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31.08.18 / Keine Zeit mehr für Martin / Ein Jahr nach dem Wahlflop ist SPD-Kanzlerkandidat Schulz nahezu völlig verschwunden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-18 vom 31. August 2018

Keine Zeit mehr für Martin
Ein Jahr nach dem Wahlflop ist SPD-Kanzlerkandidat Schulz nahezu völlig verschwunden
Erik Lommatzsch

Die „Zeit für Martin“-Anstecker wurden im SPD-Bundestagswahlkampf des Jahres 2017 ein Renner. Die Gummibärchentüten waren seltsamerweise weniger gefragt, vielleicht lag es auch daran, dass das darauf abgedruckte Konterfei des Spitzenkandidaten nicht sonderlich appetitanregend wirkte. 

Aber die Anstecker! Die in plumper Genossen-Manier auf Geduze und Vornamen setzende Strategie brachte zumindest eine Reihe anderer „Martins“ und deren Freunde in den Besitz eines als Scherzartikel nutzbaren Wahlkampfprodukts.

Dass Martin Schulz wirklich Bundeskanzler werden würde, dürften, abgesehen von ihm selbst, höchstens härtestgesottene Jusos geglaubt haben. Dessen inszeniert-kometenhafter Aufstieg in der deutschen Politik – mit 100 Prozent zum SPD-Vorsitzenden gewählt, bereits im Vorfeld war der rote Teppich für die Spitzenkandidatur ausgerollt worden – verdaute auch das eine oder andere Altmitglied nur schwer. Ob der Kakamaschu (KAnzlerKAndidat MArtin SCHUulz – eine nur schwer zu übertreffende Wortkreation von Manfred Haferburg) überhaupt so richtig mitbekommen hat, was da über ihn hereingebrochen war? Aber dass Schulz in einer Art Verpuffung ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl aus der politischen Wahrnehmung nahezu völlig verschwunden ist und ihm bislang auch kein Trostposten zugestanden wurde, ist mehr als erstaunlich. Spricht man gegenwärtig von „Schulz“, sieht man sich sogar schon ab und an mit der Nachfrage „Wer?“ konfrontiert. 

Politiker, die mit Beifall und Getöse Anlauf genommen haben, als „Hoffnungsträger“ galten und dann am Wahltag doch deutlich unterlegen waren, gab und gibt es immer wieder. Aber hinsichtlich der Sprünge und Diskrepanzen ragt er heraus, der Martin Schulz. 

Ein Europafunktionär, von dem man außer Worthülsen und seinem exorbitanten Gehalt wenig wusste. Erheblichen Kult betrieb er um seinen spätjugendlichen Alkohol-Absturz und seinen sich daran anschließenden Aufstieg „von unten“. Dann kam – sichtlich nach seinem Geschmack – die ihm übergestülpte Messias-Rolle für die deutsche Sozialdemokratie. Doch dann bescherte er seiner Partei das schlechteste Wahlergebnis der deutschen Nachkriegszeit, 20,5 Prozent. Guido Westerwelle wollte seinerzeit mit dem viel belächelten „Projekt 18“ diese Prozentzahl für seine FDP erreichen. Dies schien auch Schulz für die SPD anzusteuern, nur von der anderen Seite, nicht auf 18 Prozent hoch, sondern runter. Es wurde nur knapp verfehlt. 

Als die „Große Koalition“, deren abermaliges Zustandekommen Schulz unmittelbar nach der Wahl trotzig für unmöglich erklärt hatte, beschlossen wurde, war er immerhin noch SPD-Chef. Am Ende wollte ihn jedoch niemand mehr für gar nichts. Selbst das von ihm initiierte „Vererben“ des Parteivorsitzes auf Andrea Nahles rief sozialdemokratischen Unmut hervor, auch wenn die von Schulz eingesetzte Kandidatin bestätigt wurde, allerdings nur mit zwei Dritteln der Stimmen. Beim Sesselverteilen blieb Schulz nur der einfache Abgeordnetensitz.

Nicht unkritisch, aber deutlich um Verständnis für seinen Protagonisten bemüht, ist das von dem Journalisten Markus Feldenkirchen verfasste Reportage-Buch „Die Schulz-Story. Ein Jahr zwischen Höhenflug und Absturz“. Doch nicht einmal Feldkirchen gelingt es, Schulz anders als hilflos aussehen zu lassen, „das Sinnbild des modernen, nervösen Menschen, der sich von Erregung zu Erregung treiben lässt“. Hätte er sich in seinen Bestrebungen nicht so anmaßend vergriffen, könnte man sagen: Er wirkt mitleiderregend. „Entweder du killst ihn, oder er killt dich“, so Andrea Nahles in weiser Voraussicht zu Schulz über Sigmar Gabriel im Frühjahr 2017. 

Viel spricht dafür, dass Gabriel Schulz als Spitzenkandidat vorschob, im Wissen, dass er im Herbst 2017 gegen Angela Merkel kaum eine Chance hatte, um dann bei der nächsten Runde anzutreten. Gefallen sind letztlich beide. Im Kampf um den Prestigeposten als Außenminister lachte als Dritter Heiko Maas. Und Andrea Nahles führt die deutsche  Traditionspartei SPD weiter konsequent in Richtung Abgrund.

In einer seiner seltenen öffentlichen Äußerungen der vergangenen Monate titulierte Schulz  Markus Söder als „Rechtspopulisten“. Auch das klingt bei ihm nach einer einstudierten Phrase. Ob Schulz’ Zurückhaltung wirklich Teil des Preises für eine erneute Position in Brüssel im kommenden Jahr ist? Für einen erfolg­reichen Leistungsträger seines Kalibers sicher eine hervorragende Idee.