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14.09.18 / Staats- oder Parteiinteresse? / Was Politiker und Medienvertreter eine Überwachung der AfD durch den Verfassungsschutz fordern lässt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-18 vom 14. September 2018

Staats- oder Parteiinteresse?
Was Politiker und Medienvertreter eine Überwachung der AfD durch den Verfassungsschutz fordern lässt
Peter Entinger

Zahlreiche Politiker und Medienvertreter fordern eine Überwachung der AfD durch den Verfassungsschutz. Geht es dabei wirklich um einen Schutz der Demokratie oder vielmehr um den Schutz anderer Parteien vor Konkurrenz?

„Die AfD hat sich offen zu rechtem Gedankengut bekannt. Wenn jemand diesen Staat bedroht, muss er beobachtet werden“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“. Die Bundesregierung teilte hingegen mit, sie sehe derzeit keinen Anlass für eine Beobachtung der Partei als Ganzes durch den Verfassungsschutz. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, die Voraussetzungen seien gesetzlich festgeschrieben. Die Sicherheitsbehörden müssten entscheiden, „wann was getan werden muss“.

Nachrichtendienste wie der Verfassungsschutz sind laut Selbstbeschreibung zur Abwehr von Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung unerlässlich. Sie sind aber strikt von der Polizei getrennt: „Der Verfassungsgeber wollte aus den Erfahrungen der Vergangenheit gerade keine Geheimpolizei“, heißt es in einer Erklärung des Bundesinnenministeriums. 

Die Polizei hat demnach die staatlich verordneten Aufgaben, Straftaten aufzuklären sowie Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Sobald die Polizei Hinweise auf Straftaten erhält, muss sie eingreifen (Legalitätsprinzip). Hierbei darf die Polizei sogenannte Zwangsbefugnisse ausüben. Sie darf außerdem Wohnungen durchsuchen und Gegenstände beschlagnahmen.

All diese Zwangsbefugnisse hat der Verfassungsschutz nicht. Er darf niemanden durchsuchen oder festnehmen und er darf keine Beschlagnahmen oder Verhöre durchführen: „Er ist ein reiner Nachrichtendienst, der frühzeitig Informationen über Gefahren für unsere Demokratie und Sicherheit sammelt“, heißt es. Im Gegensatz zur Polizei unterliegt der Verfassungsschutz dem Opportunitätsprinzip, dem strafrechtlichen Grundsatz, nach dem die Erhebung einer Anklage in das Ermessen der Anklagebehörde gestellt ist.

Das Verfassungsschutzgesetz definiert dabei auch den Rahmen, in dem eine Partei beobachtet werden darf. Für die Behörden ist die Frage wesentlich, ob Extremisten einen steuernden Einfluss auf die Gesamtpartei haben. Und das sei momentan nicht der Fall, so ein Sprecher des Inlandsgeheimdienstes. Verfassungsschützer dürfen laut Gesetz nur Bestrebungen beobachten, die „extremistisch“ sind beziehungsweise „kämpferisch“ gegen die hiesige Demokratie agitieren. In Bremen und Niedersachsen haben die zuständigen Innenministerien Materialien und Aussagen von Funktionären ausgewertet und nun eine Beobachtung der AfD-Jugend­organisation „Junge Alternative“ (JA) angeordnet. 

Erlaubt ist dem Inlandsgeheimdienst nun der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel. Dazu gehören das unbemerkte Beobachten von Personen und Veranstaltungen, wobei auch Foto- und Filmaufnahmen gemacht werden können. Auch der Einsatz von V-Leuten, den wichtigsten Hinweisgebern des Verfassungsschutzes, ist möglich. Der Verfassungsschutz darf zudem seine Fahrzeuge mit Tarnkennzeichen und seine Beschäftigten mit Ausweispapieren mit Tarnnamen einsetzen, um sie bei der Nachrichtenbeschaffung zu schützen. Auch das Abhören von Telefonaten ist dem Verfassungsschutz nun erlaubt. „Nach allgemeinem Sprachgebrauch sind Bestrebungen alle auf ein Ziel gerichtete Aktivitäten. Extremistische Bestrebungen im Sinne des Verfassungsschutzgesetzes sind demzufolge Aktivitäten mit der Zielrichtung, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen“, heißt es in einer Erklärung des Dienstes. Die Gesinnung politisch Andersdenkender, die sich darin äußern kann, dass jemand mit Begeisterung kommunistische Literatur lese oder die Bundesregierung kritisiere, berühre den Aufgabenbereich der Verfassungsschutzbehörden nicht.“

Der AfD-Parteivorsitzende Alexander Gauland sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, vor einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz habe er keine Angst. Das werde der AfD nur noch mehr Stimmen bringen. Dass die AfD-Parteijugend in Niedersachsen und Bremen durch den Verfassungsschutz beobachtet wird, bezeichnete er als parteipolitisch motiviert. Die AfD werde die Entscheidungen juristisch anfechten. Der JA-Bundesverband kündigte allerdings an, die beobachteten Landesverbände aufzulösen. „Eine Abgliederung der JA von der AfD in Niedersachsen ist denkbar, bedarf aber einer genauen Überprüfung. Wir gehen jetzt der Frage nach, ob es sich um Einzelfälle innerhalb der JA Niedersachsens handelt oder ob es da ein strukturelles Problem gibt, wovon ich nach jetzigem Stand nicht ausgehe“, erklärte die niedersächsische AfD-Vorsitzende Dana Guth. Sie räumte allerdings auch indirekt ein, dass es innerhalb des Landesverbandes offenkundig Probleme durch personelle Überschneidungen mit der Identitären Bewegung gäbe, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird. „Wir nehmen das nicht auf die leichte Schulter, aber wir möchten auch die Gelegenheit haben, im Einzelfall zu prüfen, welche Mitglieder der Jungen Alternative es betrifft und ob es eventuell Verbindungen zur Mutterpartei gibt“, sagte Guth. 

Dennoch gibt es auch Vermutungen, eine AfD-Beobachtung durch den Verfassungsschutz habe ausschließlich parteipolitische Motive. Die „Süddeutsche Zeitung“ zitierte einen hochrangingen Verfassungsschützer, der erklärte, ihm sei unwohl dabei, wie von manchen Bundespolitikern nach dem Geheimdienst gerufen werde, um das politische Unheil der AfD wieder zu beseitigen. Eine „Instrumentalisierung“ sei das.