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10.08.18 / Weiche Formulierungen eines Pfarrers zur politischen Realität in Deutschland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-18 vom 10. August 2018

Weiche Formulierungen eines Pfarrers zur politischen Realität in Deutschland
Dagmar Jestrzemski

Seit 2012 ist Sven Petry Landpfarrer in Sachsen. Der 1976 in Nordrhein-Westfalen geborene Ex-Ehemann der Politikerin Frauke Petry kennt die Lebensrealität der Menschen im ländlichen Raum Mitteldeutschlands, die geprägt ist von Abwanderung und fortlaufendem Strukturabbau. Auch die Kirchen sind davon betroffen. Die Entwicklung gibt Anlass zur Besorgnis, fand Petry, vollends, seitdem das tiefe Misstrauen und die Wut auf die Politik sich auch an der Wahlurne Luft machen. Dabei wirkte die Flüchtlingskrise von 2015 wie ein Katalysator, der unsere Gesellschaft gespalten hat. Mit seiner politisch-theologischen Schrift „Fürchtet euch nicht. Warum nur Vertrauen unsere Gesellschaft retten kann“ möchte Petry die Verbitterten und Erzürnten an die christliche Botschaft von Vertrauen, Versöhnung und Zuversicht erinnern. Als Christ sieht er seine Aufgabe darin, zu verbinden. Alle, die noch bereit dazu sind, bittet er, aufeinander zuzugehen, einander zuzuhören und die Position des anderen auszuhalten. Bei der einen Seite wirbt er um Verständnis für Menschen, die sich abgehängt fühlen und ihre Chance sehen, mit der Politik abzurechnen, bei der anderen Seite um Verständnis für die Zugewanderten und ihre Nöte. 

Wir sollten nicht pauschalisieren oder Politiker und Flüchtlinge zu Sündenböcken machen, warnt Petry. Dass die Politik auf die Globalisierungseffekte in bestimmten Regionen nicht nur im Osten Deutschlands allzu spät reagiert hat, erwähnt er nur indirekt: Menschen bemühten sich, den „Rück-zug des Staates aus den Orten, die sie Heimat nennen“ durch vielfältiges Engagement auszugleichen. Dem freiheitlichen Staat spendet er  Lob, da der Staat dem einzelnen Bürger die Freiheit gebe, solange er sich an die Gesetze halte. Seine persönliche Position macht er deutlich, indem er „Populisten“, AfD-Wähler und mehr oder weniger auch Pegida-Anhänger gleichsetzt. Ihnen attestiert er als Hauptmotiv für ihre ablehnende Haltung der Regierungspolitik Wut und vor allem Angst. „Angst geht um in Deutschland, Angst vor Fremdem, Angst vor dem Islam, Angst vor dem Terror, vor der Globalisierung, vor Veränderung“, heißt es im Klappentext. Das habe durchaus auch mit Erfahrungen in der DDR-Vergangenheit zu tun, konstatiert Petry. Ohne Zweifel ist es ein Risiko, als Theologe eine politische Streitschrift zu verfassen. Hier zeigt es sich, dass der Autor konsequent davor zurückweicht, die realen Kosten und politischen Konsequenzen einer fortlaufenden Zuwanderung auf hohem Niveau zu benennen. 

Näher an der Realität ist die knappe Botschaft von Joachim Gauck, der zu DDR-Zeiten ebenfalls Pfarrer war: „Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind begrenzt.“ Dagegen Petry: „Eine Gesellschaft, die sich auch auf christliche Wurzeln beruft, sollte vor der Begegnung mit der Welt keine Angst haben.“ Ihm ist zu entgegnen, dass wir als Christen aber auch bedenken müssen, dass man sich mit so weichen Formulierungen in einer Grauzone bewegt, in der die realen Risiken „um des lieben Friedens willen“ ausgeblendet werden. Damit aber wird das Risiko einer plötzlich wieder unkontrollierten Zuwanderung nach Europa und Deutschland ausgeblendet. Welche Unruhe eine Wiederholung der Ereignisse von 2015 in unserer Gesellschaft auslösen würde, sollte ein Pastor jedoch im Blick haben – auch und gerade mit einem theologisch basierten Ansatz.

Sven Petry: „Fürchtet euch nicht. Warum nur Vertrauen unsere Gesellschaft retten kann“, Bastei Lübbe Verlag, Köln 2017, gebunden, 127 Seiten, 10 Euro