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07.09.18 / Wunderwaffe und Kabinenroller / Willy Messerschmitt, ein technisches Genie auf dem Schleudersitz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-18 vom 07. September 2018

Wunderwaffe und Kabinenroller
Willy Messerschmitt, ein technisches Genie auf dem Schleudersitz
Klaus J. Groth

Der Pionier der Luftfahrt „Willy“ Messerschmitt führte ein Leben voller Höhenflüge und Abstürze. Sein Name stand für Flugzeuge, die technisch anderen weit voraus waren. Vor 40 Jahren, am 15. September 1978, starb er in München.

Die Leidenschaft für Flugzeuge zeigte sich bei dem am 26. Juni 1898 in Frankfurt am Main geborenen Wilhelm („Willy“) Emil Messerschmitt früh. Während die Eltern in Bamberg eine Weinwirtschaft betrieben, bastelte ihr zehnjähriger Sprössling Flugzeugmodelle. Als ihm das nicht mehr genug war, konstruierte er Gleitflugzeuge. Nach dem Ersten Weltkrieg, Messerschmitt war sofort nach dem Abitur eingezogen worden, begann er sein Studium an der Technischen Hochschule München. 1923 gründete er mit finanzieller Unterstützung seiner Familie die „Messerschmitt Flugzeugbau“. Die handwerklich ausgerichtete Firma lieferte aus einer ehemaligen Brauerei in Bamberg, später einem leer stehenden Munitionsdepot Segelflugzeuge. 

Auf der Basis von letzteren entwickelte Messerschmitt die M17, ein Sportflugzeug, mit dem es 1926 dem Piloten Eberhard von Conta und dem Schriftsteller Werner von Langsdorff gelang, über die Alpen bis Rom zu fliegen. Und das mit einer 30-PS-Maschine. Für diesen Motor fehlte Messerschmitt allerdings anfänglich das Geld. Als er mit einem potenziellen Finanzier in einer Gaststube verhandelte, wurde der ehemalige Jagdflieger Theo Corneiß Zeuge des Gesprächs. Noch in der Gaststube stellte der Chef der Sportflug GmbH Ober- und Mittelfranken, einer Tarnfirma der Reichswehr, einen Scheck über 4000 Reichsmark aus. Messerschmitt konnte die M17 bauen. Dieses erste Motorflugzeug Messerschmitts zeigte bereits die Merkmale, die für den Konstrukteur kennzeichnend werden sollten: konsequenter Leichtbau und aerodynamische Form. Heute wird die M17 im Deutschen Museum in München ausgestellt. 

Corneiß bat Messerschmitt um die Konstruktion eines Zubringerflugzeuges. Daraus wurde die M18, ein einmotoriges Verkehrsflugzeug für vier Passagiere, bereits komplett aus Metall gebaut.

1926 trat Messerschmitt in den Vorstand der Bayrischen Flugzeugwerke ein und wurde Chefkonstrukteur. Gleichzeitig betrieb er seine Werkstatt weiter. Zu einem wirklichen Unternehmer wurde Messerschmitt, als er 1928 mit der Familie seiner späteren Ehefrau Lilly Stromeyer geborene Freiin von Michel-Raulino die Aktien der Bayrischen Flugzeugwerke in Augsburg übernahm. In Augsburg entwickelte Messerschmitt im Auftrag der Deutschen Lufthansa die M20, eine Reisemaschine für zehn Passagiere, die mit 220 Kilometern in der Stunde das schnellste Flugzeug der Zeit war. Allerdings stürzte die erste Maschine bei einem Probeflug ab, wobei der Pilot ums Leben kam. Eine zweite Maschine verunglückte beim Landeanflug auf Dresden. Diesmal starben die zweiköpfige Besatzung und sechs Passagiere. Ein Jahr später brach ein Leitwerk, die zweiköpfige Besatzung kam ums Leben, sieben Passagiere wurden schwer verletzt. Drei Abstürze mit tödlichem Ausgang in drei Jahren, das war für den Auftraggeber Lufthansa zu viel. Sie stornierte den Auftrag für weitere Maschinen. Lufthansachef Erhard Milch weigerte sich diese Maschinen anzunehmen und zu bezahlen. Die Bayrischen Flugzeugwerke meldeten Konkurs an. 

