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07.09.18 / »Epochale Vereinbarung« hält NATO draußen / Russland hat mit den anderen Anrainern eine »Konvention über den Rechtsstatus des Kaspischen Meeres« geschlossen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-18 vom 07. September 2018

»Epochale Vereinbarung« hält NATO draußen
Russland hat mit den anderen Anrainern eine »Konvention über den Rechtsstatus des Kaspischen Meeres« geschlossen
Florian Stumfall

Bis zum Zerfall der Sowjetunion im Jahre 1991 teilten sich zwei Staaten die Küste der Kas­pischen Meeres: die sozialistische Weltmacht selbst und der südliche Nachbar Iran. Heute hat das Meer fünf Anrainer, und diese Änderung der Verhältnisse verlangte nach einer völkerrechtlichen Aufarbeitung. Diese geschah dieser Tage durch die „Konvention über den Rechtsstatus des Kas­pischen Meeres.“

Die Staatschefs Aserbaidschans, des Iran, Kasachstans, Russlands und Turkmenistans haben am 12. August in der kasachischen Hafenstadt Aktau die gemeinsame Vereinbarung über den Status des Binnenmeeres unterzeichnet, das sie verbindet. Dieses hat eine Fläche von über 386000 Quadratkilometern, in der Länge misst es 1200 Kilometer, die größte Breite beträgt 435 Kilometer. Neben seinem Fischreichtum spielt das Meer eine bedeutende Rolle bei der Förderung von Erdöl und Gas – die Nutzung dieses Gewässers friedlich zu regeln, musste also ein großes gemeinsames Anliegen sein. 

Nun legt das Übereinkommen die Staatsgrenzen der Anrainerstaaten bei 15 Seemeilen vor der Küste fest. Ein weiterer Streifen seewärts in der Breite von zehn Seemeilen steht den Ländern als Fischereizone zu. Dazwischen erstreckt sich der für alle Vertragspartner frei verfügbare Raum. In diesem operiert auch die russische Kas­pische Flotte, die schon international von sich reden gemacht hat, als von dort zwei Marschflugkörper auf Stellungen des Islamischen Staates (IS) in Syrien abgeschossen wurden und dort punktgenau einschlugen.

Dabei hatte es über zwei Jahrzehnte gedauert, bis der Plan zu einem Kas­pischen Vertrag Wirklichkeit wurde. Die drei mittelasiatischen Republiken leisteten lange Widerstand in der Befürchtung, Einbußen zu erleiden. Doch dann war es der gewachsene politische Einfluss vor allem Russlands aber auch des Iran in Nahost durch die gemeinsame Rolle im Syrienkrieg, der die anderen Partner zum Einlenken bewog.

Jetzt sprach Russlands Präsident Wladimir Putin denn auch von einer „epochalen Vereinbarung“ und betonte das darin festgeschriebene „ausschließliche Recht“ der Anrainer und ihre Verantwortung für die Entwicklung und das Schicksal der Region. Sein kasachischer Amtskollege Nursultan Nasarbajew nannte das Vertragswerk eine „Verfassung für das Kas­pische Meer“. Diese beschreibt das Gewässer weder als See noch als Meer, was jeweils einen anderen juristischen Status bedeuten würde, sondern als „Binnengewässer mit dem Recht gemeinsamer Nutzung“. Dabei setzt das Abkommen nur einen Rahmen, innerhalb dessen noch etliche Fragen offen sind. So gibt es nach wie vor Uneinigkeit zwischen Turkmenistan und Aserbaidschan in Hinblick auf einige Öl- und Gasvorkommen. Doch das sind Detailprobleme; entscheidend aber ist die Neuregelung der Verhältnisse gegenüber weiteren Mächten. 

Behrooz Abdolvand, als iranischer Ökonom und Politikwissenschaftler, Koordinator des Kas­pi­schen Raum- und Energieforschungszentrums in Berlin sowie assoziiertes Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik ein ausgewiesener Kenner der Materie, weist auf die politischen Implikationen des Vertrags hin: „Einerseits profitiert Russland, das es geschafft hat, dass die NATO ihre Präsenz nicht in die Länder der kas­pischen Region erweitert. Andererseits ist der Iran ein weiterer Nutznießer. Aserbaidschan und Turkmenistan tendierten eher dazu, mehr mit dem US-Militär zusammenzuarbeiten. Dadurch wäre der Iran weiter eingekreist worden. Durch diesen Vertrag ist die Gefahr gebannt.“

Ebenso sieht es der iranische Präsident Hassan Rouhani: „Es war eine Strategie der USA und auch der NATO, in diesen Gewässern präsent zu sein und ihre Soldaten, Fregatten, Hubschrauber und Stützpunkte an der Küste des Kas­pischen Meeres einzusetzen. In dieser Vereinbarung haben die fünf Staaten beschlossen, die Präsenz fremder Schiffe im Kas­pischen Meer zu verbieten.“ Doch auch der iranische Premier weist auf die noch offenen Fragen hin: „In der Konvention über den rechtlichen Status des Kas­pischen Meeres wird die Aufteilung des Bodens und des Untergrunds noch nicht definiert.“ Darüber müsse weiter verhandelt werden.

Es liegt in der Absicht der Partner, dass diese Verhandlungen Vereinbarungen über eine vertiefte Zusammenarbeit auch in anderen Bereichen nach sich ziehen. Russlands Präsident Wladimir Putin schlug den Teilnehmern an der Konferenz in Aktau vor, sich gemeinsam in Sachen Transportwesen, Bekämpfung des Drogenschmuggels und Tourismus abzustimmen.

Geopolitisch gesehen hat das Kas­pische Abkommen eine wichtige Funktion auch im Zusammenhang mit dem chinesischen Projekt der „Neuen Seidenstraße“. Im Zuge dieses Ausbaus hat China im Jahre 2014 an der gemeinsamen Grenze zu Kasachstan die Stadt Korgas erbaut, die zu einem internationalen Logistik- und Handelszentrum werden soll; des Weiteren investiert China in die Elektrifizierung der Eisenbahn im Iran, vor allem der 3200 Kilometer langen Verbindung von Kasachstan über Kirgisien, Usbekistan und Turkmenistan ins chinesische Urumqi; chinesische-kasachische Handelsabkommen über die Lieferung von Rohstoffen nach China und chinesische Investitionen in Kasachstan in den Bereichen Landwirtschaft, chemische Industrie und Erneuerbare Energien sind Beispiele für die intensiver werdende Vernetzung Chinas mit Mittelasien. Entscheidend ist, dass alle Länder des Kas­pischen Abkommens in diese Entwicklung einbezogen sind, da Russland bei der Neuen Seidenstraße Chinas wichtigster Partner ist. Das führt zu Synergieeffekten von gewaltigem Ausmaß.