuwachs. Dem Unterschied in der  Umsatzsteigerung bei den verschiedenen Branchen entspricht eine sich weiter vergrößernde Lohnlücke zwischen den Berufsgruppen.

Trotz der guten Konjunktur ist die Zahl der Mitarbeiter im Handwerk nur um vergleichsweise mickrige 0,6 Prozent gestiegen. Nie hatten es die Betriebe so schwer, Personal einzustellen. Im Schnitt dauert es 40 Tage, bis eine Stelle im Handwerk besetzt ist und damit sieben Tage länger als auf dem deutschen Arbeitsmarkt insgesamt. 

Vor diesem Hintergrund fordern Politiker wie der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, die Wiedereinführung der Meisterpflicht für bestimmte Handwerksberufe. Weniger Meister gleich weniger Ausbildung laute die einfache Gleichung. Diese Gleichung wäre allerdings überzeugender, wenn die jungen Menschen Schlange stehen würden, um einen Meister zu finden, der sie ausbildet. Doch das Gegenteil ist der Fall. Es mangelt weniger an zur Ausbildung berechtigten Meistern als an für eine Ausbildung geeigneten Bewerbern. Manche potenziellen Auszubildenden sind willig, haben von der Schule aber nicht das nötige Rüstzeug mitbekommen. Andere sind fähig, lassen sich von der Politik jedoch lieber an die Universitäten locken.

Zusätzlich verschärft der Staat das Nachwuchsproblem im Handwerk durch die Schließung von Berufsschulen. So werden die Wege der Auszubildenden zu den Berufsschulen immer länger. 

Auf einen Mangel an Auswahlmöglichkeiten ist der Mangel an geeigneten Bewerbern, unter dem im Handwerk wie anderswo auch vor allem die kleineren Betriebe zu leiden haben, jedenfalls nicht zurückzuführen. 130 verschiedene Ausbildungsberufe hat das Handwerk zu bieten. Unter den zehn beliebtesten Ausbildungsberufen finden sich die Handwerksberufe KfZ-Mechatroniker auf Platz vier sowie Industriemechaniker und Elektroniker auf Platz acht und neun. Am wenigsten beliebt sind Ausbildungsberufe, die mit schwerer körperlicher Arbeit oder Schmutz und Lärm verbunden sind. Laut einem Bericht der „Bild“-Zeitung müssen Klempner und Heizungstechniker am längsten warten, bis eine Stelle besetzt ist, durchschnittlich 172 Tage.