Das Unternehmen konnte sich allerdings wieder berappeln. Die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten und deren Aufbau einer Luftwaffe schufen die entsprechenden Rahmenbedingungen. Es kam zu einem Vergleich und die Firma wurde saniert, wobei ihm abermals seine spätere Ehefrau half. 1938 wurde dann aus den Bayrischen Flugzeugwerken „Messerschmitt“ mit der Folge, dass die Typenbezeichnungen der fortan entwickelten Maschinen nicht mehr mit „Bf“, sondern „Me“ anfingen. 

Vier Jahre zuvor, 1934, entstand die Bf 108, ein einmotoriges Leichtflugzeug, das sich bald zum Reiseflugzeug der Luxusklasse ent­wickel­te. Populär wurde die Bf 108 durch die Sportfliegerin Elly Beinhorn, die 1936 mit dem „Taifun“ genannten Flugzeug drei Kontinente in einem Tag überflog. 885 Maschinen dieses Typs wurden gebaut, die Mehrzahl ging an die Luftwaffe. 

Auf der Basis dieser Maschine entwickelte Messerschmitt die Bf 109, ein einsitziges Jagdflugzeug. Über den Ankauf hatte der Staatssekretär im Reichsluftfahrtministerium und Generalinspekteur Erhard Milch zu entscheiden. Nach dem Streit zu seiner Zeit bei der Lufthansa, ließ er die Bf 109 nur zögerlich testen. Doch die Eigenschaften waren überzeugend. 1937 flog die Maschine mit über 610 Kilometern pro Stunde Weltrekord. In verschiedenen Varianten – auch als Jagdbomber, Nachtjäger und Aufklärer – gefertigt, wurde der Tiefdecker mit 33300 Stück eines der am meisten gebauten Jagdflugzeuge. 

Die beiden nachfolgenden Modelle waren kein Erfolg. Zwar flog die Me 209 mit über 750 Ki­lo­me­tern in der Stunde einen neuen Weltrekord, aber die Maschine war zu anfällig. Die Bf 110, deren Erstflug 1936 stattfand, die aber erst 1939 in Dienst gestellt wurde,  bewährte sich als Begleitjäger bei der Luftschlacht um England nicht. Die gegnerischen Flugzeuge waren inzwischen schneller als der bis 1945 5760-mal gebaute zweimotorige Ganzmetall-Tiefdecker. Bei der für die nationalsozialistische Kriegsflugzeugentwicklung typischen Vielzahl von Entwicklungen blieben Fehlschläge nicht aus.  In kurzer Zeit entstanden Prototypen, die nicht in Serie gingen. Die als Nachfolger der Bf 110 geplante Me 210 wurde zwar von 1941 bis 1945 702-mal gebaut, war aber mit so vielen Mängeln behaftet, dass Messerschmitt 1942 aus dem Vorstand seines Werkes gedrängt wurde und eine Aufgabe im Entwick­lungsbüro übernahm.

Ein großer Wurf gelang erst wieder mit der Me 262, die zu den sogenannten Wunderwaffen für den Endsieg gezählt wurde. Es war das erste Strahlflugzeug, das in Serie ging. 1433 Maschinen wurden von 1943 bis 1945 gebaut.

Als im November 1943 die erste Me 262 Adolf Hitler vorgeführt wurde, wünschte sich dieser einen „Blitzbomber“. Der Abfangjäger taugte wenig dazu, aber Hitler bestand auf dem Einsatz als Bomber. 

Das Parteimitglied Messerschmitt war Wehrwirtschaftsführer, wurde mit Ernst Heinkel mit dem von Hitler gestifteten Deutschen Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet. Sein Unternehmen galt als „Nationalsozialistischer Musterbetrieb“. Er forderte für die Produktion Zwangsarbeiter an und ließ in Konzentrationslagern produzieren. Dennoch wurde er 1948 lediglich als „Mitläufer“ eingestuft. 

Da wie nach dem Ersten auch nach dem Zweiten Weltkrieg der Flugzeugbau in Deutschland verboten war, stellte sich Messerschmitt auf Fertighäuser und den Messerschmitt Kabinenroller um. Nach der Aufhebung der alliierten Beschränkungen landete Messerschmitt 1955 wieder im deutschen Flugzeugbau. Die Bundesrepublik drängte auf eine Konzentration im Flugzeugbau, und Messerschmitt gab dem Drängen nach. 1968 fusionierte sein Unternehmen mit der Bölkow-Gruppe zur Messerschmitt-Bölkow GmbH, die dann im darauffolgenden Jahr die  Hamburger Flugzeugbau GmbH, eine Tochter von Blohm + Voss, übernahm. Das Ergebnis war die Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH, kurz MBB. Messerschmitts Vision eines Senkrechtstarters schaffte es nicht zur Produktion.