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24.08.18 / NATO und Ukraine nähern sich an / Obwohl kein Vertreter eines Mitgliedslandes, nahm Präsident Poroschenko am Bündnisgipfel in Brüssel teil

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-18 vom 24. August 2018

NATO und Ukraine nähern sich an
Obwohl kein Vertreter eines Mitgliedslandes, nahm Präsident Poroschenko am Bündnisgipfel in Brüssel teil
Florian Stumfall

„Niemand wird die Integration der Ukraine in die NATO verhindern können – weder von außen, womit ich Russland meine, noch von innen durch die ‚fünfte Kolonne‘, noch in der NATO selbst.“ Der Staatspräsident der Ukraine, von dem diese Worte stammen, könnte recht behalten.

Zu denjenigen Teilnehmern des jüngsten NATO-Gipfels in Brüssel, die keinen Mitgliedsstaat vertraten, gehörte auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko. Dass er trotzdem teilnahm, ist darauf zurückzuführen, dass die Ukraine „Partner-Staat“ der NATO ist. Das wiederum geht zurück auf die NATO-Ukraine-Charta aus dem Jahre 1997. Außerdem wurde Kiew im März dieses Jahres die Eigenschaft eines „NATO-Bei­trittsaspiranten“ zuerkannt. Die ukrainische Parlamentsvizepräsidentin Irina Geraschtschenko erklärte dazu: „Das ist sehr wichtig. Schritt für Schritt nähern wir uns einer vollwertigen Mitgliedschaft in der Allianz.“

Doch Poroschenko genügt das nicht. Er macht Tempo. Er will, dass sein Land so schnell wie möglich Vollmitglied des Nordatlantikpaktes wird. Nach seinem jüngsten Brüssel-Besuch erklärte er: „Niemand kann den Kurs der Ukraine auf eine NATO-Mitgliedschaft verhindern.“ Das Bündnis selbst nährt die Hoffnungen Kiews nach Kräften. So haben in der Ukraine bereits große Manöver stattgefunden, und die Ukraine ist das einzige Land außerhalb der NATO, das gleich bei drei von dem Bündnis geführten Militäroperationen teilnimmt: im Kosovo, in Afghanistan und vor dem Horn von Afrika.

Das Versprechen, das einst der letzte sowjetische Präsident Michail Gorbatschow angeblch von den USA bekam, die NATO werde sich keinen Zentimeter nach Osten bewegen, ist längst vergessen, wenn es nicht sogar bestritten wird. Die Verpflichtung der anderen Seite hingegen, dass sich nämlich die Rote Armee aus Deutschland zurückzieht, wurde pünktlich und zuverlässig eingehalten. Poroschenko sagt nicht die Unwahrheit, wenn er feststellt, dass sich Kiew „fortwährend an die Mitgliedschaft in der NATO annähert“. Und er fährt fort: „Die Türen sind offen, die Unterstützung verpflichtend, und das gibt uns bedeutende Perspektiven.“

Einen Haken aber muss selbst das ukrainische Staatsoberhaupt eingestehen. Durch ein Gesetz, gemäß dem nur noch Ukrainisch als Amts- und Verkehrssprache sowie in den Schulen zulässig ist, hat er die zahlreichen nationalen Minderheiten im Lande getroffen, so vor allem die Ungarn. Diese widersetzen sich daher bislang einer ukrainischen NATO-Mitgliedschaft, und die sind gemeint, wenn Poroschenko in dem Eingangszitat seine Überzeugung zum Ausdruck bringt, dass weder die „fünfte Kolonne“ noch ein NATO-Mitgliedsstaat die Integration seines Landes in den Nordatlantikpakt werde verhindern können.

In den USA, wo es ebenfalls Vorbehalte gegen ein NATO-Mitglied Ukraine gibt, sucht man nach dem Königsweg – man sagt weder ja noch nein, sondern nährt weiter die Erwartungen Kiews. So stellten die USA kurz nach dem Gipfel in Brüssel 200 Millionen US-Dollar für die ukrainischen Streitkräfte bereit. Die ukrainische Botschaft in Washington teilte mit selbstgefälligem Unterton mit: „Die entsprechenden Institutionen des Verteidigungsmi­ni­ste­ri­ums der USA haben bereits die Verfahren der Vertragsabschlüsse für die Lieferung der Militärtechnik sowie für die Erbringung von Dienstleistungen für die ukrainische Verteidigungsindustrie im Jahr 2018 begonnen.“

Eine weitere flankierende Maßnahme der NATO für die Annäherung Kiews an das Bündnis sind die Aktivitäten zahlreicher Kriegsschiffe im Schwarzen Meer, bei denen in hohem Maße die Einrichtungen des ukrainischen Hafens Odessa genutzt werden. Ende Juli teilte der Pressedienst der ukrainischen Seestreitkräfte mit: „Im Hafen Odessa sind zu einem Besuch die Standing NATO 2 Maritime Group 2 und die Standing NATO Response Force Mine Countermeasure Group 2 eingetroffen.“ Die beiden NATO-Marineverbände bestehen aus je einer Fregatte aus den Niederlanden, der Türkei und Rumänien, je einem Minenräumboot aus der Türkei und Rumänien sowie einem Begleitschiff aus Deutschland. Nicht nur bei solchen Gelegenheiten unterläuft die NATO, an ihrer Spitze die USA, regelmäßig und systematisch das Abkommen von Montreux, das die Anwesenheit fremder Kriegsschiffe im Schwarzen Meer regelt. 

Ungeachtet dieses Abkommens erklärte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, das Bündnis werde seine Militärpräsenz im Schwarzen Meer beibehalten und seine Fähigkeiten ausbauen: „Wir erhalten auch strategische Positionen und das Potenzial unserer Marine. Das richtet sich auf den weiteren Ausbau unserer Möglichkeiten und im Notfall auf ihre beachtliche Verstärkung.“

Bis zum Jahr 2020 will die NATO im Schwarzmeerraum Militär nach der Formel „4x30“ bereitstellen, das heißt: 30 Bataillon Infanterie, 30 Staffeln Luftwaffe und 30 Kriegsschiffe, die zu einem 30-tägigen Einsatz fähig sind. 

All diese Aktivitäten sind völlig unverhohlen gegen Russland gerichtet und stellen eine offene Bedrohung dar. Vor dem russischen Diplomatenkorps tat daher Präsident Wladimir Putin kund: „Das Vorrücken der NATO-Infrastruktur zu unseren Grenzen würde für uns eine Gefahr darstellen, deswegen würden wir das natürlich äußerst negativ bewerten. Jene, die bestrebt sind, die Ukraine und Georgien in die Allianz aufzunehmen, sollten über die Folgen nachdenken.“ Zu diesen könnte die Stationierung neuer russischer Verbände im Schwarzmeerraum gehören. Viktor Murachowski, Chefredakteur des Magazins „Arsenal Otetschestwa“ (Arsenal des Vaterlandes) erklärte: „Ich kann nur sagen, dass es mehrere Varianten einer Antwort gibt – von Blockaden des See- und Luftraumes bis hin zur Unterdrückung aller Verbindungskanäle und der Navigation durch funkelektronische Kampfmittel.“

Russland warnt vor einer weiteren Militarisierung der Ukraine auch mit Blick auf den Donbass. Neue Waffenlieferungen würden zu einer Eskalation des Konflikts führen.