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17.08.18 / Entdeckungsfahrt ins Paradies / James Cook reiste auf einem Kohlefrachter in die Südsee

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-18 vom 17. August 2018

Entdeckungsfahrt ins Paradies
James Cook reiste auf einem Kohlefrachter in die Südsee
Klaus J. Groth

Seine seemännische Karriere begann James Cook als Matrose an Bord eines Kohlefrachters. Und es war ein umgebauter Kohlefrachter, der ihn auf seiner ersten großen Expedition in die Südsee trug. Im 26. August vor 250 Jahren legte das Schiff in England ab.

Den Bauch gefüllt mit haltbaren Nahrungsmitteln, zu denen lebende Schafe und Hühner gehörten, mit Fässern voll Sauerkraut und Bier, einem großen Chesterkäse und Geschenken für die Eingeborenen nahm die Bark „Endeavour“ (Aufgabe, Anstrengung) Kurs auf Tahiti. Kapitän Cook befehligte 94 Mann. Sein Auftraggeber war die Royal Geographic Society. Seine Order: ein Team von Wissenschaftlern nach Tahiti zu bringen. Dort sollten sie den Venustransit, den Durchgang der Venus vor der Sonne am 3. Juni 1769 beobachten. Astronomen erhofften sich durch die Messung neue Erkenntnisse über das Sonnensystem. Als hervorragender Kartograf und Schiffsführer der Royal Navy erschien der 40-Jährige als bester Mann für dieses spektakuläre Projekt.

Über den Beginn der Expedition schreibt Cook in seinem Tagebuch: „Als ich meine Bestallung erhalten hatte, ging ich an Bord, hisste die Kommandoflagge und segelte nach Plymouth. Hier wurde der Mannschaft die Parlamentsakte vorgelesen. Zugleich wurde ihr ein zweimonatiger Sold im Voraus bezahlt. Am 26. August stachen wir in See.“ Den Umschlag, der in seiner Kajüte versiegelt lag und den er erst nach Erledigung seines Auftrags öffnen durfte, erwähnte er nicht.

Über Rio de Janeiro segelte die „Endeavour“ entlang der südamerikanischen Küste nach Feuerland. Ein guter Wind trieb die Briten rund um Kap Hoorn in den Pazifik. Rechtzeitig kamen sie am 11. April in der Matavaibai auf Tahiti an. Der Aufenthalt bei den „Naturkindern“ glich einer Harmonieveranstaltung. Man lud sich gegenseitig zum Essen ein, brachte Gastgeschenke mit, ganz wie in der besseren Londoner Gesellschaft. Das Bild vom exotischen Paradies, das der Entdecker der Insel, Samuel Wallis, nach Europa brachte, fand Cook bestätigt. Dass die Einheimischen stahlen wie die Raben, die Könige nicht ausgenommen, bewertete er milde als Landessitte. Als allerdings ein Quadrant verschwand, der für die Beobachtung der Venus unerlässlich war, nahm er einen Würdenträger in Geiselhaft, der Quadrant wurde zurückgegeben. Cook strafte nicht, er schrieb: „… blutige Auftritte sind mir zuwider.“ 

Die Wissenschaftler begannen mit dem Aufbau der Sternwarte. Die Inselbewohner schleppten Bäume für Palisaden heran. Cook bezahlte jeden Stamm mit Nägeln, Stoffen und den üblichen Glasperlen. Beile und Äxte waren die Währung, mit der er Schweine, lebendig oder geröstet, Früchte und Yamswurzel eintauschte, ein fairer Handel. Er schrieb: „… Selbst wenn ich Mangel an allem gelitten hätte, so wäre es mein Letztes gewesen, Gewalt anzuwenden und Menschen zu töten, um sie ihres Eigentums zu berauben.“

Cook wurde als Sohn eines Tagelöhners 1728 in Yorkshire geboren und besuchte nur eine Dorfschule. Dank der Förderung durch einen Quäker fand er zur Seefahrt und machte bei der Royal Navy Karriere. Die Quäker lehnen jede Diskriminierung ab. Cook hatte diese Geisteshaltung verinnerlicht. Er trat nicht als Kolonialherr auf, der sich den „Wilden“ überlegen fühlt. Er beobachtete, er urteilte nicht.

Zur Freude der Besatzung waren die Schönen der Insel sehr freizügig. Sex wurde in aller Öffentlichkeit praktiziert. „Die Insulaner hielten eine Vesper von besonderer Art ab. Ein junger, sechs Fuß großer Mensch weihte ein junges, etwa zwölfjähriges Mädchen in Gegenwart einiger von unseren Leuten und einer großen Menge Volkes in die Mysterien des Venus­kults ein … Die ungenierte Art bewies ganz klar, dass er seine Handlungsweise nicht im geringsten für unschicklich und unanständig, sondern für eine im Gebrauch des Landes erlaubte und moralische hielt.“ Der Kapitän erlaubte sich wohl nichts. Er hatte eine Frau und eine Kinderschar zu Hause.

Nachdem das astronomische Projekt abgeschlossen war, hatte Cook weisungsgemäß das Siegel der geheimnisvollen Order erbrochen. Er sollte die „Terra australis inkognita“ finden. Das hatten schon einige Seefahrer vor ihm erfolglos versucht. Der im zweiten nachchristlichen Jahrhundert lebende und wirkende griechische Mathematiker und Geograf Claudius Ptolemäus vermutete die Existenz eines Südkontinents mit reichen Bodenschätzen. Das neue Ziel der „Endeavour“ waren die Gebiete rund um den 60. Breitengrad Süd. Als Dolmetscher mit an Bord: der Häuptling Tupia. Nicht überall auf den Inseln Polynesiens wurden sie freundlich empfangen. Tupias Vermittlungskunst verhinderte Blutvergießen. Cook umrundete als erster das nördliche Neuseeland und bewies, dass es sich um eine Doppelinsel handelt. Die Durchfahrt nannte er Cookstraße. 

Die britische Krone musste zur Kenntnis nehmen: „Unsere Entdeckungsfahrt hat den Beweis erbracht, dass sich im Süden von Ozeanien kein festes Land befindet. Es kann keinen großen südlichen Weltteil (Terra australis) geben. Hingegen gibt es noch eine Menge unbekannter Inseln, die bisher von keinem europäischen Schiff besucht worden sind.“ Das Kartenmaterial, das Cook von dieser Wasserwelt anfertigte, ist außerordentlich exakt. Seine Eintragungen im Tagebuch und die Skizzen des mitreisenden Malers Parkinson sind das bedeutendste Zeugnis der Menschen und ihrer Lebensweise in Ozeanien, bevor die Europäer kamen.

Nach einer Havarie mit einem Felsen musste die „Endeavour“ in Batavia (Jakarta) überholt werden. Im schrecklichen Klima dieser holländischen Kolonie starb ein Drittel seiner Leute, auch Tupia, an Malaria und Durchfallerkrankungen. Mit diesem „Totenschiff“, wie Cook bitter schrieb, kam er am 12. Juni 1771 um 3 Uhr mittags in der Grafschaft Kent an.

Der große Entdecker brach noch zu zwei weiteren Weltreisen auf. Am 14. Februar 1779 wurde er auf Hawaii von Eingeborenen erschlagen. Als der Maler Paul Gauguin 100 Jahre später auf Tahiti eintraf, wo nach seiner Meinung das Leben „Singen und Lieben“ hieß, fand er verwahrloste, an Geschlechtskrankheiten leidende Bewohner und ärmliche Wellblechhütten vor. Das Paradies existierte nicht mehr.