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31.08.18 / Das Baltikum schrumpft / Auswanderungswelle nach Westen hält an – Die Bevölkerung altert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-18 vom 31. August 2018

Das Baltikum schrumpft
Auswanderungswelle nach Westen hält an – Die Bevölkerung altert
Manuela Rosenthal-Kappi

Die Leiterin des litauischen Zentrums für Sozialforschung, Sarmine Mikulioniene, zeigt sich besorgt über den Bevölkerungsrückgang im Baltikum im Allgemeinen und in ihrer Heimat Litauen im Besonderen. In erster Linie zieht es junge, gut ausgebildete Menschen zwischen 18 und 30 Jahren seit den 1990er Jahren und durch die EU-Osterweiterung bis heute Richtung Westen. Hauptgrund sind die besseren Verdienstmöglichkeiten. Obwohl sich die Wirtschaft im Baltikum positiv entwickelt, wird vor allem bei den Löhnen das Reichtumsgefälle zwischen Westen und Osten sichtbar. 

Liegt in Deutschland der durchschnittliche Stundenlohn bei 15,70 Euro, werden beispielsweise in Lettland nur 3,35 Euro gezahlt. Der EU-Beitritt Lettlands löste eine Migrationswelle von Arbeitskräften vor allem nach Irland und Großbritannien aus, und auch Deutschland gilt bei Balten wegen der besseren Verdienstmöglichkeiten als attraktiver denn ihre Heimat. Von ähnlichen Auswanderungswellen sind alle ostmittel- und südosteuropäische Staaten, die zum Ostblock gehörten, betroffen. Einen drastischen Bevölkerungsschwund haben Lettland, Litauen, Bulgarien und Moldau zu verzeichnen.

Mikulioniene warnt: „Die Situation ist sehr besorgniserregend. In Litauen sind 2000 Dörfer völlig verschwunden, wir schließen Universitätsabteilungen und haben keine Menschen für die Arbeit.“ Der Bevölkerungsrückgang beträgt in Litauen 23 Prozent seit 1991. Wenn immer mehr junge Menschen ihre Heimat verlassen, hat das für das jeweilige Land zur Folge, dass die Bevölkerung schnell altert. Sowohl die Wirtschaft als auch das Rentensystem drohen zu kollabieren. Die Forscherin sieht eine weitere Gefahr, nämlich, dass der Bevölkerungsschwund die Sicherheit des Baltikums schwäche, wovon letztlich Russland profitieren würde. 

Lettland ist mit 27 Prozent noch schlimmer vom Rückgang seiner Bevölkerung betroffen. Wenn junge Menschen abwandern, heißt das auch, dass in der Heimat weniger Kinder geboren werden. Die Bevölkerungsdichte ist in Litauen auf 44 Einwohner pro Quadratkilometer gesunken, in Lettland sogar auf 29. Zum Vergleich: Deutschland hat 231 Einwohner pro Quadratkilometer. 

Neben den Balten, die es in den Westen zieht, sind auch viele ethnische Russen aus dem Baltikum nach Russland zurückgekehrt. Ein seit Jahren gültiges Regierungsprogramm erleichtert ihnen die Eingliederung. Der Kreml beabsichtig, mit dem Programm, der eigenen rückläufigen demografischen Entwicklung entgegenzuwirken, und lockt besonders in den ehemaligen Sowjetrepubliken Russen zur Heimkehr an. Seit 2014 haben knapp 600000 Russen davon Gebrauch gemacht. Viele kamen aus der Ukraine, aber auch dem Baltikum, wo ihre Rechte seit dem Zerfall der Sowjetunion beträchtlich beschnitten wurden. Konnten sie wegen fehlender Sprachkenntnisse nicht die estnische, litauische oder lettische Staatsbürgerschaft erwerben, wurden sie staatenlos. In Litauen sind fünf Prozent der Bevölkerung ethnische Russen, in Estland und Lettland ist es jeweils noch ein Viertel.

In Estland steigt die Geburtenrate seit einigen Jahren wieder leicht, weil die Regierung eine Reihe von Anreizen geschaffen hat, um die gegenteilige Entwicklung zu stoppen: Dasjenige Elternteil, das zu Hause bleibt, erhält eine Unterstützung in Höhe des letzten Lohns vor der Babypause, und es gibt eine flexible Aufteilung der Elternzeit.