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21.09.18 / »Gerechter unter den Völkern« / Ehrung für den Diplomlandwirt Hans Feyerabend für seinen Versuch, Juden zu retten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-18 vom 21. September 2018

»Gerechter unter den Völkern«
Ehrung für den Diplomlandwirt Hans Feyerabend für seinen Versuch, Juden zu retten
Gerhard Fischer

Bereits seit Juli 2004 gibt es im mecklenburgischen Göhren bei Woldegk im alten Zollhaus eine Gedenkstätte für Landwirte und Mecklenburger im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Am 20. Juli fand anlässlich des 74. Jahrestags des gescheiterten Attentats auf Hitler eine Feierstunde „Gegen das Vergessen“ statt. In der Ausstellung werden die Schicksale von 121 Menschen dokumentiert, 59 von ihnen wurden ermordet. Besonders berührend: Einer der Widerständler war Ulrich Graf von Schwanenfeld, Gutsbesitzer aus Göhren. Er wurde noch am selben Tag des misslungenen Attentats festgenommen und am 

8. September 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Seit 1987 steht ein Gedenkstein im Schloss-park von Göhren und ist Bestandteil des Gedenkortes.

Der Ostpreuße Gerhard Fischer, Landwirt aus Zanderlacken, Kreis Labiau, jetzt Rostock, erinnerte während der Feierstunde an Hans Feyerabend aus Palmnicken. Auch ihm ist eine Tafel in der Gedenkstätte gewidmet.

Am 16. Juli 1882 wurde Hans Feyerabend in einer ostpreußischen Gutsbesitzerfamilie geboren. Nach der Schulzeit und landwirtschaftlichen Lehre folgte die Tätigkeit als landwirtschaftlicher Beamter auf verschiedenen ostpreußischen Gütern. 1912 wurde er mit der Leitung der Domänengüter der Staatlichen Bernsteinwerke Palmnicken betraut (1400 Hektar).

Feyerabend war ein begnadeter Fachmann, dessen größte Stärke auf dem Gebiet der Rinderzucht lag. Zu seinen bekanntesten Züchtungen zählte die Kuh „Quappe“, die zeitweilig weltweit und in Ostpreußen die stärkste Leistungskuh war (14708 Kilogramm Milch in einem Jahr).

1934 wählte ihn die ostpreußische Herdbuchgesellschaft zu ihrem Vorsitzenden – bis zum Verlassen der Heimat.

Im Januar 1945 rückte die Rote Armee sehr rasch in Ostdeutschland Richtung Westen vor. 7000 weibliche, jüdische Häftlinge Osteuropas, die zeitweilig im Konzentrationslager Sturthof bei Danzig inhaftiert waren, wurden auf den Fußmarsch nach Königsberg und von dort nach Palmnicken (an der Ostsee) getrieben. Ungefähr 4000 Häftlinge überlebten den 200 Kilometer langen Fußmarsch nicht. Man hatte vor, die restlichen 3000 Häftlinge in einem stillgelegten Stollen der Bernsteingrube einzumauern und damit zu vernichten. Das grausame Vorhaben der SS-Führer scheiterte am Widerstand des Güterdirektors Feyerabend. Er weigerte sich, den Stollen für das Verbrechen freizugeben, stellte die Werkschlosserei als Unterkunft zur Verfügung und ließ Lebensmittel für die Ausgehungerten verteilen.

Unterdessen wurde der Volkssturmkommandant zu einem militärischen Rapport befohlen oder gelockt. Diese Zeit ausnutzend, trieben die SS-Leute in der Nacht zum 31. Januar 1945 die jüdischen Gefangenen in die eisige Ostsee und ließen diese beschießen. Einige konnten sich im Chaos der Nacht retten, wurden jedoch von der SS, von der palmnicker Hitlerjugend und einigen hilfswilligen Einwohnern aus den Verstecken geholt. Nur wenige Menschen überlebten das Massaker von Palmnicken.

Auf dem Weg zu dem befohlenen Ort fiel Hans Feyerabend am 30. Januar 1945 mit unbekannter Todesursache.

Viele Jahre erfuhr die Öffentlichkeit nichts von der Tat, selbst die Familie in dritter Generation wusste nichts vom Widerstand des Hans Feyerabend.

Anfang der 1960er Jahre wurde in Lüneburg ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, bald aber wieder eingestellt.

Der Sohn des palmnicker Küs-ters, Martin Bergau (HJ), der mit 16 Jahren zum Wachdienst der Gefangenen eingeteilt war, schrieb bereits 1994 ein Buch über das Massaker. Dieses Buch blieb von der Öffentlichkeit unbeachtet

Am 1. März 2000 griff die „Zeit“ das Buch benutzend auf und veröffentlichte einen Artikel „Apokalypse in Ostpreußen“. Nun war die deutsche Öffentlichkeit informiert und auch der israelische Staat.

Im Jahre 2014 zeichnete die israelische Regierung Hans Feyerabend posthum zum „Gerechten unter den Völkern“ aus. Das ist die höchste Auszeichnung, die der israelische Staat an ausländische, nichtjüdische Menschen vergibt, die während des Holocaust ihr Leben riskierten, um Juden zu retten. 

In einer Feierstunde am 25. November 2015 wurde in Anwesenheit des regierenden Bürgermeisters von Berlin, Michael Müller, durch den israelischen Botschafter in Deutschland die Urkunde und die Auszeichnung posthum an die Enkelin von Hans Feyerabend übergeben. Nur wenige deutsche Landwirte haben diese Auszeichnung erhalten. 

In Palmnicken, jetzt Jantarny, gibt es an der Stelle unterhalb der ehemaligen Bernsteinabbau-Grube Anna zwei Denkmale.