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14.09.18 / Gegenwind / Ist die Gemeinsame Agrarpolitik ein Vorbild?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-18 vom 14. September 2018

Gegenwind
Ist die Gemeinsame Agrarpolitik ein Vorbild?
Florian Stumfall

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist das erste große gemeinsame Vorhaben des Brüsseler Konglomerats und dasjenige, das am vollständigsten von der Gemeinschaft organisiert und kontrolliert wird. Bereits zu Beginn, im Jahre 1957, stand es unter einem Unstern. Damals war die Landwirtschaft in den Gründungsländern der EWG samt und sonders in hohem Maße reguliert, und die erste Entscheidung war nicht etwa, möglichst viele überflüssige und schädliche Regeln abzuschaffen, sondern alle zusammenzufassen und auf das neue Gebilde auszudehnen.

Damit war eine ordnungspolitische Entscheidung gefallen, die derjenigen, die in Deutschland zur Sozialen Marktwirtschaft geführt hatte, grundsätzlich widersprach. Das allerdings fiel über viele Jahre nicht auf, und die damalige EWG- und heutige EU-Agrarpolitik nahm und nimmt ihren Fortgang. Zentrale Planung, Protektionismus, Subventionen und Interventionen sind seither ihre Kennzeichen. Eine solche Politik kostet viel Geld, sodass heute 40 Prozent der EU-Ausgaben für die Landwirtschaft aufgewendet werden müssen. Das ist der zweitgrößte Haushaltsposten nach dem Personaletat, selbstverständlich, an dem die Agrarpolitik auch ihren gebührenden Anteil hat.

Für die Landwirtschaft gibt die EU jährlich gegen 60 Milliarden Euro aus. Dieser Zahl entnimmt der Laie, dass die Sorge der Politiker den Bauern und der Kulturlandschaft gilt. Das stimmt aber nur sehr bedingt. In der Dekade von 2003 bis 2013 blieb die landwirtschaftliche Fläche in Deutschland gleich, die Zahl der Betriebe aber schrumpfte um ein Viertel. Seither, in den vergangenen fünf Jahren, hat sich diese Entwicklung beschleunigt fortgesetzt. An ihr ist die zunehmende Konzentration der Betriebe abzulesen. Das entspricht dem Mansholt-Plan aus den 60er Jahren, von dem man sich später zwar abgewandt hat, der aber nach wie vor durch alle nachfolgenden Pläne und Reformen seine Wirksamkeit beibehalten hat. Was der ehemalige Brüsseler Kommissar Sicco Mansholt wollte, ist eingetreten: ein großflächiges Bauernsterben.

Dem entspricht voll und ganz die Wirkweise der aktuellen EU-Agrarpolitik. Sie verteilt Direktzahlungen, die an die Größe der Flächen gekoppelt sind. Die Profiteure davon sind die Großbetriebe, die kleinen, durchwegs von Familien geführten, gehen mehr oder minder leer aus. In Deutschland geht ein Drittel aller Direktzahlungen an die rund zwei Prozent der größten Betriebe. In diesem Zusammenhang wurde sogar die Forderung nach einer früher ökologischen Gegenleistung faktisch fallen gelassen. Jedenfalls sind die damit verbundenen Anforderungen an den Schutz von Natur, Umwelt und Tieren kaum der Rede wert.

So zerstört die Agrarpolitik die natürlichen Grundlagen. Insektensterben, Nahrungsmittel mit Pestiziden und Nitrat im Grundwasser beunruhigen nicht nur den grünbewegten Untergangspropheten. Gerade das letzte Beispiel ist überaus aussagekräftig: Unmittelbar nach dem Besuch des EU-Kommissionschefs Jean-Claude Juncker beim US-Präsidenten Donald Trump beschloss die EU, ihren Import von US-Soja zu vervierfachen. Damit sollte ein Zoll gegen deutsche Autos abgewendet werden. Die Folge: Mit mehr Soja füttern Großbetriebe mehr Rinder, die gesteigert anfallende Gülle belastet das Grundwasser. Mit der einst gepriesenen familiären Landwirtschaft hat das nichts mehr zu tun.

