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24.08.18 / Es ist längst nicht nur das Geld / Problemschüler, marode Bauten, Inklusionsfolgen: Warum Berlin so schwer Lehrer findet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-18 vom 24. August 2018

Es ist längst nicht nur das Geld
Problemschüler, marode Bauten, Inklusionsfolgen: Warum Berlin so schwer Lehrer findet
Norman Hanert

In fast allen Bundesländern werden derzeit Lehrer händeringend gesucht. Umso bemerkenswerter ist, dass Brandenburgs Bildungsministerium zu Beginn des Schuljahres fast alle noch offenen Stellen besetzen konnte. Berlin hat deutlich mehr Probleme, ausreichend Lehrkräfte zu bekommen. 

Kurz vor Beginn des Schuljahres meldete die Sprecherin des brandenburgischen Bildungsministeriums, dass tatsächlich rund 1000 Lehrkräfte verpflichtet werden konnten, um den  Bedarf abzudecken. Wie es aus Potsdam hieß, waren zum Schulbeginn lediglich noch einige wenige Stellen zu besetzen. In Brandenburg, aber auch in ganz Deutschland, sind vor allem Lehrer für Grundschulen zu gefragten Kräften geworden. Um sie zu gewinnen, setzt Brandenburg darauf, Pädagogen mit einer gymnasialen Lehramtsbefähigung künftig auch zu verbeamten, wenn sie überwiegend an Grundschulen unterrichten. Für alle Grundschullehrer will das Land im kommenden Jahr zudem die Gehälter um eine Stufe erhöhen.

Wie andere Bundesländer muss Brandenburg auch auf sogenannte Quereinsteiger zurückgreifen. Bundesweit üblich war es bislang, diesen Lehrern nur zeitlich befristete Arbeitsverträge zu geben. Die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Marlis Tepe, hat im Zusammenhang mit solchen Befristungen auf ein Problem für die Betroffenen hingewiesen: Mit dem Beginn der Sommerferien landen diese Lehrer oftmals in der Arbeitslosigkeit. Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) sagte gegenüber der „Lausitzer Rundschau“ zum Thema Befristungen: „Das ist erfreulicherweise bis auf ganz wenige Ausnahmen bei uns kein Thema.“

Das Land Berlin hatte deutlich mehr Schwierigkeiten, den Bedarf an zusätzlichen Lehrern abzudecken. Noch vor wenigen Monaten war die Rede davon, dass die Lage dramatisch sei. Zwar konnte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) noch rechtzeitig alle offenen Stellen besetzen, allerdings haben von den 2700 neuen Lehrern nur 1047 ein Lehramtsstudium absolviert. Die meisten der neuen Pädagogen sind als Quer­einsteiger aus anderen Berufsfeldern ins Klassenzimmer gewechselt. 

Tom Erdmann, Vorsitzender der Berliner GEW, zollt den Bemühungen der Senatorin Respekt, alle offenen Stellen zu besetzen, übt aber auch Kritik an der Einstellungspraxis in der Hauptstadt. Aus Sicht des GEW-Chefs musste sich Scheeres „einiger Tricks bedienen“. Um die Statistik aufzubessern, rechne die Senatorin „erstmals Willkommenslehrkräfte, Pensionäre und Masterstudierende in das Einstellungskontingent mit ein“, so Erdmann.                  Ähnlich wie Brandenburg setzt Berlin inzwischen stark auf finanzielle Anreize. Als eines der ersten Bundesländer will das Land unter bestimmten Bedingungen Grundschullehrern künftig genauso viel zahlen wie Studienräten an den Gymnasien. Da Berlin bislang noch immer auf die Verbeamtung von Lehrern verzichtet, bietet das Land Pädagogen mittlerweile auch hohe Einstiegsgehälter, um mit anderen Bundesländern konkurrieren zu können.

Dass Berlin trotz solcher Anreize ein Problem hat, insgesamt genug Lehrer zu finden, ist bemerkenswert. Offensichtlich spielen für viele Bewerber nicht nur das Einkommen, sondern neben den Beamtenprivilegien auch die Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. Gerade hierbei schneidet Berlin aber nicht sonderlich gut ab. Entscheidet sich ein Lehrer für Berlin, dann ist beispielsweise die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass er an einer baufälligen Schule unterrichten muss. 

Als der Senat im Frühjahr per „Schulbaufahrplan“ den Sanierungsbedarf auflistete, kam ein telefonbuchdicker Wälzer mit 740 Seiten heraus. Das ist nicht die einzige Zusatzbelastung für die Lehrer. Speziell die Anfänger, die keine reguläre Lehrerausbildung haben, müssen sich in Berlin noch auf einen anderen Umstand einstellen. Die Quereinsteiger werden vor allem an Schulen in sozialen Brennpunkten eingesetzt. 

Dort treffen sie auf Klassen, die mitunter zu mehr als 90 Prozent aus Schülern mit Immigrationshintergrund bestehen. Zum Schulalltag gehören dort nicht nur immer mehr Schüler mit mangelhaften Deutschkenntnissen, sondern zunehmend auch verhaltensauffällige und gewaltbereite Schüler. Brandbriefe von Berliner Lehrern deuten darauf hin, dass auch dem Projekt der Inklusion, dem gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Schülern, das Scheitern im Schulalltag droht. 

Was der Einsatz an Brennpunktschulen konkret bedeutet, zeigt das Beispiel der Schöneberger Spreewald-Grundschule. Die Schule mit ihrer schwierigen Schülerklientel sorgte in den vergangenen Monaten wiederholt für Schlagzeilen. So sah sich die Schulleiterin sogar gezwungen, einen privaten Wachdienst zu engagieren, der gewalttätige Jugendliche und rabiate Eltern vom Gebäude fernhalten sollte. Inzwischen sind offenbar auch noch akute Probleme mit der umliegenden Drogenszene hinzugekommen. Zum Beginn des neuen Schuljahres wurde nun bekannt, dass Doris Unzeitig, die bisherige Leiterin der Spreewald-Grundschule, gekündigt hat. Als Begründung führte Unzeitig an, sie habe nicht die Unterstützung für ihre Schule erhalten, die sie sich gewünscht hätte.