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17.08.18 / Der Geldwert eines Menschen / Frivole Debatte: Experten streiten über den materiellen Preis von Artgenossen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-18 vom 17. August 2018

Der Geldwert eines Menschen
Frivole Debatte: Experten streiten über den materiellen Preis von Artgenossen
Wolfgang Kaufmann

Nicht zuletzt wegen der massiven Zunahme von Terroranschlägen islamischer Extremisten wird verstärkt über den finanziellen Wert eines Menschenlebens diskutiert – sei es, um die Entschädigung der Hinterbliebenen angemessen zu gestalten, sei es im Zusammenhang mit Überlegungen, wie viel Geld man für Sicherheitsmaßnahmen ausgeben sollte. Dabei gilt es von vornherein als ausgemacht, dass der Wert eines Menschen nicht unendlich hoch angesetzt werden könne, weil sonst logischerweise auch unendliche Kosten möglich wären. Allerdings streiten die Experten darüber, welche Summen realistischerweise anzusetzen seien.

Nähme man den reinen „Materialwert“ der chemischen Elemente im Körper einer Durchschnittsperson als Basis, kämen lediglich 1500 Euro zusammen, wobei der Löwenanteil auf den Kohlenstoff entfiele. Vor diesem Hintergrund erscheint die Summe von 1000 Euro Entschädigung pro Todesopfer des Giftgasunglücks von 1984 im indischen Bhopal noch schäbiger als ohnehin schon.

Ein sehr viel höherer Preis wäre beim Verkauf sämtlicher Organe zu erzielen, wobei der „Gewinn“ aus der Veräußerung des Herzens bloß 57000 Euro betrüge, während die beiden Nieren durchaus 185000 Euro einbringen könnten. Nach Berechnungen italienischer Versicherungsmathematiker läge es im Bereich des Möglichen, durch die geschickte „Komplettverwertung“ eines gesunden menschlichen Körpers 44,7 Millionen Euro auf dem Medizin-Schwarzmarkt zu bekommen, respektive zu ergaunern.

So wird aber natürlich nicht gerechnet, wenn Entschädigungsfragen im Zusammenhang mit Terroranschlägen zu klären sind. Als Zahlungen an die Hinterbliebenen der Opfer des 11. Septembers 2001 in den USA festzusetzen waren, urteilten die Gerichte auf der Basis der „Humankapitalmethode“: Wie viel Geld hätte der Getötete in seinem Leben höchstwahrscheinlich noch verdient? Genau diese Summe mache seinen materiellen Wert aus.

Hieraus ergaben sich Beträge von 5,5 Millionen Dollar für weiße Investmentbanker und bloß 197000 Dollar für Mindestlohn beziehende Tellerwäscher. Und die Latino-Feuerwehrleute, welche freiwillig in die brennenden Twin Towers gingen, um Leben zu retten, lagen irgendwo dazwischen.

Wer das unmoralisch findet, der möge sich vergegenwärtigen, wie „großzügig“ das Schmerzensgeld für die Hinterbliebenen der 101 Todesopfer des ICE-Unglücks bei Eschede im Jahre 1998 ausfiel: Die Deutsche Bahn AG zahlte damals rund 30000 D-Mark pro ums Leben Gekommenem. Ähnlich knauserig agierte die Bundesregierung nach dem islamischen Terroranschlag vom Dezember 2016 auf den Berliner Weih­nachtsmarkt: Seit dem Vorfall wurden bislang kaum mehr als zwei Millionen Euro an insgesamt  immerhin 119 Verletzte und Hinterbliebene ausgeschüttet.

Dabei haben deutsche Experten wie der Ökonom Hannes Spengler von der Technischen Universität Darmstadt deutlich höhere Summen für den „Wert eines statistischen Menschenlebens“ ermittelt, wobei sie sich im Unterschied zu den US-Juristen der Methode der „Kompensatorischen Lohndifferenziale“ bedienten. 

Diese basiert vor allem auf der mathematischen Berücksichtigung der finanziellen Zugeständnisse, welche nötig sind, um Personen zu vergleichsweise gefährlichen Tätigkeiten zu motivieren. So kam Spengler auf durchschnittlich 1,65 Millionen Euro pro Leben eines Arbeitnehmers.

Natürlich werfen derartige Vorgehensweisen zahlreiche ethische Fragen auf – nicht wenige Kritiker sehen hier die Menschenwürde aufs Gröbste verletzt. Dem entgegnet freilich der US-Wirtschaftswissenschaftler Ike Brannon, wer eine gute Politik machen wolle, brauche auch genaue Zahlen, was Menschenleben wert seien. Wie sollten die Entscheider sonst wissen, in welchem Umfang sie Steuergelder für Sicherheitsmaßnahmen, Gesundheitsschutz oder Umweltprojekte einsetzen müssen? 

Wenn man 500000 Dollar ausgebe, um mindestens einen Menschen vom mehrfachen Wert dieser Summe vor dem Tode zu bewahren, sei das eine hervorragende öffentliche Investition. Nach Brannons Logik dürfte dann aber Sicherheit für Rentner, Behinderte und andere „Unproduktive“ gar nichts kosten.