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10.08.18 / Wo sich 87 Prozent der Einwohner national irrten / Europäischer Tag des Kulturerbes wird für Hurrapatriotismus missbraucht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-18 vom 10. August 2018

Wo sich 87 Prozent der Einwohner national irrten
Europäischer Tag des Kulturerbes wird für Hurrapatriotismus missbraucht
Chris W. Wagner

Am Europäischen Tag des Kulturerbes sollen Menschen Zugang zu selten geöffneten Kulturstätten erhalten. Diese Aktion wurde 1999 vom Europarat initiiert. Während der Tag in Deutschland als Tag des offen Denkmals am 9. September begangen wird, feiert die Republik Polen ihn gleich an zwei Tagen – am 8. und am 9. September.

Die polenweite Eröffnung des Europäischen Tages des Kulturerbes wird dieses Jahr im oberschlesischen Rosenberg [Olesno] gefeiert. Dies ist seit einer Pressekonferenz Mitte März in Oppeln bekannt. Für den Rosenberger Bürgermeister Sylwester Lewicki hat dies eine historische Bedeutung. Viele Kulturdenkmäler fristen ihr Dasein im Verborgenen , und es sei an der Zeit, dieses Erbe einem breiten Publikum zu präsentieren, meint auch Bartosz Skladawski, Leiter des 2011 ins Leben gerufenen Nationalen Kulturerbeinstituts (Narodowy Instytut Dziedzictwa, NID) – einer Organisation, die auch Expertisen für das Ministerium des Nationalen Kulturerbes erstellt und den Europäischen Kulturerbetag in Polen koordiniert. „In Rosenberg haben wir ein sehr wertvolles Objekt von besonderer architektonischer und geschichtlicher Bedeutung, nämlich die St.-Anna-Schrotholzkirche“, berichtete Bürgermeister Lewicki. Dieses Gotteshaus feiert sein 500. Gründungsjubiläum. 

Zwei Ausstellungen werden an diesem Tag in Rosenberg eröffnet. In der einen geht es um das architektonische Kleinod, die St.-Anna-Kirche, in der anderen wird Janina Klopocka gehuldigt, die die St.-Anna-Kirche sehr geliebt haben soll. Janina Klopocka ist vor allem aufgrund ihres Entwurfs des „Rodlo-Symbols“ bekannt. Dieses offizielle Symbol der Organisation der Polen in Deutschland (Zwiazek Polakow w Niemczech) zeigt den Verlauf der Weichsel als Zeichen für das polnische Volk und die Lage der Stadt Krakau als Zeichen für die polnische Kultur. Die Grafikerin Janina Klopocka hat es 1932 entworfen. Der Name Rodlo setzt sich aus Worten Rodzina (Familie) und Godlo (Wappen) zusammen. Die 1904 im damals preußischen Koschmin [Kozmin] in Großpolen geborene Künstlerin lebte seit ihrem vierten Lebensjahr in Berlin. Nach dem Gymnasium wurde sie mit einem Stipendium gefördert und konnte so an der Kunsthochschule Berlin und der Warschauer Kunstakademie studieren. Sehr bald schon engagierte sich Klopocka im Verband der Polen in Deutschland.

Neben Berlin und dem Ruhrgebiet war die eigentliche Hochburg der Polen in Deutschland damals Oberschlesien – ein Rückgriff auf die polnische Minderheit in Oberschlesien in der Zwischenkriegszeit ist in Polen quasi stets mit dem Pathos verbunden. „Wir waren hier, wir sind hier, wir werden hier sein“ – unbeachtet der Niederlage im Plebiszit. Ohnehin wird diese eher verschwiegen.

Im Zweiten Weltkrieg war Klopocka im Warschauer Untergrund aktiv. Nach Kriegsende belohnte man sie mit der Einstellung als Leiterin des Kunst- und Kulturreferats im Rosenberger Landratsamt, wo sie Inventarlisten der im Krieg „geretteten“ Kunstwerke erstellte. Nach ihrem Tod 1982 wurde sie auf eigenen Wunsch in Rosenberg begraben. Noch in Berlin engagierte sich Klopocka dafür, das Polnische in der (ober-)schlesischen Volkskunst herauszuarbeiten. Zu ihren bekanntesten Werken neben dem Rodlo-Symbol zählt das monumentale Werk von 16 Bildern zum Thema „Das polnische Jahresbrauchtum“, das sie im Polnischen Haus in Buschdorf [Zakrzewo] bei Flatow [Zlotow] im Gebiet der früheren Grenzmark Posen-Westpreußen schuf. Flatow ist ebenso Inbegriff für eine im Grunde eher kleine Hochburg der polnischen Minderheit im Deutschen Reich der Zwischenkriegszeit an anderer Stelle.

Auf dem Programm der Eröffnungsfeierlichkeiten steht ein Auftritt des neben „Mazowsze“  polenweit bekanntesten Tanz- und Gesangsensembles „Slask“ – dem Flagschiff der „polnischen Tradition der Volksmusik und des Volkstanzes“. Auf diese Weise wird aus dem Tag des Kulturerbes ein Tag des polnischen Kulturerbes – wie zu „besten“ kommu-

nistischen Zeiten. Es bleibt zu hoffen, dass wenigstens im Gottesdienst, der das Programm eröffnet, Bischof Andrzej Czaja, der Nachfolger des emeritierten Erzbischofs Alfons Nossol, in seiner Predigt auch das deutsche Kultur-erbe Rosenbergs erwähnt und die in Rosenberg eigentlich recht starke Deutsche Minderheit an der polenweiten Feierlichkeit präsent sein wird.

Rosenberg war im 19. Jahrhundert ein stark entwickeltes Wirtschafts- und Kulturzentrum im Norden Oberschlesiens. Bei der Volksabstimmung in Oberschlesien 1921 stimmten 3286 Rosenberger für einen Verbleib beim Deutschen Reich, ganze 473 optierten für Polen. In dieser Situation mussten wohl Künstler wie Janina Klopocka dem Polentum in Rosenberg nachhelfen.