Dienstverpflichtungen jeder Art sind ein Eingriff des Staates in die Freiheit seiner Bürger, der nur im Extremfall zu rechtfertigen ist, wenn sich für eine für Staat oder Gesellschaft überlebenswichtige Aufgabe nicht genügend Freiwillige finden. In einer solchen Situation war die von Feinden umzingelte Französische Republik 1793, als sie die Levée en masse (Massenaushebung) beschloss (siehe Seite 10). In einer solchen Situation befindet sich die Bundesrepublik des Jahres 2018 aber nicht.
Zugegebenermaßen fehlen der Bundeswehr Freiwillige, die Lust haben, in einer Interventionsarmee zu dienen, aber die Wehrpflicht wird von ihren derzeitigen Befürwortern ja ausdrücklich mit der Notwendig- keit der Landesverteidigung begründet, und hier ist immer noch entscheidend, dass wir „von Freunden umzingelt“ sind.
Mit einer einsamen Revitalisierung der Wehrpflicht in einem von Berufsarmeen geprägten Europa würde die Bundesrepublik einen bedenk- lichen deutschen Sonderweg beschreiten. Zum einen wäre es – ähnlich 1935 – ein Signal der Aufrüstung, an dem uns als friedliebende Nation nicht gelegen sein kann. Zum anderen würde es die Bildungspolitik der letzten Jahrzehnte konterkarieren. Das zwölf- statt 13-jährige sogenannte Turboabitur sowie die Verschulung und Verkürzung der Studiengänge im Rahmen des Bologna-Prozesses hatten das erklärte Ziel, Deutschlands Hochschulabsolventen so jung und damit wettbewerbsfähig wie die europä- ische Konkurrenz zu machen. Mit der Einführung einer Dienstpflicht nur in Deutschland wären die Deutschen wieder benachteiligt.