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14.09.18 / »Wir vergessen unsere Wurzeln nicht« / Der polnische Präsident zeigt sich beim Wahlkampf im geteilten Görlitz geschichtsbewusst

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-18 vom 14. September 2018

»Wir vergessen unsere Wurzeln nicht«
Der polnische Präsident zeigt sich beim Wahlkampf im geteilten Görlitz geschichtsbewusst
Chris W. Wagner

Am 6. September sang die Musikgruppe Grenzland (Pogranicze) aus dem polnischen Teil der Neißestadt Görlitz [Zgorzelec] zur Begrüßung des polnischen Präsidenten Andrzej Duda: „Es singt dir nun ein fremder Wind, begeistert eine schöne Welt, doch dein Herz hat Sehnsucht. Weit weg von hier blieb dein Haus und dort ist es am schönsten. Dort blühen unter polnischem Himmel heimatliche Blumen in deren Duft und Schönheit Polen verborgen ist“. Was für Polen selbstverständlich ist – eben das Oberhaupt mit patriotischen Liedern zu begrüßen – löst bei Deutschen zumindest Verwunderung aus. „Man müsse sich mal vorstellen: Präsident Steinmeier besucht zum Beispiel Königswinter oder Vechta und ein Vertriebenenchor singt dabei Heimatlieder“, lächelte der Görlitzer Matthias Wehnert, der den Besuch des Präsidenten fotografisch dokumentierte.

Polen steht vor Kommunalwahlen, und die Politiker sind auf Wählerfang unterwegs. „Wenn das polnische Staatsoberhaupt unsere Nachbarstadt besucht, sollte man es sich zumindest anschauen“, so Wehnert. 

„Andrzej Duda“ skandierten die polnischen Görlitzer, als der Präsident den Parkplatz neben dem Polizei- und Landratsamtsgebäude betritt. Hier, neben der einstigen Kleist-Kaserne, schwenkten Kinder und Erwachsene polnischen Fahnen und Schüler in Galakleidung (weiße Bluse oder Hemd und dunkle Stoffhose oder Rock), Pfadfinder in Uniformen sowie viele Ältere sangen zur Begrüßung „Hoch soll er leben“ und dann die polnische Hymne. 

Gastgeberin war Landrätin Urszula Ciupak. Sie betonte, dass man es von Görlitz aus näher nach Prag, Berlin oder Pressburg als nach Warschau habe und deshalb stolz auf den hohen Besuch sei. „Wir befinden uns hier in der Oberlausitz, wo vor 1000 Jahren Boleslaus der Tapfere (Boleslaw Chobry) im unweit gelegenen Bautzen Frieden mit Kaiser Heinrich II. schloss und damit dieses Land an Polen angeschlossen wurde“, so Ciupak. Sie erinnerte, dass nach Kriegsende Menschen aus vielen Teilen Polens in die „wiedergewonnenen Gebiete“ kamen. „Wir vergessen unsere Wurzeln nicht, diese Erinnerung ist der Grundstock unserer Identität und des Bewusstseins woher wir stammen und wer wir sind“, so Ciupak. 

Präsident Duda war sich ebenfalls bewusst, wo er zu Besuch war. Er erinnerte sich, als er zum ersten Mal 2009 über die Altstadtbrücke in den deutschen Teil der Stadt ging und welche Gefühle dies in ihm weckte: „Man konnte einfach so rüber gehen, ohne dass man kontrolliert wurde. Ich habe daraufhin meine Ehefrau Agata zwei Mal hierher gebracht, denn ich wollte ihr den Ort zeigen, wo so stark das Herz des vereinten Europas schlägt und wo dieses so sichtbar ist. Und wer sich noch an Zeiten erinnert als es den eisernen Vorhang gab, als hier eine Grenze war und man kein Pass bekommen konnte, der schätzt die Veränderung und was erreicht wurde“, so Duda. Auch der Präsident ging auf die Herkunft der Bewohner ein und sagte: „Ihr seid unter Zwang aus den polnischen Ostgebieten hierhergekommen, aus der Umgebung von Tarnopol, Lemberg, Stryj, Stanislau, habt dort Eure Häuser und die vertraute Heimat verlassen, aber Ihr habt etwas mitgebracht: das Polentum, eure Kultur und den Arbeitsethos, unseren Glauben – all das, was wirklich wichtig ist, was überdauert und das Überleben in einem Land, das früher anderen gehörte, erst ermöglicht“. 

Erwartungsgemäß spulte Duda auch das Wahlprogramm der Regierungspartei ab und erntete dafür von den Wohlgesinnten Applaus und den Widersachern Buhrufe. 

„Ich habe nicht viel verstanden, aber die Versammelten haben mir bereitwillig erklärt, wer zum Beispiel die Bannerträger auf der Bühne waren oder wer auftrat. Die Menschen freuten sich, dass sich auch deutsche Görlitzer für den Besuch des polnischen Oberhauptes interessieren“, berichtete Wehnert, dem seine polnischen Pressekollegen sogar Platz auf der Medientribüne machten.