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17.08.18 / Mit variabler Gültigkeit / Beim GG werden einige Begrifflichkeiten nicht mehr ganz so genau genommen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-18 vom 17. August 2018

Mit variabler Gültigkeit
Beim GG werden einige Begrifflichkeiten nicht mehr ganz so genau genommen
Erik Lommatzsch

„Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassunggebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben. Die Deutschen … haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.“

Hierbei handelt es sich um die Präambel des Grundgesetzes. Eine Präambel, so ein gängiges Lexikon, dient unter anderem dazu, die „historisch-politische Bedeutung und Zielsetzung der getroffenen Regelungen darzulegen“. Das Gesetzeswerk galt einst als erfolgreich, nie wurde ernsthaft erwogen, statt eines Beitritts der DDR eine neue Verfassung für den Gesamtstaat auszuarbeiten. 

Inzwischen werden einige Begrifflichkeiten nicht mehr ganz so genau genommen. Als Alibi dient oft der „Anwendungsvorrang“ von EU-Recht „gegenüber nationalem Recht“ – was jedoch keineswegs eindeutig geklärt ist. Naturgemäß gibt es über jedes Gesetzeswerk Uneinigkeiten. Doch nehmen sich früher festgestellte Widersprüchlichkeiten – etwa die Bestimmung, dass ein Ersatzdienst die Zeit des Wehrdienstes nach Artikel 12a, Absatz 2, nicht überschreiten durfte, was jedoch nie der Praxis entsprach – im Vergleich zu heutigen Beobachtungen marginal aus.

„So bunt ist unser Land“, verkündet beispielsweise die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Claudia Roth in einem aktuellen, via Internet abrufbaren Video. Sie zitiert den ersten Satz des Artikels 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ So richtig, so allgemein. Ihre weiten Ausführungen – alles ist für alle gültig, bunte Beliebigkeit in Deutschland – leitet sie allein daraus ab. Die Präambel des Grundgesetzes ist ihr offenbar nicht geläufig oder egal. Roth bekämpft verbal eine Partei, die definieren wolle, wer dazugehört und wer nicht. Was das Grundgesetz betrifft: Es steht in der Präambel.

Roth bezieht sich erkennbar auch auf die Immigrationsfrage und das Asylrecht, das der Artikel 16a regelt. Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts von 2002 bis 2010, hatte schon Anfang 2016 ausgeführt: „Der Verfassungsstaat muss funktionieren, er darf durch die Politik nicht aus den Angeln gehoben werden. Sie hat die zentrale Verpflichtung, Gefahren entgegenzutreten, die durch eine dauerhafte, unlimitierte und unkontrollierte Migration in einem noch nie dagewesenen Ausmaß entstehen können.“ Dass das Grundgesetz bezüglich des Asylrechts permanent gebrochen wird, erkennt auch der juristische Laie. Schon alle aus EU-Staaten nach Deutschland Einreisenden dürften sich nicht auf dieses Recht berufen – eine klare Regelung, die praktisch außer Kraft gesetzt ist. Fortsetzung findet das Ganze in Form des „Kirchenasyls“, das Personen, deren Nicht-Anspruch in langwierigen Verfahren festgestellt wurde, dem staatlichen Zugriff entzieht. Der Staat seinerseits kapituliert vor einer moralischen Anmaßung, die sich auf Begrifflichkeiten einer Zeit beruft, die mit der gegenwärtigen Situation so ziemlich gar nichts zu tun hat. Ein Ende ist nicht in Sicht. Neuerdings wird nach Kirchenvorbild, natürlich konsequenzenfrei, „Bürgerasyl“ gewährt.

Ein wenig peinlich war das „Deutsche“ einigen Denkern der alten Bundesrepublik schon früher. Man entwickelte daher das Konzept des „Verfassungspatriotismus“. Allerdings fällt selbst das heutzutage schwer – „patriotisch“ gegenüber einer Verfassung zu sein, deren Gültigkeit variabel ist.