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31.08.18 / Mit München waren die Putschpläne obsolet / Während der Sudetenkrise wollten manche Deutsche Hitler lieber stürzen, als es zu einem Zweiten Weltkrieg kommen zu lassen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-18 vom 31. August 2018

Mit München waren die Putschpläne obsolet
Während der Sudetenkrise wollten manche Deutsche Hitler lieber stürzen, als es zu einem Zweiten Weltkrieg kommen zu lassen
Dirk Pelster

Als in der Nacht vom 29. auf den 30. September 1938 die Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien ihre Unterschrift unter das Münchener Abkommen setzten, war damit faktisch nicht nur der Untergang des tschechoslowakischen Kunststaates, sondern zugleich auch das vorläufige Ende einer seit Monaten andauernden geheimen Kabale besiegelt. An der Spitze dieser zunächst unentdeckt gebliebenen Verschwörung standen zahlreiche deutsche Offiziere. 

Ihr Ziel war es, Adolf Hitler zu beseitigen und das nationalsozialistische Regime noch vor dem Beginn eines möglichen Krieges zu stürzen. Die Konzessionen, welche die Alliierten auf der Konferenz von München gegenüber der deutschen Staatsführung machten, sollten diese Pläne schließlich zum Scheitern verurteilen. Bis heute undurchsichtig ist, was die Westmächte von der Septemberverschwörung innerhalb der deutschen Generalität wussten und warum sie den beabsichtigten Sturz Hitlers nicht unterstützten.

Bekannt ist, dass es über die gesamte Dauer des Dritten Reiches hinweg zahlreiche Kontakte zwischen Angehörigen des militärischen Widerstandes gegen die Nationalsozialisten und Regierungsstellen der Franzosen, US-Amerikaner und Briten gab. Besonders intensiv waren diese im Zusammenhang mit der Sudetenkrise, die dem Münchener Abkommen vorausging. 

Noch beflügelt von dem gelungenen Anschluss Österreichs im März 1938, ließ Hitler unter dem Codenamen „Studie Grün“ ab April erste Planspiele von der Wehrmacht erarbeiten, die auch die Option der militärischen Zerschlagung des tschechoslowakischen Vielvölkerstaates einschlossen. Dieser hatte sowohl einen Beistandspakt mit der Französischen Republik als auch mit der Sowjetunion geschlossen und verfügte zu der damaligen Zeit über eine der bestausgerüsteten Armeen Europas. Im Falle eines Konfliktes mit Frankreich drohte dem Deutschen Reich damit unausweichlich ein Zwei-Fronten-Krieg. 

Hitlers Pläne stießen auf erheblichen Widerstand unter den führenden Militärs. Diese sahen die Wehrmacht nur unzureichend für einen neuen Krieg gerüstet. Bei einem Stabstreffen der kommandierenden Generäle am 4. August 1938 herrschte Einigkeit darüber, dass ein militärischer Konflikt mit den Westmächten in einer Ka­ta­strophe für Deutschland münden müsse. Dennoch gelang es General Ludwig Beck, Generalstabschef des Heeres und einer der Köpfe der Verschwörung gegen Hitler, nicht, seine Kameraden für einen geschlossenen Rücktritt zu gewinnen, sollte der Diktator den Angriffsbefehl gegen die Tschechoslowakei auslösen. Beck wusste, dass die Position der Opponnenten gegen das Regime innerhalb des Militärs zu Beginn des Jahres 1938 erheblich geschwächt war, nachdem Kriegsminister Werner von Blomberg wegen der Hochzeit mit einer vormaligen Prostituierten aus dem Amt entlassen worden und der Oberbefehlshaber des Heeres, Werner von Fritsch, wegen angeblicher Kontakte in das Homosexuellenmilieu seinen Rücktritt hatte einreichen müssen. Beide Generäle galten als konservative Widersacher Hitlers. 

Die Verschwörer um Beck verfolgten daher eine Doppelstrategie. Durch geheime Kontakte zu den Westmächten sollten diese dazu bewogen werden, den diplomatischen und militärischen Druck auf das Deutsche Reich zu erhöhen, um Hitler schließlich zum Einlenken in der Sudetenfrage zu zwingen. Sollte dies nicht funktionieren, sollte die alliierte Drohkulisse zumindest dazu dienen, die bislang loyalen Teile des Offizierkorps aus Sorge um eine drohende militärische Niederlage in die Reihen der Umstürzler zu treiben und so die Chancen für einen Putsch zu steigern.

Anlässlich eines offiziellen Besuches in Paris im Juni 1938 offenbarte Beck Hitlers Pläne erstmals dem britischen Militärattaché, der sie sofort an das Außenministerium in London weiterleitete. Bei dieser Gelegenheit klärte der deutsche Offizier den englischen Diplomaten auch über den Widerstand innerhalb der deutschen Generalität auf. 

Ein weiterer bedeutender Emissär war der vormalige Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler und Reichskommissar für Preisüberwachung. Getarnt als Handelsvertreter für den ebenfalls in Opposition zu Hitler stehenden Industriellen Robert Bosch hatte Goerdeler den Staatssekretär im britischen Außenministerium Robert Gilbert Vansittart bereits ein Jahr zuvor, im Juli 1937, zu insgesamt drei Unterredungen getroffen. Bei dieser Gelegenheit plauderte der Verschwörer auch Geheimnisse der deutschen Rüstungsindustrie aus. Vansittart, der Zeit seines politischen Wirkens, ein erklärter Gegner Deutschlands war, hielt Goerdeler für absolut glaubwürdig. Er fasste seine Kenntnisse über die prekäre wehrwirtschaftliche Lage Deutschlands und die Konspiration innerhalb des Offizierkorps der Wehrmacht in einem Memorandum an das britische Kabinett zusammen und plädierte zugleich dafür, die Pu­tschisten zu unterstützen. Doch sein Papier gelangte nie auf den Kabinettstisch. Außenminister Anthony Eden, der ein Kritiker der Annäherung an Deutschland und an das faschistische Italien war, hielt es aus bis heute ungeklärten Gründen zurück. „Von Eden unterschlagen“, notierte Vansittart schließlich resignierend auf seinem Entwurf. 

Gleichwohl trieb auch er ein doppeltes Spiel. Während er einerseits bei jeder Gelegenheit für einen harten Kurs gegen Deutschland eintrat, versicherte er Konrad Henlein, dem Führer der von Berlin gesteuerten Sudetendeutschen Partei, bei zwei Treffen in London in den Jahren 1937 und 1938, dass im Falle eines Anschlusses der sudetendeutschen Gebiete an das Reich nicht mit einer militärischen Intervention der Westmächte zu rechnen sei. Henlein berichtete hierüber umgehend an Hitler und bestärkte diesen damit darin, eine möglichst unnachgiebige Position in der Sudetenfrage einzunehmen. 

Auch Goerdeler hatte in seinen Unterredungen mit britischen Geschäftsträgern dafür plädiert, die deutsch besiedelten Gebiete aus dem tschechoslowakischen Staatsverband herauszulösen und dem Reich anzugliedern. Dies löste erhebliches Misstrauen in London aus. Die Briten wollten keinen Staatsstreich gegen Hitler unterstützen, nur um sich dann einer deutschen Regierung gegenüberzusehen, die ebenfalls aktiv an der Rückgewinnung deutschen Siedlungsraumes arbeitet. Mit dem Abschluss des Münchener Abkommens und dem Triumph Hitlers zerfiel der Widerstandskreis um Beck und Goerdeler weitestgehend.