26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
07.09.18 / Europastadt Görlitz mit Zwangsumstieg / Deutschland zementiert auf Jahre seine Rückständigkeit gegenüber Polen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-18 vom 07. September 2018

Europastadt Görlitz mit Zwangsumstieg
Deutschland zementiert auf Jahre seine Rückständigkeit gegenüber Polen
Edmund Pander

Wie abgehängt der Osten Deutschlands in Teilen immer noch ist, merkt man als Bahnreisender besonders deutlich in dem Teil Niederschlesiens, der in der Bundesrepublik verblieben ist. Will man mit der Bahn gen Westen reisen, muss erst einmal Dresden, Cottbus oder Berlin angesteuert werden, um den ebenso günstigen wie schnellen Fernverkehr zu erreichen.

Doch auch der grenzübergreifende Verkehr lässt viel zu wünschen übrig. Gerade einmal 26 Verbindungen täglich fahren über die deutsch-polnische Grenze. Und es könnte bald schlimmer werden, da sich das Streckennetz der Niederschlesischen Bahnen (Koleje Dolnoslaskie) zum 21. Dezember 2019 von Kohlfurt [Wegliniec] aus bis Ost-Görlitz [Zgorzelec] unter Fahrdraht befinden wird. Die Verbindung zwischen den Ländern wird hier dann jedoch wegen 800 Meter Oberleitung, die auf deutscher Seite fehlen, über das Neißeviadukt unterbrochen sein. Fahrgästen droht dabei eventuell die Aussicht auf einen umständlichen Umstieg, denn zunächst einmal müssten bei einem noch nicht gesicherten Lückenschluss die Bahnhöfe Görlitz-Moys (Zgorzelec) oder Görlitz-Stadt (Zgorzelec-Miasto) mit dem Taxi oder der einzigen grenzüberschreitenden polnischen Buslinie der geteilten Stadt angesteuert werden. Die Misere wird durch die unterschiedlichen Stromsysteme noch verschlimmert. Auf deutscher Seite kann frühestens 2027 die Lücke geschlossen werden, da hier endlose Anhörungsverfahren zu durchlaufen sind und eine rechtzeitige Planung über viele Jahre sträflich vernachlässigt wurde. Da Polen jedoch 2022 auch die Strecke nach Lauban [Luban Slaski] mit Fahrdraht versehen will, wird es aus Deutschland gar keine durchgängigen Verbindungen mehr über die Neiße geben. Die Verbindung ins Riesengebirge war in der Vorkriegszeit eine der ganz frühen Trassen mit damals hochmoderner Oberleitung, doch die Masten wurden von den Sowjets nach dem Krieg als Kriegsentschädigung abgesägt.

Währendessen arbeiten die Niederschlesischen Bahnen (KD) bereits an einer Reisezeitverkürzung, indem spätestens im Dezember 2019 die bereits elektrifizierte Strecke Breslau-Kohlfurt verlängert und mit modernen Fahrzeugen, die 160 Kilometer in der Stunde fahren können, bestück wird. Dann wird die polnische Seite auch keine deutschen Dieselfahrzeuge, deren Höchstgeschwindigkeit nur 120 Kilometer in der Stunde beträgt und deren Bestellung für die Polen deutlich teurer ausfällt, mehr ins Land lassen. Es sei denn, den mittlerweile technisch rückständigen Deutschen wird in einem Akt der Gnade zumindest Einfahrt in die östliche Hälfte von Görlitz gewährt. Blamabel genug, sollte es überhaupt zu dieser Notlösung kommen.

Dabei würde Bahnreisende ohnehin eine andere Hürde erwarten – der Komplettneubau des Bahnhofs Zgorzelec-Miasto. Anstelle des 1975 in Betrieb genommenen und heute völlig verfallenen Baus wird bis 2019 ein Einkaufszentrum mit Bahnhof entstehen. Das Gebäude mit dem anliegenden Areal wurde von einem polnischen Investor gekauft, der hier ähnlich den Vorgängerprojekten in Weichsel [Wisla] in den schlesischen Beskiden und in Biala Podlaska in Podlachien einen „Metro-Park“ mit einem Omnibusbahnhof errichtet. 3100 Quadratmeter groß soll der Metro-Park werden. Im Inneren will man ein Bahnreisezentrum mit Fahrkartenautomaten und Wartesaal einrichten. Der Umstieg an einem Bauplatz wird die ohnehin schon geminderte Reisequalität sicher nicht erhöhen.

Man wolle im Rahmen des „Trans-Border-Projektes“ gemeinsam mit dem polnischen Partner alles tun, um die Umstiege für den Fahrgast möglich reibungslos zu gestalten, heißt es vom Zweck-verband Oberlausitz-Niederschlesien (ZVON). Trans-Border untersucht derzeit, wie die Erreichbarkeit peripherer Grenzregionen funktioniert. Das Projekt will die Zugänglichkeit vom peripheren grenzüberschreitenden öffentlichen Verkehr verbessern und hat zum Ziel, eine Anbindungen zum nächstgelegenen TEN-T-Knoten, also dem gesamteuropäischen Kernnetz, zu schaffen. Doch für Görlitz dürfte dies schwierig werden, da die Region nach Rückstufungen auf den Nahverkehr abseits vom einst vorhandenen attraktiven Fernverkehr liegt. Am Projekt arbeiten neun Partner aus fünf Ländern: Polen, Tschechien, Österreich, Slowenien und Deutschland. Angestrebt wird hierbei ein interministerielles und ressortübergreifendes Zusammenwirken für einen reibungslosen Entscheidungsprozess von Grenzregionen, zu denen das Dreiländereck Deutschland (Sachsen) Tschechien (Region Reichenberg/Liberec) und Polen (Niederschlesien), aber auch Österreich (Kärnten) und Slowenien gehören. Dennoch droht Görlitz, auf der Strecke zu bleiben, denn die tschechischen Regionen Reichenberg und Aussig [Usti nad Laben] sind im Vergabeverfahren „Ostsachsennetz“ bereits angebunden und liefern so auch ein gewisses Alibi, mit denen sich das Drama um Görlitz weiterhin durchaus überdecken ließe.

Foto: 2019 wird der Ost-Görlitzer Bahnhof „Zgorzelec-Miasto“ ein moderner Einkaufspark mit Reiszentrum.