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28.09.18 / Auf eine Tasse Kaffee / Cafés haben in Triest eine auf die Habsburger beruhende Tradition – Ein Spaziergang durch die Stadt und ihre Geschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-18 vom 28. September 2018

Auf eine Tasse Kaffee
Cafés haben in Triest eine auf die Habsburger beruhende Tradition – Ein Spaziergang durch die Stadt und ihre Geschichte
Bodo Bost

Die Kaffeehauskultur ist das sichtbarste Zeichen der österreichischen Vergangenheit von Triest. Österreichs einstiger Mit­telmeerhafen, der einige Jahre auch zu Jugoslawien gehört hat, ist jetzt Italiens Tor zum Balkan.

Fünf Jahrhunderte Zugehörigkeit zum Habsburgerreich haben ihre Spuren in der Architektur und den altösterreichisch anmutenden Kaffeehäusern hinterlassen. Bis heute sind die altehrwürdigen Kaffeehäuser von Triest beliebte Treffpunkte. Die Cafés San Marco oder Tommaseo könnten ebenso gut in Wien oder Budapest stehen. 

Die lange und innige Beziehung der Triester zum Kaffee liegt an der Lage ihrer Stadt: Als einer der wenigen Häfen des Habsburgerreichs war Triest Hauptimportstelle für die koffeinhaltige Bohne für das ge­samte Habsburgerreich, und noch heute rühmt sich Triest, italienweit jene Stadt mit dem höchsten Pro-Kopf-Konsum an Kaffee zu sein. Ein ungarischstämmiger Italiener war es auch, der in Triest eine der bekanntesten Kaffeefirmen gründete: Illy. Nirgends im Land wird mehr Kaffee verbraucht als hier, pro Kopf zehn Kilogramm im Jahr. 

Laut einer Umfrage vor einigen Jahren weiß die Mehrheit der Italiener gar nicht, dass „Trieste“, wie es im Italienischen heißt, in ihrem Land liegt. Dabei gehört die Stadt seit 1918 zu Italien, seit 1962 ist sie die Hauptstadt von Friaul-Julisch Venetien, einer Re­gion, die auch nach mehr Eigenstaatlichkeit strebt. Allerdings gilt es eben auch als das „Wien am Meer“. Die Architektur der Hafenstadt erinnert tatsächlich an die österreichische Hauptstadt, nur dass keine Fiaker über die Straßen zuckeln, sondern Vespas durch die steilen Gassen brettern.

Weil in den Kriegen kaum etwas zerstört wurde, machen die Fassaden der herrschaftlichen Häuser die Stadt zur Kulisse vieler historischer Filme der Jahrhundertwende. Auf einer Brücke am Canal Grande, der an Venedig erinnert, steht ein Denkmal von James Joyce. Der irische Schriftsteller lebte vor dem Ersten Weltkrieg als Englischlehrer in Triest, sprach neben Deutsch und Italienisch sogar Triestino, den örtlichen Dialekt. Joyce arbeitete hier an seinem Meisterwerk „Ulysses“, er ging gerne in Cafés, wo er seinen älteren Schriftstel­lerkollegen Ettore Schmitz traf, den Mann, der unter dem Pseudonym Italo Svevo – der „italienische Schwabe“ – zu Triests be­deutendstem Romanautor wurde. 

1918 fiel Triest an Italien, bis es nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Internationale Zone an Jugoslawiens Diktator Tito ging. Erst 1954 kam es zu Italien zurück. Das direkte Hinterland schon wenige 100 Meter hinter der Stadtgrenze fiel an Jugoslawien, heute Slowenien.

Die größte Touristenattraktion Triests ist Schloss Miramare, auch dies eine Hinterlassenschaft des Habsburgerreiches. Es wurde einst im Auftrag von Erzherzog Ferdinand Maximilian von Österreich, dem Schwager von Kaiserin Sisi, der als Kaiser von Mexiko starb, gebaut. Fünf Kilometer vor der Stadt ragt es ins Meer und besitzt noch eine Einrichtung wie im 19. Jahrhundert. Sisi begegnet man in Triest übrigens auch. Die aus Bayern stammende österreichische Kaiserin begrüßt auch heute noch die Reisenden am Bahnhof – als riesige Statue vor dem Gebäude.

