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07.09.18 / Dauerbrenner aus dem Kombinat / Und wenn es nicht kaputt ist, dann läuft es heute noch – DDR-Design war praktisch, gut und einfach unverwüstlich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-18 vom 07. September 2018

Dauerbrenner aus dem Kombinat
Und wenn es nicht kaputt ist, dann läuft es heute noch – DDR-Design war praktisch, gut und einfach unverwüstlich
Nils Aschenbeck

Ob Rührgeräte, Glühlampen oder Automobile – diese Errungenschaften des real existierenden Sozialismus wurden erst belächelt. In Zeiten des Wegwerf-Konsums wünscht man sich solche Dauerbrenner zurück.

Aus der Rückschau mag man behaupten, dass es sogar gute Hinterlassenschaften von Un­rechtsstaaten gibt. Gerade der Mangel führte in der DDR zu Entscheidungen, die sich im Nachhinein als überraschend richtig herausgestellt ha­ben, gerade die Bedingungen des Mangels ermöglichten die Herstellung von Gütern, die noch heute überzeugen – so das „Rührgerät 28“.

Da die DDR-Bauwirtschaft mit der Errichtung der Plattenbauten vor den Toren der Städte genug beschäftigt war, unterblieb vielfach ein Abriss der ruinösen Altstädte, die historischen Bereiche von Görlitz oder Stralsund konnten so fast unangetastet bleiben 

– und überdauerten mit ihrer ganzen Pracht. Im Westen hätte man solche Produkte in den 1960er und 1970er Jahren derart modernisiert, dass wir heute die Ergebnisse beklagen würden.

Das DDR-Design, ebenfalls in einem Umfeld des Mangels entstanden, wurde zuerst belächelt, geradezu als minderwertig gegenüber westlichem Design angesehen. Das hat sich inzwischen geändert, heute werden DDR-Architektur und Industriedesign aus dem sozialistischen Staat  wieder geschätzt, gesammelt und manchmal sogar wiederbelebt.

Designer wie der 1934 geborene und 2014 mit dem Deutschen Designpreis ausgezeichnete Karl Clauss Dietl schufen Werke, die noch heute bekannt und beliebt sind, so das Motorrad „Simson“, die Schreibmaschine „Erika“ oder den „Wartburg“-Pkw. 

In einer Eigenschaft unterschied sich das Design diametral vom westlichen. DDR-Automobile und DDR-Hausgeräte mussten sich nicht auf einem freien Markt behaupten, sie wurden nicht in übermäßiger Stück­zahl hergestellt. Ganz im Gegenteil fand jedes DDR-Produkt so­fort seinen dankbaren Abnehmer, der es dann so lange wie möglich nutzen wollte und sollte. In einer Mangelwirtschaft war der regelmäßige Neukauf nicht möglich und auch nicht erwünscht. Die Produktgestaltung hatte – anders als im Westen – deshalb auch nicht die Aufgabe, die Konsumenten zu einem Kauf zu überreden. Regelmäßige Modellwechsel mit neuen Farben und Formen waren nicht notwendig.

Technik hatte in der DDR lange zu halten und sollte reparierbar sein. Geplante Obsoleszenz, also eingebauter schneller Verschleiß, war kein Thema. Glühlampen von „Narva“ hielten länger als die Westexemplare und auch Fotokameras von „Praktica“, Objektive von „Pentacon“ und Radiogeräte von „Heliradio“ hatten dank ihrer Solidität einen guten Ruf. 

Zur Ikone des DDR-Design avancierte der Mixer „RG28s“. Er wurde seit den 1970er Jahren beim volkseigenen Betrieb „AKA“ in Suhl in hoher Stückzahl produziert. Dem „Rührgerät 28s“, das unter dem Markennamen „Privileg“ auch im Westen verkauft wurde, ging der Ruf voraus, unverwüstlich zu sein. Wo heute asiatische Produkte, aus preiswerten Komponenten zusammengefügt, bei harter Beanspruchung schnell versagen, begleitete und begleitet der RG28s (es wurde auch die Version RG28e mit stufenloser Leistungsregelung hergestellt) die Hausfrau und den Hausmann nicht nur über Jahre, sondern über Jahrzehnte. 

Noch heute kann man 40 Jahre alte und noch voll funktionsfähige Exemplare über das Internetauktionshaus Ebay erwerben, wobei die Preise oftmals die von nagelneuen Mixern moderner Herstellung übersteigen, nicht selten werden 60 oder gar 70 Euro aufgerufen. Kaufen lässt sich zudem noch vielfältiges Zubehör – vom Pürierstab bis zum Rohkostaufsatz –, das sich über eine Kupplung an den Mixer anschließen lässt.

Im Internet sind auf YouTube Filme zu sehen, die zeigen, wie der „Mixer des Volkes“ (so ein Filmtitel) zu reinigen und zu warten ist. Alle Teile des Mixers lassen sich auseinander schrauben – es gibt keine verklebten Bauteile. Zudem sind die verwendeten Materialien hochwertig, so ist der Motor schwerer als der von billigen China-Rührgeräten. Falls doch mal ein Teil ausfallen sollte, lassen sich bei Ebay immer noch Ersatzteile finden. 

Angeregt von der lange nach Produktionsende wachsenden Po­pularität des Geräts hat der Regisseur Reinhard Günzler 2016 ei­nen liebevollen Dokumentarfilm über die RG28 gedreht – „Kommen Rührgeräte in den Himmel?“. In dem Film wird der DDR-Mixer als besonders nachhaltiges Produkt herausgestellt – „es gibt noch Dinge, die uns nicht im Stich lassen, zum Beispiel mein neues altes Rührgerät“. 

Durch die jahrzehntelange Nutzungszeit und die Reparaturmöglichkeit ist die Ökobilanz des DDR-Mixers besser als die der meisten aktuellen Küchenhilfen, die oft nach wenigen Jahren des Gebrauchs entsorgt werden. 

Mit diesen, heute vorbildlichen Eigenschaften steht das RG28 nicht alleine. Auch andere DDR-Produkte galten als leicht reparierbar und sind im Grunde ewig haltbar. Das Kleinkraftrad „Schwalbe“ – offiziell als „Simson KR51“ bezeichnet – wurde ebenfalls im thüringischen Suhl gebaut. Das Design orientiert sich am Baukastenprinzip – die we­sentlichen Teile lassen sich mit wenigen Handgriffen austauschen. Das Kleinkraftrad ist bis heute beliebt, hat einen guten Ruf. Um diesen Vertrauensvorschuss auszunutzen, sicherte sich das Münchner Unternehmen Govecs die Rechte am „Simson“ und vertreibt nun unter dem Markennamen „Schwalbe“ und mit altem Er­scheinungsbild ein ganz mo­dernes, rein elektrisches Moped.

Dank herausragender Designer, die aus der Ressourcenknappheit im Sozialismus eine Tugend machten, dank beabsichtigter Reparierbarkeit und dank des Baukastenprinzips (Simson) und der von vornherein vorgesehenen Erweiterbarkeit (RG28s) kann DDR-Design heute tatsächlich Vorbild sein.