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31.08.18 / Italienische Bündnistreue 2.0 / Wie im Ersten erklärte das Königreich auch im Zweiten Weltkrieg seinem deutschen Verbündeten schließlich den Krieg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-18 vom 31. August 2018

Italienische Bündnistreue 2.0
Wie im Ersten erklärte das Königreich auch im Zweiten Weltkrieg seinem deutschen Verbündeten schließlich den Krieg
Wolfgang Kaufmann

Nach längeren Geheimverhandlungen vereinbarten die Westalliierten und Italien am 3. September 1943 einen Waffenstillstand, in dessen Folge Italien genau wie im Ersten Weltkrieg die Bündnispartner wechselte und seinem früheren Verbündeten Deutschland den Krieg erklärte.

Am 10. Juli 1943 landeten die 8. britische und die 7. US-Armee im Rahmen der „Operation Hus­ky“ auf Sizilien und eroberten anschließend die gesamte Insel, ungeachtet des Widerstandes der deutschen und italienischen Verteidiger. Der Angriff erschütterte die Position des Duce del Fascismo (Führer des Faschismus) und Capo del Governo (Chef der Regierung) Benito Mussolini aufs Schwerste. Nach dem Verlust Palermos wandte sich der Große Faschistische Rat in Rom gegen ihn, woraufhin König Viktor Emanuel III. Marschall Pietro Badoglio am 26. Juli zum neuen Regierungschef berief. Angesichts zu erwartender weiterer Landungen der Alliierten auf dem italienischen Festland und erster anglo-amerikanischer Luftangriffe auf Rom stand für Badoglio fest, dass er dem Drängen Londons und Washingtons auf einen baldigen Waffenstillstand nachgeben müsse, sonst würde bald ganz Italien zum Schlachtfeld werden und dem Bombenterror ausgesetzt sein. 

Um Gegenmaßnahmen zu verhindern, ließ die neue italienische Führung den deutschen Noch-Verbündeten über diese Absichten vorerst im Unklaren. So beteuerten hochrangige Abgesandte Roms auf den bilateralen Konferenzen von Tarvis und Bologna, nicht aus der Achse Berlin–Rom–Tokio ausscheren zu wollen. Zeitgleich versprach der italienische Botschaftsrat Blasco Lanza d’Ajeta di Trabia den Alliierten in Lissabon das Gegenteil. 

Allerdings wusste die deutsche Seite vom doppelten Spiel der Italiener, weil es ihr am 29. Juli 1943 gelungen war, ein Funkferngespräch zwischen dem britischen Premier Winston Churchill und dem US-Präsidenten Frank­lin D. Roosevelt abzuhören, in dem der bevorstehende Waffenstillstand mit Italien erwähnt wurde. Als Konsequenz hieraus erteilte das Oberkommando der Wehrmacht am 1. August vorsorgliche Weisungen für den Fall, dass Italien tatsächlich das Achsenbündnis verlässt. Zusätzlich wurden Truppen in den Norden des Königreichs Italien entsendet – letzteres noch mit Zustimmung Roms.

Kurz darauf begannen in Lissabon Sondierungsgespräche des italienischen Brigadegenerals 

Giuseppe Castellano mit den Generälen Walter Bedell Smith von den US- und Kenneth Strong von den britischen Streitkräften sowie dem US-Diplomaten George Kennan. Bei den Unterredungen ging es ausschließlich um die militärisch-technischen Modalitäten der Waffenruhe. Sie endeten am 24. August. 

Daraufhin kehrte Castellano nach Rom zurück und der Generalmajor Giacomo Zanussi fand sich in Portugals Hauptstadt ein. Dem präsentierten die Alliierten ihre ausführlichen Bedingungen für den Waffenstillstand, wie sie gerade auf der sogenannten Quadrant-Konferenz in Québec von Roosevelt und Churchill formuliert worden waren. Unter anderem wurde jetzt auch die bedingungslose Kapitulation Italiens gefordert. 