Die Stadt verdankt ihre ge­schichtliche Bedeutung aber nicht Sisi, sondern Karl dem Großen. Im Jahr 774 unterwarf er die germanischen Langobarden und etablierte das (karolingische) Königreich Italien, das er 806 seinem Sohn Pippin übertrug. Viele hauptsächlich fränkische und bayerische Adelsgeschlechter wurden als Lehensnehmer der deutschen Könige respektive römisch-deutschen Kaiser als Grafen, Markgrafen oder Herzöge in Kärnten und in Friaul eingesetzt oder erhielten Vogteien. 

952 war Friaul vom Königreich Italien abgetrennt und mit Bayern vereinigt worden, 976 kam es zum neugeschaffenen Herzogtum Kärnten. Das auf dem Reichsgebiet gelegene Patriarchat Aquileja war nun ein wichtiger Stützpunkt deutscher Herrschaft in Oberitalien. Die Patriarchen siedelten Bauern aus Kärnten in den von den Ungarn verheerten Küstenebenen Friauls an, bauten die Plöckenpassstraße aus und versahen sie mit einer Kette von Wachtürmen, um den Handelsverkehr aus alter römischer Zeit wiederzubeleben. 

Die einstige Patriarchenstadt Aquileja war seit dem großen Erdbeben von 1348 faktisch zu einer Ruinenstadt heruntergekommen, einen Großteil ihrer einst 100000 Einwohner aus rö­mischer Zeit hatte sie schon vorher verloren. Nur die Patriarchatskirche, die offiziell als solche bis 1751 fungierte, wurde immer wieder aufgebaut. Die Stadt vegetierte unter mittelalterlichen und römischen Ruinen dahin, erst unter der Habsburgerherrschaft wurde im 19. Jahrhundert mit den Ausgrabungen begonnen, die heute das Stadtbild prägen. 

Triest stand lange im Schatten von Aquileja und Venedig. Nach einer Reihe von Konflikten mit Venedig stellte sich die Stadt 1382 unter den Schutz Leopolds III. von Österreich. Von 1382 bis 1918 gehörte Triest zur Habsburgermonarchie beziehungsweise zu Österreich-Ungarn. Es war Sitz des Statthalters des Österreichischen Küstenlandes (Litorale) beziehungsweise der 1861 daraus gebildeten drei Kronländer Ge­fürstete Grafschaft Görz und Gradisca, Markgrafschaft Istrien und Reichsunmittelbare Stadt Triest. Die Habsburger bauten Triest in 500 Jahren zur Hafenstadt der Donaumonarchie aus. Hier lag auch ein Teil der österreichischen Kriegsmarine in Friedenszeiten.

Die neun Jahre Zugehörigkeit zu Jugoslawien scheinen heute die Stadt mehr geprägt zu haben als die 500 Jahre Zugehörigkeit zu den Habsburgern. Slowenisch ist heute die zweite Sprache nach Italienisch in Triest. Früher war das Deutsch. Vor allem seit Slowenien 2007 Mitglied des Schengener Abkommens wurde, hat sich das Stadtbild entschieden verändert. Zirka 10000 Slowenen und Kroaten überqueren täglich ohne Passkontrolle die Grenze, weil sie in Trst, so heißt die Stadt auf Slowenisch, arbeiten. 

Aber auch im slowenischen Hinterland leben viele ethnische Italiener, die sich nach dem Zerfall Jugoslawiens wieder mehr auf ihre Identität besinnen und heute auch italienische Pässe erhalten. Istrien galt früher sogar als kleiner Mikrokosmos des gesamten Balkan, viele Völker lebten hier, auch Rumänien, Griechen, Deutsche etc.