25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
24.08.18 / Tatkräftiges Genie oder grimmiger Arier? / Am Begründer der größten Kolonie des Deutschen Reiches, Carl Peters, scheiden sich die Geister

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-18 vom 24. August 2018

Tatkräftiges Genie oder grimmiger Arier?
Am Begründer der größten Kolonie des Deutschen Reiches, Carl Peters, scheiden sich die Geister
Wolfgang Kaufmann

Die Afrikaner nannten ihn „Mkono wa damu“, also „Blutige Hand“, während deutsche Kolonialkritiker die Bezeichnung „Hänge-Peters“ bevorzugten. Und das sozialdemokratische Blatt „Vorwärts“ verstieg sich sogar zu der Formulierung, man habe es hier mit einem „grimmigen Arier“ zu tun, „der alle Juden vertilgen will und in Ermangelung von Juden drüben in Afrika Neger totschießt“. Gemeint war damit Carl Peters, legendärer Begründer von Deutsch-Ostafrika, der größten Kolonie des wilhelminischen Kaiserreiches.

Der Afrika-Pionier kam am 27. September 1856 als Sohn eines Pastors in Neuhaus an der Elbe zur Welt. In der Schule interessierten ihn insbesondere die Fächer Geografie und Geschichte, die er nach dem Schulbesuch auch an der Universität studierte. Nach der Promotion zog Peters 1881 nach London, wo er sich mit der britischen Kolonial- und Weltpolitik befasste, die ihm als Vorbild für das kaiserliche Deutschland erschien. 1883 erbte Peters das beträchtliche Vermögen seines Onkels Karl Engel und verfügte deshalb über die Möglichkeit, ohne materielle Not koloniale Projekte zu verfolgen. 

So gründete er am 28. März 1884 zusammen mit Felix Graf von Behr-Bandelin die Gesellschaft für deutsche Kolonisation (GfdK). Diese finanzierte sich zusätzlich durch den Verkauf von Anteilsscheinen zu 5000 Mark. Unternehmenszweck war der Erwerb von Kolonien, um das Deutsche Reich durch neue Rohstoffquellen, Absatzmärkte und Siedlungsräume wirtschaftlich und politisch zu stärken.

Im Herbst 1884 reisten Peters und dessen Begleiter Joachim Graf von Pfeil und Klein-Ellguth, Karl Ludwig Jühlke sowie August Otto nach Sansibar. Von dort aus ging es weiter auf das ostafrikanische Festland, wo die Emissäre der GfdK zahlreiche einheimische Häuptlinge dazu brachten, sogenannte Schutzverträge zu unterschreiben, in denen sie als Gegenleistung für den Schutz durch Deutschland und Geldzahlungen der GfdK zusicherten, Siedlern aus dem Kaiserreich, „Berge, Flüsse, Seen und Forsten“ zur Nutzung zu überlassen. Die erste diesbezügliche Abmachung datierte auf den 4. Dezember 1884 – dem folgten diverse weitere Verträge mit lokalen Herrschern im Gebiet der heutigen Staaten Tansania, Ruanda und Burundi.

Anschließend versuchte die GfdK, die Reichsregierung zur Ausstellung von offiziellen Schutzbriefen nach britischem Vorbild zu bewegen. Das misslang aber zunächst, denn Reichskanzler Otto von Bismarck hielt wenig von Peters’ Verträgen. Er nannte sie „ein Stück Papier mit Neger-Kreuzen drunter“, denn die Häuptlinge hatten in Ermangelung jedweder Schreibfähigkeit allesamt nur mit drei Kreuzen unterzeichnet. Nachdem Peters gedroht hatte, andernfalls beim belgischen König Leopold II. vorstellig zu werden, gab Bismarck im Februar 1885 schließlich doch noch nach. 