Daraufhin entschied sich Badoglio, der um den Fortbestand seiner Regierung und der Monarchie fürchtete, Zanussi und Castellano zu neuen Verhandlungen ins Lager der Alliierten zu entsenden. Diese Zusammenkunft kam auf Vermittlung der britischen und US-amerikanischen Botschafter im Vatikan, Francis D’Arcy Godolphin Osborne und Myron Charles Taylor, zustande.

Am 31. August 1943 trafen sich Zanussi, Castellano, Smith und Strong in Fairfield Camp, dem Hauptquartier der 15. alliierten Armeegruppe, das in dem Dorf Cassibile unweit von Syracus auf Sizilien lag. Dort versuchte Castellano eine Revision der Langfassung der Waffenstillstandsvereinbarung zu erreichen. Smith, seines Zeichens Stabschef des alliierten Oberbefehlshabers Dwight D. Eisenhower, verlangte jedoch ultimativ von den Italienern, sämtliche genannten Bedingungen bis zum 3. September zu akzeptieren.

Danach flog Castellano nach Rom zurück, um die politische und militärische Führung zu informieren. Während der anschließenden Beratungen am 1. September erklärte Außenminister Raffaele Guariglia, es führe wohl kein Weg daran vorbei, den Forderungen des Gegners nachzukommen. Genauso sah dies auch der König, bei dem Badoglio anschließend vorstellig wurde. Als Konsequenz hieraus ging ein Telegramm von Rom nach Cassibile, dass Italien die Bedingungen der Westmächte annehme. 

Auch diese Nachricht konnte vom deutschen Geheimdienst aufgefangen und entziffert werden. Daraufhin liefen die unmittelbaren Vorbereitungen für die Besetzung Italiens und die Entwaffnung der Streitkräfte des Landes, der sogenannte Fall Achse, an. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass Badoglio nochmals heuchlerisch die Bündnistreue Roms gegenüber Berlin beschwor.

Castellano kehrte am 2. September 1943 nach Camp Fairfield zurück und unterzeichnete dort am Nachmittag des nächsten Tages im Auftrag Badoglios, der zunächst versucht hatte, seinen Namen aus der ganzen Sache herauszuhalten, die Kurzfassung des Waffenstillstandes, die nur zwölf Artikel über die Modalitäten der Einstellung der Kampfhandlungen enthielt. Im Anschluss unterschrieb Smith für Eisenhower, während mehrere britische und US-amerikanische Militärs und Diplomaten als Zeugen fungierten. Mit der öffentlichen Bekanntgabe der Existenz der Waffenstillstandsvereinbarung im Radio wurde bis zum 8. September gewartet, um das Anlaufen der deutschen Gegenmaßnahmen hinauszuzögern. Am 29. September 1943 folgte die Signierung der Italiens Kapitulation beinhaltenden Langfassung der Waffen­stillstandsvereinbarung mit ihren 44 Artikeln durch Eisenhower und Badoglio höchstpersönlich. Schau­platz dieses Aktes war das britische Schlachtschiff „Nelson“, das vor Malta ankerte. Danach dauerte es nicht mehr lange, nämlich bis zum 13. Oktober, und Italien erklärte Deutschland den Krieg. Daraufhin erkannten die Alliierten dem Königreich den Status eines „Mitkriegführenden“ zu.

Nach der Verkündung des Waffenstillstandes am 8. September handelte die deutsche Seite wie geplant. Zum Ersten besetzte die Wehrmacht zwei Tage darauf Rom, wobei es Badoglio und der königlichen Familie gerade noch rechtzeitig gelang, zu fliehen. Zum Zweiten wurden bis zum 21. September über 400000 italienische Soldaten durch einrückende deutsche Verbände entwaffnet beziehungsweise gefangen genommen. Und zum Dritten befreiten Fallschirmjäger den abgesetzten Mussolini aus seiner Haft im Gran-Sasso-Massiv. Der gestürzte Regierungschef des Königreiches Italien wurde nun noch einmal kurz zum Staats- und Regierungschef eines neugeschaffenen Gegenstaates, der Repubblica Sociale Italiana (Italienische Sozialrepublik).