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17.08.18 / Grüne: Wird der Ex-Kellner zum Koch? / Der ehemalige Mehrheitsbeschaffer der SPD scheint auf dem Weg zur Volkspartei mit vielen Optionen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-18 vom 17. August 2018

Grüne: Wird der Ex-Kellner zum Koch?
Der ehemalige Mehrheitsbeschaffer der SPD scheint auf dem Weg zur Volkspartei mit vielen Optionen
Peter Entinger

Jahrelang galten die Grünen als Wunschkandidat der SPD für eine sozialdemokratisch geführte Koalition. Nun könnten sich die Kräfteverhältnisse ändern. Bei den Sozialdemokraten wächst die Nervosität.

In aktuellen Meinungsumfragen liegt die Öko-Partei fast schon gleichauf mit der SPD. Bei den anstehenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern drohen den Sozialdemokraten historisch schlechte, den Grünen dafür besonders gute Resultate. Im Freistaat dürften die Grünen die SPD gar überholen. Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa glaubt nicht, dass sich die Sozialdemokraten mittelfristig erholen werden. Deutschland könne eine neue Rangordnung der Parteien bevorstehen, sagte Manfred Güllner der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Bei SPD und Grünen könnten sich die Größenverhältnisse auch auf Bundesebene bald umdrehen. Um ein Bild von Gerhard Schröder abzuwandeln: Die Grünen haben die Chance, Koch zu sein, während sich die Sozialdemokraten mit der Rolle des Kellners anfreunden sollten“, sagte Güllner.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner appellierte in der vergangenen Woche fast schon flehend, die Grünen mögen sich auch weiterhin zu einem linken Bündnis bekennen. „Die Grünen sind nötig, um eine Mehrheit jenseits der Union zustande zu bringen.“ Hauptgegner im Parteienspektrum bleibe die Union. „Es gilt, den rechten Parteien Paroli zu bieten“, sagte Stegner der Tageszeitung „Die Welt“. 

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin hatte zuvor erklärt, die SPD-Spitze befinde sich auf einem Schlingerkurs, die im absoluten Abseits enden könnte: „Die Vorsitzende Andrea Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz scheinen sich in einer babylonischen Gefangenschaft mit CDU und CSU einrichten zu wollen“, sagte der frühere Bundesumweltminister. Anstatt die Union stärker zu bekämpfen, würden sie sich noch schärfer von den Grünen abgrenzen. 

Die Grünen machen unterdessen ihr eigenes Ding. Die neue Doppelspitze tourt seit einigen Wochen durch die Republik. „Des Glückes Unterpfand“ haben Annalena Baerbock und Robert Habeck ihre Sommerreise bezeichnet: „Wir wollen wissen, was dieses Land zusammenhält“, sagt Baerbock: „Wir wollen auf die Reise gehen und sehen: wo ist Einigkeit, wie stärken wir unsere Freiheit und unser Recht.“ Die Anlehnung an das Lied der Deutschen kommt nicht von ungefähr. Wahlen werden traditionell in der Mitte gewonnen. Den Grünen haftet immer noch der Ruf der Multikulti-Utopisten an. Seit der telegene Habeck durch die Diskussionssendungen der Republik tourt, schnellen die Umfragewerte nach oben. Zwar ist der Schleswig-Holsteiner eher einer vom linken Flügel, doch er bemüht sich zunehmend um bürgerliche Töne. Denn die Lust am Regieren ist bei den Grünen riesengroß. „Mit der SPD wird das schwierig, weil sie eher ab- als zunimmt“, sagt Ex-Frontmann Trittin spitz. Und die Linkspartei könnte sich durch die Gründung der Wagenknecht-Bewegung „Aufstehen“ zerlegen. 

Allerdings geben die Grünen kein einheitliches Bild ab. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann kämpft seit Jahren für ein schwarz-grünes Bündnis auf Bundesebene, das auch in Hessen längst Realität ist. Intern wird mittlerweile sogar das Undenkbare diskutiert. Trauen sich die Grünen in Bayern, den Mehrheitsbeschaffer für die CSU zu spielen? Wahrscheinlich ist dies erst einmal nicht. Denn intern gibt es schon Widerstände gegen die Absetzbewegungen des neuen Spitzenduos von der SPD.

Die stellvertretende Grünen-Vorsitzende Jamila Schäfer mahnte die Parteien links der Union zur Geschlossenheit. „Wichtig ist, dass wir den progressiven Teil der Gesellschaft nicht wie einen Kuchen betrachten, bei dem Linke, SPD und Grüne um das größte Stück kämpfen“, sagte Schäfer der Tageszeitung „Die Welt“. „Gesellschaftliche Mehrheiten sind wandelbar. Je plausibler wir unsere Ideen erklären, desto größer ist der Kuchen“, sagte Schäfer und ging damit deutlich auf Distanz zu den Äußerungen Trittins. 

Dessen Aussage, Grüne und SPD seien keine „gottgegebenen Partner“, alarmiert die Sozialdemokraten. „Wir geben offensichtlich klügere Antworten als die Sozialdemokraten auf die Themen der Menschen, die sich um Soziales, Gesundheit und Pflege sorgen“, sagte Trittin.

Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, sprach von „verbalen Rempeleien“. Die SPD arbeite mit den Grünen vielfach gut und erfolgreich zusammen. „Sich nun mit den Grünen zu prügeln, wäre komplett überflüssig“, sagte Kahrs dem Norddeutschen Rundfunk.

„Führende Kraft der linken Mitte“ wollen die Grünen werden, so lautet deren offizielle Sprachregelung. Doch zum Regieren bräuchten sie auf Bundeseben wohl einen dritten Partner. Die Linkspartei ist ihnen suspekt, die SPD zu erfolglos. „Aufgrund der Rechtsverschiebung der vergangenen Jahre gibt es derzeit objektiv keine Mehrheit links der Mitte“, sagte Trittin, ein linker Grüner und ehemaliger rot-grüner Umweltminister. Linke Mehrheiten gebe es nur in vielen politischen Einzelfragen. „Das bringt sowohl die SPD als auch die Grünen in die Situation, dass sie faktisch nur lagerübergreifend Regierungsoptionen haben.“ Und so kommt die FDP ins Spiel. Dass die Liberalen eine Jamaika-Koalition haben platzen lassen, stört viele Grüne immer noch. Doch Robert Habeck gibt sich staatsmännisch. „Unter Demokraten kann man immer sprechen. Und es gibt auch Überschneidungen zur FDP.“