19.04.2024

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07.09.18 / Ehrliches Verständnis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-18 vom 07. September 2018

Ehrliches Verständnis
Jörn Pekrul

Das große Angebot der Heimatliteratur hat in diesem Jahr eine Neuerscheinung erfahren, die mehr als einen Blick verdient und die sich als gewinnbringende Lektüre herausstellt. In „Letzte Fahrt nach Königsberg“ beschreibt Ulrich Trebbin die auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte einer Frau, die es im Frühjahr 1945 nach Potsdam verschlagen hat, und die das Unmögliche wagt: noch einmal zurück in ihre Heimatstadt, noch einmal zurück nach Königsberg. Und dies in einer Zeit, in der die Front bereits unaufhaltsam nach Westen rückt. Auf zwei Zeitebenen – der Gegenwart am Ende des Krieges und den noch frischen Erinnerungen an das frühere Leben in Königsberg – entfaltet sich die alte Stadt.

Wer Königsberg kennt, wird angenehm berührt sein, wie akkurat der Autor das Lokalkolorit getroffen hat, nicht nur in der Beschreibung der Straßenzüge, sondern auch im Geschmack und in dem Geist der Zeit. Die Farben und Geräusche zwischen Maraunenhof und dem Fischmarkt am Pregel sind so klar beschrieben, als wäre Trebbin direkt aus der Vergangenheit gekommen, um uns Heutigen zu berichten. 

Dies alleine lohnt bereits die Lektüre. Doch das Buch ist mehr. Der Autor hat das Unmögliche geschafft, und die Protagonisten in dem Ausnahmezustand ihrer Zeit so lebensnah geschildert, als würden sie als reale Personen neben uns stehen. Er belässt es nicht dabei: Auch die Situation der Menschen, die auf der Seite der Kriegsgegner wirkten oder zu wirken hatten, wird evaluiert.  

Die feineren seelischen Schwingungen, welche die Figuren antreiben, vereinnahmen oder belasten  sind sehr einfühlsam geschildert. Mit menschlicher Anteilnahme werden Ursachen und Folgen in Worte gefasst. Das Buch ist sehr menschlich geschrieben und psychologisch ausgereift, dabei aber gefasst in der Sprache. Die Geschichte wird glaubwürdig erzählt, der Lesefluss ist angenehm und jederzeit nachvollziehbar durch in sich abgeschlossene Kapitel. Der Autor führt souverän durch das Geschehen. Lokale Orientierungspunkte und eine Stadtkarte im Buchumschlag geben eine zusätzliche Information.

In der Behandlung des Themas bleibt Trebbin seriös und bodenständig. Man merkt, dass er sich als Nachgeborener ernsthaft und tief in die ostpreußische Tragödie hineingearbeitet hat. Trebbin wurde 1967 geboren und ist ein Nachfahre aus der Familie von Max Aschmann, welcher 1903 der Stadt durch eine Stiftung von 100000 Mark den nach ihm benannten Park in Königsberg-Maraunenhof zum Geschenk gemacht hat. Der Park besteht heute noch.

Die „Letzte Fahrt nach Königsberg“ ist geprägt von ehrlichem Verständnis für das Schicksal der Erlebnisgeneration auf allen beteiligten, von Einfühlungsvermögen, Anteilnahme und auch von Liebe. Die Nachkommen haben somit ein Buch, das ihnen dabei helfen kann, die Sorgen und Nöte ihrer Angehörigen zu verstehen. Man kann sich vor diesem Werk nur verbeugen, und man sollte es auch nach der Lektüre griffbereit im vorderen Bereich seines Bücherregales halten.

Ulrich Trebbin: „Letzte Fahrt nach Königsberg“, btb Verlag, München 2018, gebunden, 352 Seiten, 20 Euro