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24.08.18 / Deutschland verfällt / Wir leben im Zeitalter des Betrugs und der Postdemokratie – Betrachtungen zur Zeit von Günter Scholdt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-18 vom 24. August 2018

Deutschland verfällt
Wir leben im Zeitalter des Betrugs und der Postdemokratie – Betrachtungen zur Zeit von Günter Scholdt

Ein befreundeter Mittelständler sagte mir neulich: „Wir leben im Zeitalter des konventionalisierten Betrugs.“ Er leitet einen Maschinenbaubetrieb mit zwei Dutzend Angestellten und leidet zunehmend unter unseriösen Geschäftspraktiken. Unter zahlreichen von ihm geschilderten Fällen blieb mir einer in Erinnerung: Er hatte einen Prototyp im Wert von zirka 100000 Euro geliefert und wartete nun vergeblich auf sein Geld. Der Auftraggeber leugnete eine förmliche Bestellung, obwohl es während der Fertigung zu präzisierenden Absprachen gekommen war. Gleichwohl werde er den Apparat aber bei erheblichem Nachlass nehmen. Die den Fall behandelnde Richterin schlug als Vergleich vor, sich in der Mitte zu einigen. Mein Freund fragte zurück, ob sie ähnliche Kulanz zeige, wenn man ihr nächstes Gehalt nur mehr zu 50 Prozent überweise. Die Pointe saß, aber er verlor den Prozess. 

Aus Industriekreisen höre ich immer wieder von anderen Missständen. Man drängt mit Produkten auf den Markt, die noch keineswegs ausgetestet sind. Bei diversen Software-Programmen ist dies gang und gäbe. Geplante Obsoleszenz (eine bewusst die Lebensdauer verkürzende Produktionsweise) ist so verbreitet, dass gesetzgeberischer Handlungsbedarf gegeben scheint. Ein deutsches Weltmarktunternehmen zahlt kleinere Zulieferer laut in­terner Anweisung frühestens nach der ersten Mahnung. Bei vielen Fluglinien und Hotels ist eine Überbuchung alltäglich mit drastischen Folgen für die dann nicht mehr Aufgenommenen. 

Oder nehmen wir die Telekom, deren Umgang mit Durchschnittskunden ich jüngst wieder studieren durfte. Denn zweimal innerhalb von 14 Tagen war mein Telefon- und Internetanschluss gestört. Allein die Kommunikation mit diesem Kommunikations-Giganten glich absurdem Theater, angefangen bei der Schadensmeldung. Denn statt eines leibhaftigen Sachbearbeiters, der den Vorgang einschätzte, wurde ein humanoider Stimmtölpel vorgeschaltet, der zeitraubend Einprogrammiertes abrief. Von Beraterqualität war viel die Rede. Auch davon, dass wir zu ihrer Verbesserung zustimmen mögen, das Gespräch zu Trainingszwecken aufzuzeichnen. Nichts dagegen, besonders wenn der Wutanfall, der mich nach Tagen der Ineffektivität schließlich packte, den Höchstverantwortlichen zu Ohren käme, was ich allerdings bezweifle. Denn nicht umsonst hat man mechanische Abwimmler ersonnen.

Ein detailliertes Protokoll dieser Schadensabwicklung verbietet sich aus Platzgründen. Ich beschränke mich auf Pannen wie eine (automatisierte) unzutreffende Erfolgsmeldung, verbunden mit der grotesken Aufforderung, die nichterbrachte Serviceleistung auf einer Skala von 1 bis 5 zu bewerten. Auf die wütende Reklamation hin erfolgten Bedauerns-Stereotypen. Das hieß: erneut anstellen in einer akustischen Warteschlange, ungewollt Musik hören, die üblichen (überflüssigen) Fragen, der Hinweis, es könne bis zu 45 Minuten dauern, gefolgt vom technokratischen Zynismus: „Sie können uns aber auch eine Mail schicken.“ Ein echtes Kunststück bei gestörtem Internet! Schließlich menschlicher Kontakt mit unterschiedlichen Ansprechpartnern und differierenden Angaben. Mal wurde ein Hausbesuch terminiert, der von anderer Seite als unnötig erklärt wurde. Zufällig waren wir zu Hause, als die Sache behoben wurde.

