27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
17.08.18 / Autorin liefert gescheite politische Streitschrift und grenzt sich von der AfD ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-18 vom 17. August 2018

Autorin liefert gescheite politische Streitschrift und grenzt sich von der AfD ab
Dagmar Jestrzemski

Thea Dorn erkundete 2011 in ihrer enzyklopädischen Kulturgeschichte zusammen mit Richard Wagner „Die deutsche Seele“. Mit ihrem Buch „Deutsch, nicht dumpf. Ein Leitfaden für aufgeklärte Patrioten“ schaltet sich die Schriftstellerin und Moderatorin in die politisch aufgeheizte Debatte über deutsche Kultur und Identität ein, die oft unsachlich geführt wird und mit Ignoranz gegenüber der historischen Entwicklung des Verleugneten oder Verkannten. 

Dorns Beitrag ist eine anregende und gescheite politische Streitschrift, mit der sie ihr außerordentliches Talent zu argumentieren und mit Wortwitz genüsslich zu fabulieren unter Beweis stellt. Viele Publizisten sehen in der D-Debatte ein heißes Eisen, das man besser links liegen lässt. Dorn hält das für falsch. „Denn wenn in einer medialen Öffentlichkeit strukturell parteiisch geurteilt wird …, gerät eine Gesellschaft in Schieflage“, warnt sie. 

Gerade weil heute beinahe jeder unter „Deutschland“ etwas anderes verstehe und Begriffe wie „Leitkultur“, „Deutsche Kultur“, „Europa“, „Heimat“, „Nation“ und „Identität“ zum Auslöser von Streit und Anfeindungen geworden sind, hat sich die Autorin der anspruchsvollen Aufgabe einer grundlegenden Klärung und Wertung von Vorstellungen und Inhalten dieser verhassten oder auch hoch gehaltenen Begriffe gewidmet, die immer mehr zu Schlagwörtern degradiert wurden. 

Zunächst, wie sie betont, müsse erst klargestellt werden, worüber wir überhaupt reden. Ihren Maßstab hat sie hoch angesetzt: Man dürfe, um den Bedeutungsinhalt des „Deutschen“ im 21. Jahrhundert neu zu beleben, die Komplexität nicht unterbieten, die Thomas Mann mit seiner vielschichtigen Diagnose von 1945 in seinem Essayband „Deutschland und die Deutschen“ vorgegeben habe. Dabei bewege man sich „auf einem schmalen Grat“, da wir als Deutsche aufgrund unserer jüngeren Geschichte nicht mehr unbefangen mit den Worten „Heimat“ und Identität“ umgehen könnten. 

Entlang ihrer Ausführungen greift die sich als konservativ bezeichnende Autorin aktuelle gesellschaftliche Phänomene auf und durchforstet die Schriften prominenter und wenig bekannter Autoren an den Schnittstellen zwischen Philosophie, Politik, Psychologie und Kulturgeschichte. Durchgehend nimmt sie sich die Freiheit zu loben oder zu tadeln, nie entlässt sie ihre Leser, ohne ihnen ihre wohlabgewogene Wertung mit auf den Weg zu geben. Gelegentlich muss sie bekennen, nicht mit einer allgemein gültigen „Erzählung“ aufwarten zu können, so etwa bei dem vielschichtigen Thema „Europa“, das mitunter als Totschlagargument gegen „nationale Lösungen“ herhalten muss. 

Es scheint, als habe sich die „Konservative“ dem linksliberalen Spektrum und einem nationalskeptischen Publikum als unverdächtig präsentieren wollen, anders lassen sich die mit politisch korrekter Zurückhaltung vorgebrachten Fragen „Dürfen wir unser Land lieben? Dürfen wir es gar Heimat nennen?“ nicht erklären, mit denen sie sich eingangs unnötigerweise „verzwergt“. Vereinfachende Zuordnungen wie „links“ und „rechts“ vermeidet sie, greift sich dafür unter den politischen Parteien und Lagern gezielt immer wieder die AfD und auch Alexander Gauland persönlich als Angriffsziel heraus. Bei der AfD konstatiert sie eine negative Entwick-lung und hat diese Partei abgeschrieben. Womöglich erschien es ihr zweckdienlich, sich von einer Strömung abzusetzen, mit der sie gewisse Schnittmengen verbinden. Einer der Kernsätze ihrer Plädoyers für einen aufgeklärten Patriotismus lautet: Die Menschheit dürfe im 21. Jahrhundert nicht abermals einen Gegensatz zwischen Zivilisation und Kultur konstruieren. Menschsein bedeute, sich im Spannungsfeld zwischen diesen beiden Polen voll zu entfalten.

Thea Dorn: „Deutsch, nicht dumpf. Ein Leitfaden für aufgeklärte Patrioten“, Knaus Verlag, München 2018, gebunden, 336 Seiten, 24 Euro