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24.08.18 / In Deckung! Wo ist die deutsche Geschichte? / Geschichte ist in Polen am ehesten über Militärgeschichte vermittelbar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-18 vom 24. August 2018

In Deckung! Wo ist die deutsche Geschichte?
Geschichte ist in Polen am ehesten über Militärgeschichte vermittelbar
Chris W. Wagner

Meine Oma zog instinktiv den Kopf ein, wenn sie einen Flieger hörte und meine Mutter, die im Krieg ein Grundschulkind war, bekommt immer noch Gänsehaut, wenn Sirenen heulen. Die beiden würden nie freiwillig einen Bunker betreten – auch nicht, wenn es sich dabei um ein Museum handelt. Auch Kriegsfilme waren bei uns tabu. Sie wollten nicht an das Schreckliche, das für die beiden noch so nahe war, erinnert werden. 

Kriegsliteratur, Kriegsspiele und Militär-Museen aller Art erfreuen sich dagegen unter der polnischen Bevölkerung größter Beliebtheit. Derzeit erobern gleich zwei Geschichtsverfilmungen die Kinos; beide handeln von der polnischen Jagdstaffel 303 der Royal Air Force im Zweiten Weltkrieg, die gemäß eines Militärabkommens zwischen der polnischen Exilregierung und der britischen Regierung am 2. August 1940 in Großbritannien aufgestellt wurde. Die Jagdstaffel 303 hatte unter den alliierten Verbänden während der Luftschlacht um England die höchste Abschussquote deutscher Flugzeuge. Bei der Landungsoperation Jubilee im August 1942 hatte die Einheit ebenfalls die höchste Abschussquote. Im Dezember 1946 wurde sie aufgelöst. Die Geschichte von den tapferen Fliegern, verfasst von Arkady Fiedler, war polenweite Pflichtlektüre in den Grundschulen und wurde 2018 zwei Mal verfilmt. „Hurricane: Squadron 303“ ist eine britische Produktion unter der Regie von David Blair, die polnische Produktion heißt „Die Staffel 303. Die wahre Geschichte“ und Regie führte der Kroate Denis Delic.

In Stettin wurden Besuchern gerade unterirdische Luftschutzbunker in der Nähe des Hauptbahnhofs zugänglich gemacht. Als erstes wurde der Luftschutzraum Stettin Hauptbahnhof-Kirchplatz eröffnet. 1941 waren die historischen Gemäuer der städtischen Wehranlagen aus dem 18. Jahrhundert dazu umfunktioniert worden. Dies ist übrigens der größte zivile Schutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg in der heutigen Republik Polen. Der aus Stahlbeton erbaute Bunker konnte bis zu 5000 Menschen aufnehmen. Nach der polnischen Übernahme wurde er in kurzer Zeit in einen Atomschutzbunker umfunktioniert, wo bis in die 90er Jahre Schulungen des Zivilschutzes stattfanden. Heute ist der Ort  ein beliebtes Ausflugsziel. Auch in diesem Luftschutzbunker wurden bereits in den 60er Jahren Filmszenen über die Staffel 303 gedreht – diesmal für die US-amerikanische Produktion „Gesprengte Ketten“ mit Steve McQueen, Charles Bronson, James Coburn, James Garner und Richard Attenborough in den Hauptrollen. Für deutsche Besucher könnte die Ausstellung jedoch „Kalter Krieg – das Leben in der Volksrepublik“ besonders interessant sein, da sie neben dem Zivilschutzaspekt auch den Alltag der Stettiner im Kommunismus erzählt.

14 Meter in die Tiefe führt die Ausstellung des Schlesischen Museums in Kattowitz, wo nicht der Krieg, sondern die Industrialisierung die Hauptrolle spielt. Sie ist das Werk der Grazer Riegler-Riewe-Architekten, die den Betrachter auf eine Reise durch sieben Museumsetagen führt, wovon sich drei unterirdisch befinden. Das Herz der Ausstellung macht nicht jedoch – wie geplant – die (preußische) Industriegeschichte Oberschlesiens aus. Polnische Politiker gingen gegen diese Intention an und erreichten, dass im Herzen des Museums nun polnische Malerei von 1800 bis 1945 zu sehen ist, ohne dass dafür ein regional bedeutsamer Umstand angeführt werden kann. Die Geschichte Oberschlesiens wird zwar im Teil „Das Licht der Geschichte. Oberschlesien im Laufe der Zeit“ thematisiert, jedoch ist der Geschichte ihre zentrale Rolle genommen worden. 

Auf seinem Weg durch die Geschichte wandert der Besucher durch den sogenannten Fahrmarkenraum der ehemaligen Ferdinandgrube [Kopalnia Katowice], am Nachbau der ersten Dampfmaschine vorbei ins Kattowitz der Zwischenkriegszeit. Auf einer der Zeit nachempfundenen Straße mit Villen von Industriemagnaten, Geschäften und Gaststätten ist ein Stimmengewirr zu hören, in dem sich die in Oberschlesien bis zum Kriegsende zu hörenden Sprachen und Dialekte mischen. In der Zeit der Volksrepublik verstummt das Deutsche. Ein weiterer Teil des Museums widmet sich dem regionalen Bühnenleben,  und zwar ausschließlich dem polnischen, so als habe es in Oberschlesien kein deutschsprachiges Schauspiel gegeben.