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10.08.18 / Sorge um einen historischen Ort / Kritik an Planung: Wird der Checkpoint Charlie von einem gigantischen Hochbau entstellt?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-18 vom 10. August 2018

Sorge um einen historischen Ort
Kritik an Planung: Wird der Checkpoint Charlie von einem gigantischen Hochbau entstellt?
Norman Hanert

Bereits im nächsten Jahr will ein Investor mit der Bebauung der letzten Freiflächen am früheren Berliner Sektorenübergang Checkpoint Charlie beginnen. Die nun vorgelegten Entwürfe für den geschichtsträchtigen Ort stoßen auf scharfe Kritik. 

Anlass für Befürchtungen gab eine Ausstellung mit städtebaulichen Entwürfen für das Areal an der Berliner Friedrichstraße. Im Auftrag des Senats und der Berliner Projektentwicklungsgesellschaft Trockland haben sieben Architekturbüros Vorschläge zur Gestaltung des geschichtsträchtigen Ortes gemacht. 

Dabei geht es um die Bebauung der letzten freien Flächen östlich und westlich der Friedrichstraße. Ein Entwurf aus dem Haus des renommierten Architekten David Chipperfield sieht einen Wolkenkratzer mitten auf der Kreuzung von Friedrichstraße und Zimmerstraße vor. Dabei soll das Hochhaus auf Stelzen gesetzt werden, sodass der Verkehr unter dem Gebäude durchfließen kann. 

Dass auch in den meisten Entwürfe der anderen Architekturbüros Hochhäuser, zum Teil sogar dichtgedrängt, eine wichtige Rolle spielen, ist kein Zufall: Der Senat hat mit dem Investor vereinbart, dass direkt an der Ecke Friedrichstraße/Zimmerstraße eine Freifläche von 1000 Quadratmetern bleibe. Diese Einschränkung legt das Bauen in die Höhe nahe. Zudem will der Senat am ehemaligen Checkpoint Charlie mit einem Museum an die besondere Geschichte des Ortes erinnern. Bereits vereinbart ist, dass das Land Berlin an der Ostseite der Fried­richstraße für ein Museum des Kalten Krieges künftig eine Fläche von 3000 Quadratmetern anmietet.

Städtebauexperten, aber auch einige Politiker, haben die unlängst erfolgte Präsentation der sieben Entwürfe für den Checkpoint Charlie und dabei vor allem den straffen Zeitplan mit Unbehagen aufgenommen. Präsentiert wurden die Pläne der Öffentlichkeit nämlich nur wenige Stunden lang an drei Tagen – und dies obendrein in der parlamentarischen Sommerpause. Auch der Realisierungswettbewerb soll nur wenige Tage nach der Ausstellung bereits beginnen. Das vorgelegte Tempo hat zu Vermutungen geführt, dass Fakten geschaffen werden sollen, solange sich die Parlamentarier des Berliner Abgeordnetenhauses noch in der Sommerpause befinden. 

Vor allem Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) steht in der Kritik von FDP, AfD und CDU, aber auch aus den Reihen des Koalitionspartners, den Grünen. Die Senatorin musste sich gerade beim Thema Wohnungsbau bislang regelmäßig anhören, sie agiere zu zögerlich. Im Fall des Checkpoint Charlie verwundert einige Beobachter erst recht, welch hohes Tempo vorgelegt wird. 

Stefan Evers, der stadtentwicklungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, wirft dem Senat nicht nur fehlende Sensibilität für die Entwicklung am Checkpoint Charlie vor, sondern auch ein Vorgehen im Hau-Ruck-Verfahren: „Nach jahrzehntelangem Warten muss nun auf einmal alles ganz schnell gehen, möglichst ohne störende öffentliche Debatte. Das wird weder dem historischen Stellenwert des Ortes gerecht, noch dem hohen öffentlichen Interesse“, so Evers. Der Christdemokrat rügt zudem, dass über die Inhalte eines „Letter of Intent“ (Absichtserklärung) zwischen dem Investor und dem Land Berlin bisher nur gerätselt werden könne. 

Harald Laatsch, der baupolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, spricht im Zusammenhang mit der Entwicklung von Hektik: „Nachdem es ihnen seit der Wende nicht gelungen ist, eine funktionierende städtebauliche Perspektive für die Brachen am früheren Checkpoint Charly zu entwickeln, überschlagen sich nun die Ereignisse.“ 

Tatsächlich ist der Zeitplan eng. Der Investor plant den Baubeginn für den 9. November 2019, zum       30. Jahrestag des Mauerfalls. Bislang ist die Projektentwicklungsgesellschaft offenbar nicht einmal Eigentümerin der Baugrundstücke. Laut Medienberichten sind die Grundstücke noch in der Hand eines Insolvenzverwalters.

Berlins Landesdenkmalamt hat den Ort erst vor kurzer Zeit unter Denkmalschutz gestellt. Dieser Schritt kommt sehr spät. Von der ursprünglichen Übergangsstelle ist nur noch wenig übriggeblieben. Selbst das Kontrollhäuschen der US-Armee, vor dem sich viele Touristen fotografieren lassen, ist nicht mehr authentisch, sondern nur ein Nachbau. Weltweit steht der Ort als Symbol für den Kalten Krieg zwischen Ost und West wie kaum ein anderer. 

Hier standen sich im Oktober 1961 sowjetische und US-amerikanische Panzer gegenüber. Die Gefahr eines Dritten Weltkriegs war bis zu jenen Tagen vermutlich nie so groß gewesen. CIA und Stasi beobachteten über Jahrzehnte aus umliegenden Häusern das Geschehen am Übergang. Auch fast 30 Jahre nach dem Mauerfall gehört ein Besuch des ehemaligen Checkpoints quasi zum Pflichtprogramm vieler Touristen. Pro Jahr zieht der Ort in der Mitte Berlins mehr als eine halbe Million Besucher an.