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24.08.18 / Männer werden ausgeblendet / Alleinerziehende: Wie ein schiefer Blick ein soziales Phänomen verzerrt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-18 vom 24. August 2018

Männer werden ausgeblendet
Alleinerziehende: Wie ein schiefer Blick ein soziales Phänomen verzerrt
Dirk Pelster

In der Rangfolge der benachteiligten Minderheiten nehmen sie nur einen Platz im oberen Mittelfeld ein – und doch ist die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe die einzige Möglichkeit, auch für heterosexuelle Inländer ohne immigrantische Wurzeln und orientalische Religionszugehörigkeit ein wenig politische und mediale Aufmerksamkeit für die eigene Lebenssituation zu erheischen. 

Die Rede ist von Allein­erziehenden oder – streng genommen – von alleinerziehenden Müttern, denn der Einbezug von Vätern in die Diskussion würde das gern gepflegte gesellschaftliche Narrativ vom verantwortungslosen und selbstsüchtigen Mann möglicherweise allzu stark beschädigen. So konnte denn Anfang August die gähnende Leere des alljährlichen Sommerlochs mit einer Flut von Medienberichten zur vermeintlichen Benachteiligung alleinerziehender Frauen für einige Tage gestopft werden, nachdem das Statistische Bundesamt neueste Zahlen zu diesem Themenkomplex veröffentlichte. 

Die Zahl der Haushalte, in denen nur ein Elternteil mindestens ein minderjähriges Kind allein betreut, ist danach in den vergangenen 20 Jahren von 1,3 Millionen auf über 1,5 Millionen gestiegen. Das Armutsrisiko von Angehörigen eines alleinerziehenden Haushalts lag nach Angaben der Wiesbadener Statistiker 2017 bei rund 33 Prozent, wohingegen es bei der restlichen Bevölkerung nur 16 Prozent betrug. 

In der sich hierauf stützenden Medienberichterstattung wurde fast überall unterschlagen, dass gerade die Armutsgefährdung bei Alleinerziehenden gegenüber dem Kalenderjahr 2011 um mehr als zehn Prozent erkennbar zurückgegangen ist, während es ansonsten leicht anstieg. Stattdessen verwies man darauf, dass mehr als die Hälfte der alleinerziehenden und nicht erwerbstätigen Mütter gerne arbeiten möchte. Die Frage, wie viele Mütter – statt gezwungenermaßen einer Arbeit nachzugehen – sich lieber ausschließlich um die Erziehung ihrer Kinder kümmerten, blieb freilich ungestellt. Und zwar unabhängig davon, ob es sich um alleinerziehende Personen oder um solche in Paarbeziehungen handelte. 

Während das Datenmaterial des Bundesamtes also schon die gewünschte Denkrichtung vorgab, konnten die bundesdeutschen Qualitätsmedien hieran nahtlos anschließen und die üblichen Patentrezepte empfehlen: mehr staatliche Kinderbetreuung, mehr Förderprogramme für Frauen und mehr Nachsicht von Arbeitgebern. Auch wenn man das politisch diktierte Planziel teilen sollte, möglichst viele Frauen in die Erwerbsarbeit und ihre Kinder in öffentliche Verwahranstalten zu zwingen, so legen schon die Zahlen aus Wiesbaden nahe, dass dies im Wesentlichen gar nicht erforderlich ist. 

Alleinerziehende Väter arbeiten nämlich deutlich häufiger und oftmals auch in einer Vollzeittätigkeit, als dies partnerlose Frauen mit Kindern tun. Dem Grunde nach wäre eine Steigerung der Beschäftigungsquote bei alleinerziehenden Müttern also möglich, wenn sie es denn nur wollten. Dieser nicht unerhebliche Fakt führt bereits zu der ersten von zwei wichtigen Aspekten, die bei der diesjährigen sommerlichen Debatte um das Thema Armutsrisiko von Alleinerziehenden, wie bislang eigentlich immer, ausgeklammert wurden. Zunächst stellt sich die Frage, ob das soziale Bedürfnis nach der eigenständigen Betreuung des Nachwuchses bei Frauen nicht ganz generell stärker als bei Männern ausgeprägt ist, und hierfür eben nicht irgendwelche angeblich fortbestehenden patriarchalen Rollenzwänge verantwortlich sind. Alsdann muss durchaus einmal die Frage gestellt werden, warum überhaupt immer mehr Menschen in Deutschland ihre Kinder unter Ausschluss des jeweils anderen Elternteils erziehen. Vielleicht gibt das Sommerloch des kommenden Jahres ja etwas Raum für eine Klärung.