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21.09.18 / Sieg der Windmühlen / Nach 20 Jahren erscheint endlich der Quijote-Film eines Monty-Python-Regisseurs

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-18 vom 21. September 2018

Sieg der Windmühlen
Nach 20 Jahren erscheint endlich der Quijote-Film eines Monty-Python-Regisseurs
Harald Tews

Das hat aber gedauert: Nach 20 Jahren kommt am 27. September der Film „The Man Who Killed Don Quixote“ (Deutsch: Der Mann, der Don Quijote tötete) in die Kinos. Die Entstehungsgeschichte, eine der längsten der Kinogeschichte, ist dabei lustiger als die Komödie selbst.

29 Jahre lang rannten die Macher eines britisch-kanadisch-US-amerikanischen Animationsfilms vergeblich gegen die Windmühlen des Filmgeschäfts an. Fi­nanzierungsprobleme und Hindernisse bei der technischen Um­setzung des Animationsverfahrens sorgten dafür, dass die 1964 begonnene 1001-Nacht-Geschichte „Der Dieb und der Schuster“ erst 1993 beendet werden konnte. Der zeitliche Aufwand resultierte in einem schwachen 90-minütigen Filmchen, das nur deshalb bekannt wurde, weil es den offiziellen Rekord mit der längsten Produktionsgeschichte hält.

Als der Film nach fast drei Jahrzehnten herauskam, brach er den von Leni Riefenstahl gehaltenen Rekord. Ihr letzter Kinofilm „Tiefland“ kam auf eine Produktionszeit von 20 Jahren. 1934 begonnen, verzögerten sich die Filmaufnahmen durch Einwände von Goebbels gegen das Filmskript, Ab­sagen von Schauspielern – Riefenstahl übernahm schließlich selbst die weibliche Hauptrolle – sowie den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und die Zerstörung des Filmstudios in Babelsberg. Nach dem Krieg zuerst von der französischen Besatzungsmacht konfisziert, konnte Riefenstahl erst in den 50ern an den Schnitt des Drehmaterials gehen und den auf einer französischen Oper basierenden Film 1954 in Stuttgart uraufführen lassen.

Inzwischen teilt sich Terry Gilliam den zweiten Rang mit der deutschen Regisseurin. Der US-Regisseur, der 1969 zu den Mitbegründern der britischen Komikgruppe Monty Python zählte, war schon seit 1998 dabei, einen „Don Quijote“-Film zu drehen. Rechnet man bis ins Jahr 1989 zurück, als er mit der Arbeit am Drehbuch begann, würde er sich sogar Platz eins mit „Der Dieb und der Schuster“ teilen.

Die offizielle Zeitrechnung be­ginnt aber damit, wenn die Finanzierung für einen Film steht. Nachdem Gilliam vor 20 Jahren Geldgeber für sein Projekt gewinnen konnte, starteten nach einer Vorbereitungsphase im Jahr 2000 in Spanien die Dreharbeiten, die aber unter keinem guten Stern standen. Am ersten Tag störten Tiefflieger eines nahen NATO-Stützpunkts die Aufnahmen, am zweiten Tag überflutete ein Re­genguss das gesamte Filmset, und am fünften Tag erlitt der französische Hauptdarsteller Jean Rochefort einen Bandscheibenvorfall. Folge: Reitverbot.

Ein Don Quijote ohne sein Pferd Rosinante? Undenkbar. Die Dreharbeiten mussten abgebrochen werden. Davon profitierte der erfolgreiche Dokumentarfilm „Lost in Mancha“, der im Jahr 2002 Gilliams Scheitern äußerst vergnüglich ins Kino brachte.

Weitere Versuche, den Film zu realisieren, scheiterten, weil die anfangs eingeplanten Schauspieler wie Johnny Depp als Sancho Panza nicht mehr verfügbar waren, an Krebs erkrankten wie der neue Hauptdarsteller John Hurt oder es zu einem Rechtsstreit mit einer deutschen Versicherung kam, an die nach dem Abbruch der Dreharbeiten die Filmrechte übergegangen waren.

Im Jahr 2016 war der Streit beigelegt, mit dem Briten Jonathan Pryce ein neuer Don Quijote 

– Jean Rochefort starb 2017 im Alter von 87 Jahren – und mit Adam Driver ein neuer Sancho Panza gefunden. Und auch das Drehbuch wurde aufgepeppt. Ur­sprünglich war vorgesehen, dass ein moderner Zeitgenosse per Zeitreise im ausgehenden Mittelalter landet, wo ihn Don Quijote als seinen treuen Begleiter Sancho Panza unter Beschlag nimmt. Der inzwischen 77-jährige Gilliam hatte nach seinem Mitwirken an den Monty-Python-Klassikern „Die Ritter der Kokosnuss“ und „Das Leben des Brian“ das Prinzip der Zeitreise 1981 in seinem Film „Time Bandits“ schon äu­ßerst erfolgreich in Szene gesetzt. Damals stibitzte sich eine Gruppe Kleinwüchsiger durch die Zeit Napoleons, Robin Hoods oder die des antiken Königs Agamemnon.

Um Kosten zu sparen, die entstanden wären, hätte man moderne Windräder, Strommasten oder Tiefflieger der alten Zeit wegen wegretuschiert, lässt Gilliam seinen Don Quijote in der Neuzeit gegen Windmühlen antreten. In der Figur des von Driver gespielten Regisseurs Toby, der jetzt bei Dreharbeiten zu einem Quijote-Film per Tagträume und Kopfnüsse selbst zum Esel-reitenden Sancho Panza wird, verpackt Gilliam ironisch auch seinen eigenen Kampf gegen die Windmühlen der vergangenen 20 Jahre. Tobys Affäre mit der Frau des Produzenten oder ein Oli­garch, der sein eigenes kleines Schutzgeldimperium errichtet hat, sind nur einige der Seitenhiebe auf Geldgeber und Versicherungen.

Letztlich fällt der Kampf gegen die Windmühlen ziemlich dürr aus, und der gequälte Witz versengt unter Spaniens heißer Sonne. Gilliam sieht sich selbst als Sancho Panza des Filmgeschäfts. Sein Versuch, Don Quijote aufs Pferd zu setzten, scheiterte nicht nur an den früheren Widerständen, er scheitert jetzt daran, dass Gilliam nicht mehr die hu­moristische Kraft aus seiner Monty-Python-Zeit besitzt. So ist der Mann, der Don Quijote „killt“, Gilliam selbst. Dieser Film wird wohl nur wegen seiner langen Entstehungsgeschichte in Erinnerung bleiben. Legendär ist er deswegen jetzt schon.