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17.08.18 / Pekings Griff nach der Weltmacht / Mit ihrer Finanzkraft versucht China, die USA ohne einen beide zerstörenden großen Krieg abzulösen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-18 vom 17. August 2018

Pekings Griff nach der Weltmacht
Mit ihrer Finanzkraft versucht China, die USA ohne einen beide zerstörenden großen Krieg abzulösen
Florian Stumfall

Der Handelskrieg zwischen den USA und China ist nicht die einzige Arena, in der die beiden Mächte gegeneinander antreten. Im Hintergrund entwickelt sich ein anderer Wettbewerb, der nicht minder folgenschwer sein wird. Es geht um die militärische Stärke und darum, wer von beiden den anderen im Bereich der Militärtechnologie übertreffen kann.

Anfang dieses Monats hat die Volksrepublik China nach einer Mitteilung der Chinesischen Akademie für Flug- und Weltraum-Aerodynamik ein nicht näher beschriebenes Fluggerät mit der Bezeichnung „Xingkong-2“ getestet. Der Flug habe zehn Minuten gedauert, es seien in einer Höhe von 30 Kilometern Flugmanöver durchgeführt worden, und anschließend sei der Apparat wie geplant gelandet.

Über die erreichte Geschwindigkeit wurde nichts bekannt, doch habe sie im Hyperschall-Bereich gelegen. Damit bezeichnen die Militärs den Bereich über fünffacher Schallgeschwindigkeit. Bedeutend an diesem Testflug der Chinesen ist, dass sie damit auf diesem Gebiete die USA zumindest eingeholt, wenn nicht gar überholt haben. Eine der wichtigsten Eigenschaften von Hyperschall-Waffen ist, dass vor ihnen kein derzeitiges Abwehrsystem zu schützen vermag.

Dieses Hyperschall-Manöver fügt sich perfekt in die aktuelle Militärreform Pekings, von der die japanische Nachrichten-Agentur Kyodo News unter Berufung auf den Zentralen Militärrat Chinas berichtet. Vor kaum einem Jahr hatte das Land seine bisherige Strategie geändert, die an den Seegrenzen nur eine Küstenverteidigung vorgesehen hatte, und Ausgriffe über die 200-Meilen-Grenze in die Planung mit einbezogen. Nun sieht die strategische Planung die Ausweitung der eigenen Militärpräsenz darüber hinaus vor. Die Ziele sind im Weißbuch vorgegeben: die Vorherrschaft auf den Weltmeeren, die Handlungsfreiheit im Weltraum, die Entwicklung der nuklearen Waffen und die Vorherrschaft im Cyberraum. 

Zum ersten Mal werden zudem die USA und Japan als Länder benannt, welche die strategische Lage der Volksrepublik China destabilisieren könnten und deren Vorgehensweise einen Konflikt hervorrufen könnte. Hier gelte eine „Strategie der aktiven Verteidigung“. Diese wird mit einer einfachen Maxime erklärt: „China wird nie als erster angreifen, aber im Falle eines Angriffs auf sein Territorium einen Gegenschlag führen.“

Damit sind die USA doppelt angesprochen. Zum einen ist für Washington mit der Absicht Chinas, sich zum Herrscher über die Weltmeere aufzuschwingen, die Axt am Selbstverständnis der USA seit der Zeit des Unabhängigkeitskrieges angelegt. Die USA haben sich immer vorrangig als Seemacht verstanden. Deshalb wird sie hier keine andere Macht neben sich dulden.

Zum anderen zählt China zu dem in seiner neuen Doktrin vorkommenden „eigenen Territorium“ auch die umstrittenen Inseln im Südchinesischen Meer, die schon wiederholt Anlass krisenhafter Entwicklungen waren. Gerade hier nämlich liebt es die US Navy, ihre Überlegenheit zu demonstrieren. Gerade hier sieht aber auch China seinen Lebensnerv bedroht, weil das Land von Einfuhren abhängt, die in großem Umfang über das Südchinesische Meer kommen. 

Diese Region, so wichtig sie auch ist, stellt jedoch nur noch einen Baustein in der umfassenden chinesischen Strategie dar, die „eine allumfassende Verteidigung der eigenen Sicherheit weltweit“ vorsieht. Die japanische nicht profit­orientierte Nachrichtenagentur Kyodoo Tsushinsha/Kyodo News zitiert aus einem angeblich dem internen Gebrauch vorbehaltenen Dokument der „Zentralen Militärkommission“ Chinas: „Mit der Erweiterung unserer nationalen Interessen außerhalb der Grenze brauchen wir dringend einen all­umfassenden Schutz unserer Sicherheit in der ganzen Welt.“

Das kleine Dschibuti in Ostafrika am arabischen Golf steht beispielhaft für diese chinesische Strategie. Hier unterhalten die USA, Deutschland, Frankreich, Italien und Japan je eine Militärbasis – und eben auch China. Im Unterschied zu den anderen Ländern hat China es verstanden, mit hohen Krediten an die Regierung und Planungen, die Infrastruktur des Landes großzügig zu entwickeln, sich zum wichtigsten Partner des Landes zu machen. Der US-amerikanische Glaube, eine weltweite starke militärische Präsenz beantworte alle Fragen, hat hier beispielhaft Schiffbruch erlitten. Die Zeit ist abzusehen, in der China die einzige ausländische Militärbasis im geostrategischen Leuchtturm Dschibuti besitzen wird.

US-Marineminister Richard V. Spencer wird in der Zeitschrift „Newsweek“ zitiert: „Wenn es um China geht, geht es um sein Scheck­buch. Es geht nicht nur um Dollar und Cents, die sie für die Förderung ihrer Militärexpansion und für technologische Entwick­lungen ausgeben, sondern auch darum, womit sie sich in der ganzen Welt befassen … Sie nutzen das Kapital als Waffe. Ihr offenes Scheckbuch lässt mich in der Nacht nicht schlafen.“

Chinas Strategie legt über die Verschiebung der Machtverhältnisse hinaus einen grundlegenden Fehler der US-Außenpolitik offen: Mit deren obsessiven Konfrontation Russland gegenüber gerät die weltpolitische Rolle Pekings fast in Vergessenheit, wenn man vom hellsichtigen Marineminister einmal absieht. Die Probleme, die für Washington durch China entstehen, lassen sich weder durch Sanktionen noch durch neue Militärbasen lösen. Chinas Strategen jedenfalls haben sich das Kunststück vorgenommen, die USA als erste Weltmacht abzulösen, ohne dass es darüber zu einem Krieg kommt, der beide Länder zerstören würde.