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17.08.18 / Spaziergang ins gesunde Leben / Spanien hat seinen Jakobsweg, das oberösterreichische Mühlviertel seinen Johannesweg – Hier pilgert man auch hoch zu Ross

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-18 vom 17. August 2018

Spaziergang ins gesunde Leben
Spanien hat seinen Jakobsweg, das oberösterreichische Mühlviertel seinen Johannesweg – Hier pilgert man auch hoch zu Ross
Helga Schnehagen

Der Johannesweg ist die österreichische Antwort auf den Jakobsweg. Er ist kein Pilgerweg im religiösen Sinn, sondern ein genialer Rundwanderweg, der zum Nachdenken anregt und dem Leben eine neue Richtung geben kann.

Auf Schusters Rappen die Natur und Landschaft zu genießen, ist in Mode gekommen. Und ebenso heutiges  Pilgern – gewissermaßen Wandern plus –, um eine Auszeit vom hektischen Alltag zu nehmen, zu sich selbst zu finden und der Spiritualität Raum zu geben. So entstand 2012 der Johannesweg. Der 84 Kilometer lange Rundwanderweg schlängelt sich in Form einer Lilienblüte durch eine der schönsten Gegenden Österreichs: die Mühlviertler Alm bei Linz in Oberösterreich. 

Ideen- und Namensgeber ist Johannes Neuhofer. Der Facharzt für Dermatologie hat genug Pa­tienten erlebt, deren inneres Un­gleichgewicht sich außen auf der Haut krankhaft widerspiegelt. Und er hatte eine Vision: Zwölf Stationen, die verraten, wie man gesund und zufrieden bis ins hohe Alter im Einklang mit den Gesetzen der Natur und in Harmonie mit seinen Mitmenschen leben kann. 

Die Krux ist, dass sich Wissen nicht vererbt. Und weil dem so ist, ist auch die Wiederholung be­kannter Weisheiten erlaubt. Schon antike Philosophen, christliche und andere Lehrmeister, moderne Aufklärer – von Platon über Konfuzius bis Kant – formulierten zeitlose Tugenden zum Wohle des Menschen. Neuhofer hat sie auf dem Johannesweg zu neuem Leben erweckt. 

Die Mühlviertler Alm mit ihren sanften Hügeln ist wie geschaffen für innere Einkehr. Im Wechsel von Wald, Wiesen und Feldern mit weit auseinanderliegenden blitzsauberen Gehöften und aufgeräumten Dörfern, bodenständigen Bewohnern, an deren Dialekt selbst Österreicher verzweifeln, wenig Touristen, über weite Strecken menschenleer, kann hier ein jeder die Seele baumeln lassen. Wer in dieser Bilderbuchlandschaft nicht zur Ruhe kommt, schafft es nirgendwo. 

Ein Spaziergang ist der Johannisweg jedoch nicht. Die Mühlviertler Alm ist zwar nur ein Mittelgebirge in der Alpenrepublik, dafür aber eines, dessen Hügelland zwischen 500 und 1000 Metern schwankt. Mit anderen Worten: Es geht ständig bergauf und bergab. Dass neben Humor, Geduld, Mut, Großzügigkeit, Toleranz, Bescheidenheit, Hilfsbereitschaft, Gastfreundschaft, Mäßigung auch Körpertraining zum Meditationsprogramm gehört, braucht daher auf keiner Tafel extra vermerkt zu werden. Wer hier keine trainierten Waden hat, macht schon nach den ersten Kilometern schlapp.

Damit würden dem Wanderer viele Naturschönheiten in diesem speziellen Gneis- und Granithochland entgehen: Bäume und Büsche, die aus dem Fels zu wachsen scheinen, malerische Waldbäche, die sich in sanften Schluchten ihr Bett im Gestein suchen und alle Arten von Wildblumen, die diesen intakten Na­turraum mit bunten Farbklecksen überziehen. Der gesundheitsbewusste Pilger wird im Sommer umflattert und umsummt von Schmetterlingen und Bienen, die sich zwischen der Blütenfülle im Wald, auf den Wiesen und in den Gärten entscheiden müssen. Selten bereitet die Natur ihnen ein derartiges Luxusproblem wie hier.

Nebeneffekt des felsigen Untergrunds sind trockene Wege, auf denen Pfützen und Matsch keine Chance haben. Die guten Wege haben aus der Mühlviertler Alm nicht nur ein Wander-, sondern auch ein Reitparadies mit 700 Kilometern markierter Reitwege gemacht. Es ist das größte Wanderreitgebiet Europas. Dazu gibt es die passende Infrastruktur: über 100 gut trainierte Verleihpferde, 50 Rast- und Beherbergungsbetriebe mit 320 Gästebetten, in denen der müde Reiter übernachten kann, samt Boxen und Weideplätzen für die Pferde. 

Nach dem Erfolg des Johannesweges wurden dessen zwölf Stationen im Juli 2018 auch mit dem 110 Kilometer langen Johannesritt als Pilgerweg im Sattel erschlossen. Dabei begegnen sich Wanderer und Reiter nur an den Stationen. Für die Pferde entstanden nagelneue „Parkplätze“. Solide Balken mit Ringen zum Anbinden der Vierbeiner. Und während sich der Reiter per pedes auf den Weg zur Johannessäule macht, knabbern die Pferde zufrieden an den Gräsern des Waldbodens.

„Humor soll dein Leben begleiten, denn er beflügelt deinen Geist und erfreut die Gesellschaft“ ist die erste Botschaft, mit der Neuhofer den Wanderer an der Engelskapelle bei Pierbach auf den Weg schickt. Dazu schmeckt der Schluck aus dem nahen Johannesbrunnen auf dem Hof der Familie Irxenmayer mit seiner Quelle des Lebens. Ob Herrgottsitz oder Gipfelkreuz, Galgen oder Kapelle, Kreuzweg oder Heilquelle – die Stationen sind so unterschiedlich wie die Weisheiten, die bei ihnen verkündet werden. Jeder Aufstieg lohnt, denn am Blick über die Hügel bis zu den fernen Alpen kann man sich gar nicht satt sehen. 

Anfang und Ende des Johannesweges liegen dicht beieinander. Wer den Marsch durch die Stationen geschafft hat, sollte – so Neuhofer – genug neue innere Kraft für ein gesundes und zufriedenes Leben bis ins hohe Alter getankt haben. Mit dem Rat „Der Schlüssel zum gesunden Altern liegt in deinem Alltag“ schließt sich der Kreis. Wer es nachprüfen will, sollte sich auf den Weg machen.

Info: Mühlviertler Alm, Markt 19, A–4273 Unterweißenbach, Telefon (0043) 79567304-0, E-Mail: office@muehlviertleralm.at, Internet: www.muehlviertleralm.at. Speziell für Reiter, E-Mail: pferdereich@muehlviertleralm.at, Internet: www.pferdereich.at