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10.08.18 / Pietät versus Massenbetrieb / Wie das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz heute präsentiert wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-18 vom 10. August 2018

Pietät versus Massenbetrieb
Wie das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz heute präsentiert wird
Erik Lommatzsch

Am besten geht es mit einer Vorbuchung via Internet. Mit knapp zwölf Euro Eintritt ist man dabei, Führung auf Deutsch oder in einer anderen gewünschten Sprache, das muss man richtig anklicken. Das Ticket ist mit einem Barcode versehen. Der Einlass in das große, fast hallenartige Gebäude, in welchem man den Beginn der „Tour“ erwartet, wird erst exakt zu der aufgedruckten Zeit gewährt, wie die englischsprechenden, nicht unfreundlichen, aber sichtlich gestressten jungen Helfer erklären.

Die Anspannung ist weniger dem heißen Sommertag als dem zu dieser Zeit nicht unüblichen Besucherandrang geschuldet. Der hörbar internationale Lärmpegel wird durch Besucher oder „Touristen“ verursacht, die zum ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz – Stammlager und Birkenau – gereist sind. 

Die Wartezeit bis zum Beginn der Besichtigung kann man nutzen, um die Auslagen mehrerer kleiner Geschäfte in Augenschein zu nehmen. Es sind zwar keine „Museumsshops“ im üblichen Sinne, aber neben Büchern und Broschüren sind auch Comics und Postkarten zu erwerben – wohlgemerkt zum Gegenstand „Konzentrationslager Auschwitz“.

Kopfhörer bekommt der Besucher und einen farbigen Aufkleber, je nach Sprache der gebuchten „Tour“, die deutschen sind gelb. Ein Massenansturm ist es. Die unterschiedlichen Besuchergruppen laufen, trotz der immensen Größe des Geländes, durcheinander. Dank der Technik hat jeder die Stimme der Besucherführerin im Ohr. Um nicht den Anschluss an die eigene Gruppe zu verlieren, erweisen sich die farbigen Aufkleber, die die meisten in Brusthöhe befestigt haben, als unentbehrlich. Die sachlichen Informationen, welche der Tourteilnehmer erhält, sollten, abgesehen von Details, nur den wenigsten wirklich neu sein. 

Das Grauen, an welchem die Besucherströme vorbeigeschleust werden, tritt durch die Art der „Abwicklung“ – vorsichtig ausgedrückt – in den Hintergrund. Die von den Nationalsozialisten gesammelten und hier zum Gedenken und als Mahnung aufgeschichteten Relikte der Ermordeten, zum allergrößten Teil Juden, werden kurz angesehen und vor allem: fotografiert. 

Seien es die Berge von Koffern und Schuhen oder Haushaltgegenständen, welche die Opfer noch mitgeführt hatten, von allem knipsen die Besucher ein Bild. Nur ausnahmsweise wird gebeten, dies zu unterlassen, etwa bei den abgeschorenen Haaren. Und auch hier gibt es heimlich die eine oder andere Aufnahme. Ruhig ist es nie. Wirkliches Innehalten ist nahezu unmöglich, selbst in Birkenau, dem Ort des Großteils der Ermordungen, vor den erhaltenen Resten einer Gaskammer.

Für Pietät ist wenig Platz. Den Massenbetrieb und eben auch die eine oder andere Unangemessenheit – beginnend mit der Kleidung beim Besuch einer Stätte, an welcher über eine Million Menschen ermordet wurde – nimmt man hier offiziell in Kauf. Um Konservierung und Pflege des Komplexes ist das polnische „Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau“ sichtlich bemüht. 

Ziel, vielleicht sogar „Philosophie“ des Umgangs mit der Gedenkstätte ist es, möglichst viele Menschen zum Besuch zu bewegen. Man setzt auf Quantität. Stolz heben die Verantwortlichen hervor, dass die 2,2-Millionen-Grenze im Jahr bereits überschritten worden sei, mitunter komme die Gedenkstätte auf bis zu 9000 Gäste pro Tag. Fotos und Videos sind nicht nur geduldet, sondern ausdrücklich erwünscht. Das hier Gesehene soll verbreitet werden und im Gedächtnis gehalten – und sei es, dass man sich die Handys mit den Fotos aus dem Vernichtungslager beim Schmatzen eines Hamburgers gegenseitig unter die Nase hält.

Einen „richtigen“ Umgang zu diesen Dingen gibt es nicht. Die in der Gedenkstätte Auschwitz gepflegte Variante mag einerseits befremden, andererseits ist die dahinter stehende Idee durchaus nachvollziehbar.

Nicht nachvollziehbar hingegen ist, wie leicht von den NS-Machthabern zu verantwortende Verbrechen für die gegenwärtige Politik instrumentalisiert werden. Gerade hier in Auschwitz klingen einem Äußerungen wie die des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck schmerzhaft im Ohr. Als Argument gegen Transitzonen für Asylsucher führte er ins Feld, diese fühlten sich dann „wie in Konzentrationslagern“. Es dauerte einige Hinweise und Tage, bis dem Bischof die Schieflage seiner Verkündigung auffiel. Umgekehrt bediente sich Sigmar Gabriel, ehemals Außenminister, unlängst des KZ-Vergleichs als Argument für Asylzentren an der afrikanischen Küste. Den – laut einem Botschafter – „KZ-ähnlichen-Zuständen“ in libyschen Lagern müsse man mit eigenen Zentren begegnen. Beim Anblick der Stätte des tatsächlichen Grauens entlarven sich solche Sprüche erst recht als das, was sie sind: unsäglich dumm.