Bauernstreben und damit verbunden ein gewaltiger Umbruch der ländlichen sozialen Struktur, verbunden mit teils skandalöser Tierhaltung und Überbelastung der Natur – das ist die langjährige Bilanz der EU-Agrarpolitik, des Sektors, dem es vor 60 Jahren zugeschrieben war, den Vorreiter einer Politik für das geeinte Europa zu bilden. Nicht eingerechnet ist dabei eine grundsätzliche Überlegung: Zehntausend Jahre lang waren es die Bauern, die wussten, wie man die Landwirtschaft sachgemäß betreibt. In dieser Epoche – und hinein bis in die Neuzeit – bildete die Landwirtschaft den Grundstock des Volkseinkommens. Sie erwirtschaftete Gewinn in unerlässlichem Umfang. Doch seitdem die Bürokraten das Kommando übernommen haben, wurde die Landwirtschaft zum Kostenfaktor. Sie richtet heute Schaden an und kostet Geld, viel Geld. Es ist aber niemand da, der die Sinnhaftigkeit dieses Wandels zu erklären vermag.

Allerdings fordert die EU-Agrarbilanz zu einer weiterführenden Überlegung heraus. Nach dem Willen der EU-Funktionäre wohnt der Agrarpolitik eine beispielgebende Pionieraufgabe inne, und die EU selbst ist nach ihrer Auffassung in ihrer inneren Beschaffenheit nicht vollendet, solange nicht auch alle anderen Wirtschaftszweige nach dem Exempel der Agrarpolitik verfasst sind. Es ist daher der Überlegung wert, was wäre, wenn, um den größten Brocken zu nehmen, die gesamte produzierende Wirtschaft dem Agrarbeispiel folgte. 

Kein Zweifel: Mit Interventionen, Subventionen, zentraler Planung und Protektionismus, wäre schlagartig vernichtet, was sich an marktwirtschaftlichen Elementen bis heute erhalten hat. Denn alle diese marktfeindlichen Werkzeuge werden längst eingesetzt, und die Parallelität zur Landwirtschaft lässt sich ergänzen. 

Hier wie dort geht es gegen die Kleinen. Wenn man feststellen muss, dass es offenkundiges Ziel der EU ist, die bäuerlichen Familienbetriebe auszulöschen, kann man ein ähnliches Bemühen dem handwerklichen Mittelstand gegenüber konstatieren. Eine überkomplizierte Steuergesetzgebung bedrückt kleine Firmen ebenso wie die Pflicht zur Dokumentation auch der marginalsten Vorgänge. Kleinbetriebe werden durch Auflagen in Sachen Sicherheit oder Hygiene oder soziale Vorgaben über Gebühr belastet, viele müssen allein auf Grund derartiger Verordnungen aufgeben.

Weil man aber die Kleinen am leichtesten ruiniert, wenn man die Großen noch größer macht, legt sich die Politik immer schamloser in Mittel, wenn es darum geht, das Wettbewerbsrecht auszuhebeln. Das gilt national wie international. Als es um eine Fusion der beiden großen Lebensmittelketten Tengelmann und Edeka ging, trat einer der seltenen Fälle ein, dass die Kartellbehörde Einspruch erhob. Umsonst. Denn der damalige SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gab eine Ministererlaubnis zu dem Vorhaben. Oder das jüngste Beispiel auf internationalem Parkett: Bayer und Monsanto. Das Wettbewerbsrecht hat ausgedient. 

 „Konkurrenz ist Sünde“, sagte einst John D. Rockefeller, der erste. Diese Aussage gehört zum Glaubensbekenntnis des Kapitalismus, der alles ist, aber keine marktwirtschaftliche Ordnung. Diese nämlich steht und fällt mit dem Wettbewerb, der zunehmend und auf breiter Front zurückgedrängt wird.

Die marktfeindliche Ordnung des Sozialismus ist gescheitert, die ebenso marktfeindliche Ordnung des Kapitalismus scheint zur großen Übernahme anzusetzen. Da man aber einen inneren Zusammenhang zwischen politischen und ökonomischen System annehmen muss, ist abzusehen, dass die Entwicklung in der EU hin zu großen und größten wirtschaftlichen Einheiten und dem Zurückdrängen der Konkurrenz auch eine politische Entwicklung darstellt, die zur Zentralisierung und Monopolisierung führt. Eine freiheitliche Ordnung kann so etwas nicht sein, allen schönen Sonntagsreden zum Trotz.