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31.08.18 / Der böse Schatten der »Guten« / Alle reden über ihn, aber was will er wirklich, was treibt ihn an? Betrachtungen über den »Gutmenschen«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-18 vom 31. August 2018

Der böse Schatten der »Guten«
Alle reden über ihn, aber was will er wirklich, was treibt ihn an? Betrachtungen über den »Gutmenschen«
Dirk Pelster

Dem einem erscheint er als Ideal des geläuterten Bürgers, dem anderen ist er der der Inbegriff von Heuchelei, Überheblichkeit und Selbstbetrug. Was treibt den „Gutmenschen“ an?

Bekanntlich ist der Weg zur Hölle mit guten Absichten gepflastert. Meist ruft man sich dieses Sprichwort am Beginn eines Jahres in Erinnerung, nachdem man sich von den ersten guten Vorsätzen der Silvesternacht bereits verabschiedet hat. Doch die bekannte Volksweisheit gewinnt auch in einem anderen Zusammenhang an Bedeutung. Nicht selten führt das gut Gemeinte erst dazu, dass sich eine Situation drastisch zum Schlechten wendet. 

Man denke nur an die Abermilliarden, die jährlich für Entwick­lungshilfe fließen, an die grenzenlose Duldsamkeit, die deutsche Gerichte gegenüber Straftätern walten lassen oder an die zahllosen pädagogischen Programme, mit denen vermeintlich Benachteiligte aller Coleurs in die Gesellschaft zu integrieren versucht werden. Sie erweisen sich oftmals nicht nur als völlig wirkungslos und rufen den Undank der so umgarnten Zielgruppe hervor, sondern nicht selten steht am Ende ein Ergebnis, welches das genaue Gegenteil dessen ist, was man mit seinem Wohlwollen ursprünglich zu erreichen suchte: Funktionierende ökonomische und soziale Strukturen in Entwicklungsländern werden zerschlagen, die Kriminalität steigt und die gesellschaftlichen Gräben werden vertieft. 

Die Gründe, warum man mit Permissivität und gutem Willen allein keine Probleme lösen kann, sind vielfältig. Die viel interessantere Frage ist aber, warum es in westlich geprägten Staaten dennoch immer wieder und wieder versucht wird. Verantwortlich hierfür ist vor allem der Umstand, dass die derzeit bestimmenden gesellschaftlichen Eliten nicht mehr willens und in der Lage sind, auf Basis der realistischen Einschätzung eines Problems, seiner Ursachen sowie der vorhandenen Lösungskapazitäten eine angemessene Bewältigungsstrategie zu entwickeln. 

Stattdessen findet eine Bewertung von Missständen heutzutage nur noch innerhalb der von der Political Correctness vorgegebenen Denkschablonen statt. Die eigentlichen Probleme werden nicht gesehen, deren Ursachen umgedeutet und schließlich kommen völlig untaugliche Mittel zum Einsatz.

Warum sich die Leitplanken der Political Correctness so schwer durchbrechen lassen, erklärt sich heute überwiegend aus der Angst vor persönlichen Nachteilen. So berichten viele Polizisten über die Zustände in diesem Lande aus Furcht vor dienstrechtlichen Konsequenzen nur noch hinter vorgehaltener Hand. Auch viele Politiker und Journalisten heulen lieber aus Opportunismus im Chor der politisch Korrekten mit, als ihrer eigentlichen Aufgabe nachzukommen. 

Diejenigen, die diese Vorgaben setzen, handeln jedoch vornehmlich aus einem moralischen Impetus, wie er schon den Jakobinern während der Zeit der Französischen Revolution zu eigen war. Der Andersdenkende hat in ihrer Vorstellung eben nicht bloß eine andere Meinung oder andere Interessen, sondern er ist schlichtweg bösartig. Da man selbst zum Wohle anderer Menschen, wenn nicht gar zum Wohle der gesamten Menschheit arbeitet, kann es sich bei dem eigenen Kritiker nur um einen Unmenschen handeln. 

So konnte denn wenige Tage nach dem Fall der Mauer ein sichtlich angeschlagener Erich Mielke am 13. November 1989 in einem grotesken Auftritt vor der Volkskammer der DDR – trotz all der von ihm zu verantwortenden Verbrechen – erklären, dass er doch alle Menschen liebe. Obwohl seine Rede schließlich im Hohngelächter unterging, kann durchaus unterstellt werden, dass zumindest er selbst an seine Worte geglaubt hat. Bereits der Staatsrechtler Carl Schmitt hatte vor den Vertretern einer Politik gewarnt, die sich selbst eines Alleinvertretungsanspruches für die gesamte Menschheit rühmen. Für sie ist jeder Gegner tendenziell Unmensch, der keine menschlichen Eigenschaften besitzt und der daher bedenkenlos vernichtet werden darf oder gar muss.

