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17.08.18 / Putins Regierung droht ein heißer Herbst / Russen reagieren heftig auf das von der Staatsduma durchgedrückte Gesetz zur Rentenreform – Protestbereitschaft wächst

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-18 vom 17. August 2018

Putins Regierung droht ein heißer Herbst
Russen reagieren heftig auf das von der Staatsduma durchgedrückte Gesetz zur Rentenreform – Protestbereitschaft wächst
Manuela Rosenthal-Kappi

Putin betrachtet seinen Wahlsieg als Freifahrtschein, alles tun zu können, was ihm beliebt“, „Die Regierung interessiert sich nicht für das Volk“ „Putin ist ein berauschter Monarch“: Die Kritik am russischen Präsidenten wird seit der Ankündigung einer einschneidenden Rentenreform lauter. Die Beliebtheitswerte Wladimir Putins und seiner Regierung rauschen in den Keller. Dies belegt eine kürzlich  durchgeführte Umfrage des Levada-Zentrums in 52 russischen Regionen. Viele der Befragten mögen nicht, dass der Präsident „mit dem großen Kapital verbunden“ ist und sind überzeugt, dass ihm die Interessen der Menschen fremd sind. Anfang August verzeichnete das Levada-Zentrum angesichts der angekündigten Erhöhung des Renteneintrittsalters einen Anstieg der Pro- testbereitschaft. Die Wahrscheinlichkeit von Massenprotesten mit wirtschaftlichen Forderungen übersteigt erstmals seit 2009 die Schwelle von 40 Prozent. Auch das Umfrageergebnis der Regierungspartei Einiges Russland ist auf den Stand von 2011 gesunken.  

Politologen fragen sich, was die die Regierung geritten hat, solch eine unpopuläre Entscheidung zu treffen, zumal das Budget des Landes ausgeglichen und sogar ein Haushaltsüberschuss möglich sei. Noch vor seiner Wiederwahl hatte Putin versprochen, das Thema Rente nicht anzurühren. 

Das Volk fühlt sich betrogen, zumal die Rentenreform im Schatten der Fußball-Weltmeisterschaft angekündigt wurde. Stein des Anstoßes ist die Erhöhung des Renteneintrittsalters für Männer von 60 auf 65 Jahre und für Frauen von 55 auf 63 Jahre. Die Reform trifft bei allen auf Unverständnis. Immer mehr Bürgerinitiativen schließen sich zusammen, darunter Mitglieder der Parteien „Jabloko“, „Parnas“, der Kommunisten wie auch von „Gerechtes Russland“. Neben einer Rücknahme der Rentenreform fordern sie, dass die direkte Bürgermeisterwahl wieder eingeführt wird. Die Kommunistische Partei unterstützt 200 Bürgerbewegungen. Die Opposition übt offenbar den Schulterschluss. Das Zentrale Wahlkomitee will gar die Zulassung eines gesamtrussischen Referendums zur Rentenreform prüfen lassen. Ob die Regierung ein solches zulassen wird, ist allerdings fraglich.

Vor dem Hintergrund, dass sich zum Wahlkampfauftakt Anfang August immer mehr Bürgerinitiativen  gebildet haben, die von Politikern wie Ilja Swiridow von der Partei „Gerechtes Russland“ initiiert wurden, macht den Kreml nervös. Am 9. September findet in Moskau die Bürgermeisterwahl statt und in 

20 Regionen werden Gouverneure neu gewählt. 

Dass die Bevölkerung gegen die geplante Reform in einem Ausmaß Sturm laufen würde, das die Massenproteste von 2011 erreichen könnte, damit hatte die Regierung offenkundig nicht gerechnet. Einschüchterungs- und ungeschickte Manipulationsversuche, wie das Kalkül, Jung gegen Alt auszuspielen, blieben wirkungslos. Die Alten glauben der Regierung nicht mehr. Sie denken an ihre Kinder und Enkel. Die Jungen sehen sich ebenso betroffen

Politologen bescheinigen Putin Hochmut. Erst reagierte er auf die Proteste gar nicht, dann lieferte er fadenscheinige Argumente, mit denen er die Notwendigkeit der Rentenreform erklärte – etwa die gestiegene Lebenserwartung. Demografen widerlegten diese These. Sie warfen Putin vor, mit fehlerhaften Auswertungen zu arbeiten. Während sich in den westlichen Industrieländern die Lebenserwartung bei Renteneintritt seit 1965 um sechs bis sieben Jahre erhöht habe, sei sie in Russland nur um sieben Monate gestiegen. 

Bislang sah Putin sich einer schwachen Opposition gegenüber, die sich leicht ausschalten ließ. Sollte es zu Massenprotesten wie 2011 kommen, ist seine Macht in Gefahr.

(siehe auch Seite 13)