Man sage nicht, das sei nun mal der Preis des Fortschritts. Es ist lediglich der Preis eines Kommerzmodells, das permanente Innovationsversprechen allem anderen vorzieht wie der Verhinderung von Störanfälligkeit oder einer zeitnahen Reparatur. Es ist Folge einer geldgierigen Hetzjagd nach ständig neuen Sonderfunktionen, die nur einer Minderheit zugutekommen, während die Solidität zum Teufel geht. Man denke an das gute alte Telefon mit gefühlter ewiger Funktionsfähigkeit. Von der früheren Pünktlichkeit der Züge ganz abgesehen. Denn die dahinterstehende kundenfeindliche Gleichgültigkeit reicht weit über den Fall der Telekom hinaus. Und das Ganze klappt nur, weil wir inzwischen kollektiv in alternativlose Abhängigkeit geführt wurden und uns verhalten wie Junkies an der Nadel. 

Kommen wir zu politischen Misshelligkeiten. Denn die gleiche Geschäfts-„Philosophie“ beherrscht ebenso die staatliche Sphäre. Auch hier dominiert als durchgängiges Prinzip das „Als-ob“. Man verheißt Verbesserungen, Neuerungen, Reformen, die allenfalls für Schön-Wetter-Bedingungen gelten. Wir leben im vermeintlich besten Staat unserer Geschichte und haben ihn fast widerstandslos zu einer die Grundrechte aushöhlenden Postdemokratie verkommen lassen. 

Man experimentiert ohne Netz und doppelten Boden mit Bevölkerungsaustausch. Und wenn die Sache schiefgeht, kappt man den Sozialdialog mit den Warnern. Wir opfern zwangsweise einem Staat, der sich gemäß politischer Theorie dadurch legitimiert, dass sein Gewaltmonopol uns innere und äußere Sicherheit gewährt. In praxi nimmt er den verdeckten (ethnischen) Bürgerkrieg im Lande nicht einmal offiziell zur Kenntnis, verweigert effektiven Grenzschutz und drangsaliert stattdessen die Boten schlechter Nachrichten. Unsere Sozialschwätzer proklamieren eine „sichere Rente“. Doch die Sicherheit entspricht in etwa der Geldwertstabilität des Euro oder der (direkten oder indirekten) Korruptionsresistenz vieler Eurokraten.

Man verspricht vollmundig Demokratie und modelt gleichzeitig den Rechts- zu einem Gesinnungsstaat um. Wir spielen Volksherrschaft und verschweigen, dass dieser Staat längst durch Lobbygruppen erbeutet ist, deren Interessen vornehmlich zulasten der Bevölkerungsbasis befriedigt werden. Wo immer Unangenehmes nicht persönlich verantwortet werden soll, halten sich die Führenden zahlreiche Gefälligkeits-Statistiker und -Gutachter mit dubiosen Recherchen. Zudem leisten wir uns Abertausende von angeblich „kritischen“ Kulturschaffenden, Historikern, Politologen und anderen Gesinnungswissenschaftlern. Dabei zementiert das Ganze nur eine Systemkonformität, die im Verlauf unserer Geschichte höchst selten übertroffen wurde. 

Mein Freund hat recht: Wir leben in einem Betrugszeitalter. Auf eines wenigstens lässt sich weiterhin bauen: auf die Schnelligkeit oder Verlässlichkeit, mit denen einem Steuerbescheide zugehen oder Zahlungsbefehle, wenn man eine Geschwindigkeitsbeschränkung nur um zehn Kilometer pro Stunde überschreitet. Ganz hoffnungslos unsolide ist dieser Staat also noch nicht.