Diese fatale Logik ist es, die einen im heutigen Deutschland schnell Gefahr laufen lässt, mehr als nur seinen guten Ruf zu verlieren, wenn man sich allzu kritisch mit der humanitätstrunkenen Politik des regierenden Establishments auseinandersetzt. Der Ungeist, Andersdenke moralisch vollständig zu delegitimieren und danach zu entmenschlichen, wird dabei nicht mehr nur bei militanten „antifaschistischen“ Kleingruppen kultiviert, er ist längst in vormals bürgerliche Kreise vorgedrungen. 

Nachdem einige in der sogenannten Werte-Union organisierte konservative CDU-Mitglieder die Politik von Kanzlerin Merkel mehrfach kritisiert hatten, polterte der Unions-Abgeordnete Matthias Zimmer im Juli empört, dass sich jetzt endlich auch „die Anständigen“ in seiner Partei zusammenfinden müssten, um dem etwas entgegenzusetzen. Diese Erklärung wirft ein bezeichnendes Licht auf die derzeitige politische Kultur. Für viele ist es schlichtweg nicht mehr vorstellbar, dass Menschen mit einer anderen Auffassung überhaupt aus lauteren Motiven handeln könnten.

Das Grassieren dieses Gutmenschen-Syndroms hat dabei verschiedene Gründe. Nicht selten versuchen Personen mit einem geringen Selbstwertgefühl so ihre narzisstischen Bedürfnisse nach Aufmerksamkeit zu befriedigen. Wer sich für Umweltschutz, für Asylsucher oder gegen den Hunger in der Dritten Welt einsetzt, der gilt seinen Mitmenschen schnell als selbstlos und kann sich eines erhöhten Zuspruches erfreuen. Faktisch ist die ihnen zuteilwerdende gesellschaftliche Aufmerksamkeit aber in der Regel völlig ungerechtfertigt, denn der klassische Gutmensch zeichnet sich nicht dadurch aus, dass er gute Dinge tut, sondern vornehmlich dadurch, dass er diese wahlweise vom Staat oder von der Gesellschaft – mithin von anderen – publikumswirksam einfordert. Daher ist weder von Margot Käßmann noch von Claudia Roth überliefert, dass sie in der Hochphase der Asylkrise selbst einen der Millionen Asylsucher in den eigenen vier Wänden beherbergt hätten. 

Auf der anderen Seite zeigt sich die Mitwelt gegenüber Gutmenschen sehr viel nachsichtiger, auch wenn die Realisierung ihrer Forderungen schwerwiegende Folgen zeitigt. Hier wird dann lediglich auf die vermeintlich gute Absicht abgestellt. Durch diese Mechanismen können sich Gutmenschen hervorragend gegen Kritik und gegen die Realität immunisieren. 

Viel bedeutsamer als der gesellschaftliche Zuspruch ist für viele Gutmenschen aber das Gefühl der eigenen moralischen Überlegenheit. Dies ermöglicht es ihnen, im alltäglichen Leben ethische Grundsätze weitestgehend zu ignorieren. Der älteren Dame von nebenan die Einkaufstaschen in den dritten Stock zu tragen oder Nachhilfestunden für Kinder aus sozial schwachen Familien zu geben, all dies sind Aufgaben für andere. Man selbst tritt nur auf den Plan, wenn es gilt, das ganz große Rad zu drehen. Auffallend ist dabei, dass Gutmenschen sich meist an solchen Themen abarbeiten, die mit keiner unmittelbar erfahrbaren Verbesserung der Lebenssituation konkreter Menschen verbunden sind. 

Ihre Forderungen sind abstrakt, global angelegt und mögliche Erfolge können sich, wenn überhaupt, erst in Jahren oder Jahrzehnten zeigen. Daher erwärmen sie sich beispielsweise ganz besonders für Projekte wie die Verhinderung des vermeintlich menschengemachten Klimawandels. In der Psychiatrie spricht man bei diesem Phänomen von einer externalen Fokussierung. 

Tatsächlich hat es in den vergangenen Jahren immer wieder vereinzelte Stimmen aus Psychologie und Medizin gegeben, die in einem überzogenen Gutmenschentum eine psychische Störung erkennen wollen. Allerdings dürfte dies eher einem allgemeinen Trend zur Pathologisierung sozial ungewöhnlicher Verhaltensweisen geschuldet sein. Die Gefahr für ein funktionierendes Gemeinwesen geht letztlich nicht von einzelnen Gutmenschen aus, sondern von einer Gesellschaft, die sich dazu entschieden hat, solchen Personen verantwortliche Schlüsselpositionen zu übertragen.