In den kaiserlichen Schutzbriefen wurde der GfdK, die ab dem 2. April 1885 als „Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft Carl Peters und Genossen“ und ab 1887 als „Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft“ (DOAG) firmierte, der militärische Schutz ihrer Erwerbungen zugesichert, wenn es zu irgendwelchen inneren oder äußeren Konflikten kommen sollte. Am 28. April 1888 schloss die DOAG mit dem Sultan von Sansibar, Chalifa ibn Said al-Busaidi, einen Vertrag über die Nutzung weiterer Territorien entlang der ostafrikanischen Küste. Damit umfasste das Schutzgebiet nun über 900000 Quadratkilometer, das Deutsche Reich selbst hatte um die 540000. 

Allerdings gelang es Peters nicht, die erworbenen Gebiete nachhaltig zu befrieden. Bereits im Sommer 1888 brach ein Aufstand aus, sodass sich die Reichsregierung gezwungen sah, Militär nach Ostafrika zu entsenden. Grund für die Rebellion war die Angst der arabischen Sklavenhändler, die DOAG könnte ihnen ihre lukrativen Geschäfte verderben. Als Konsequenz aus den Unruhen übernahm das Reich am 20. November 1890 die Kontrolle über die Kolonie und unterstellte sie im darauffolgenden Jahr offiziell seiner Verwaltung. Peters wurde in diesem Zusammenhang zum Reichskommissar für das Kilimandscharo-Gebiet ernannt. Damit oblag ihm die Aufgabe, die Grenzziehung zu Britisch-Ostafrika zu regeln.

In seiner neuen Funktion ließ sich Peters einige Grausamkeiten gegenüber den Einheimischen zuschulden kommen. Allerdings ist ungeklärt, welche der in der deutschen Presse diskutierten Vorkommnisse tatsächlich stattgefunden haben und welche nur der antikolonialen Propaganda der Sozialdemokraten entsprungen sind. Zudem bewegten sich die Strafmaßnahmen im Rahmen dessen, was in den Kolonien anderer europäischer Staaten üblich war. Zu bedenken ist desweiteren, dass Deutsch-Ostafrika infolge des Wirkens von Personen wie Peters keineswegs nur „ausgeplündert“ und „geknechtet“, sondern auch zivilisatorisch fortentwickelt wurde – so zum Beispiel durch den Bau von Schulen und Krankenhäusern sowie die Optimierung der Landwirtschaft.

Nichtsdestotrotz wurde Peters 1892 nach Deutschland zurückbeordert und im Kolonialministerium beschäftigt, während Ermittlungen des Reichsdisziplinarhofes wegen Amtsmissbrauch gegen ihn anliefen. Das – in der Öffentlichkeit heftig umstrittene – Verfahren endete 1897 mit der Entlassung aus dem Staatsdienst unter Verlust des Titels und der Pensionsansprüche. Zu diesem Zeitpunkt lebte Peters bereits wieder in England. Dort hatte er bereits im Vorjahr die Dr. Carl Peters Estates and Exploration Co. gegründet, die Goldbergbau in Südafrika betrieb. Zur Erkundung weiterer möglicher Lagerstätten in Südrhodesien und Portugiesisch-Angola unternahm Peters zwischen 1899 und 1911 sechs Expeditionen.

1905 gestand Kaiser Wilhelm II. dem Kolonialpionier zunächst die Führung des Titels „Reichskommissar a. D.“ zu und würdigte seine Verdienste bei der Schaffung von Deutsch-Ostafrika 1914 schließlich auch noch durch die Zuerkennung einer jährlichen Pension. Dem war die Beschlagnahme von Peters’ Besitz in Großbritannien nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die Rückkehr nach Deutschland vorausgegangen.

Carl Peters starb am 10. September 1918 in Bad Harzburg. In den Jahrzehnten danach setzte sich der Streit um seine Person und sein Wirken fort. Befürworter des Kolonialwesens feierten ihn als tatkräftiges Genie, Kolonialkritiker linker Couleur griffen die Vorwürfe gegen Peters in immer neuen Variationen auf. Das führte nach Gründung der Bundesrepublik zu zahlreichen Umbenennungen von Carl-Peters-Straßen.