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28.09.18 / Historischer Leckerbissen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-18 vom 28. September 2018

Historischer Leckerbissen
Silvia Friedrich

Als Berlin 1247 erstmals urkundlich erwähnt wurde, rühmten sich andere Städte schon einer teilweise 1000-jährigen Vergangenheit. Und dennoch: Die heutige deutsche Hauptstadt wurde ein Schicksalsort für Millionen von Menschen. „Dass Berlin einmal diese enorme Bedeutung für die deutsche Geschichte erhalten wird, war dem Ort anfangs beileibe nicht anzusehen“, so der Autor Armin A. Woy in seinem Buch „Berliner Schicksalsorte. 42 Orte, die Geschichte machten“ aus dem Elsengold Verlag. 

Der Autor, der seit Jahrzehnten als Berliner Stadtführer wirkt, lädt in seinem Buch zu Stadtspaziergängen der ganz außergewöhnlichen Art ein. Die Besichtigungen umfassen 700 Jahre Stadtgeschichte und zeigen manchem vielleicht erstmals Orte, an denen er ansonsten ahnungslos vorbeigegangen wäre. 

Los geht es im Jahre 1325 nah bei der Marienkirche mitten in der Hauptstadt. Dort steht ein steinernes Kreuz, das schon ganz verwittert ist. Dass es sich um ein Sühnekreuz handelt, wissen die wenigsten. Am 16. August des Jahres kam es hier zur Erschlagung des Domprobstes Nikolaus Cyriacus von Bernau durch die wütenden Berliner. 

Warum die Stadtbewohner zu diesen drastischen Mitteln griffen und der Platz vor der Kirche so zu einem Schicksalsort wurde, ist gleich im ersten Abschnitt des Werkes nachzulesen. Schon 1448 gab es in Berlin eine Schlossbaustelle, und damals wie heute waren die Bewohner der Stadt damit nicht einverstanden. Seinerzeit fluteten die wutentbrannten Bürger die Baustelle, was schließlich als „Berliner Unwille“ in die Geschichte eingehen sollte. 

Der 1. November 1539 gilt als Einführung der Reformation in der Mark Brandenburg. An diesem Tag nahm Kurfürst Joachim II. das Abendmahl in beiderlei Form zu sich. Ob sich das Ereignis in Spandau oder Berlin abspielte, ist jedoch ungewiss. Der Autor setzt als Schicksalsort die St. Nikolaikirche in Spandau und berichtet über deren Geschichte.

Durch die Jahrhunderte begleitet der Leser besondere Ereignisse dieser immer größer werdenden Stadt. Man wird Zeuge, als 1730 im Schloss Köpenick das Kriegsgerichtsverfahren gegen Kronprinz Friedrich stattfindet, begrüßt 1732 mit König Friedrich Wilhelm I. in Zehlendorf die Salzburger Emigranten, protestantische Auswanderer, die der König hier willkommen heißt, ist dabei, als Prinzessin Luise 1793 begleitet von der jubelnden Menge per Kutsche in Berlin einzieht und schaut zu, als Napoleon 1806 durchs Brandenburger Tor reitend die Stadt erobert. 

Auch das 20. Jahrhundert bietet eine Fülle an denkwürdigen Orten in Berlin, die es sich anzuschauen lohnt. Zwei Weltkriege, Attentate, Aufstände, Mauerbau, der Besuch Kennedys, Studentenrevolte bis hin zum Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz im Jahr 2016: Das Buch zeigt anhand von Schauplätzen die wechselvolle Geschichte der Stadt. Schön auch, dass bei allen Orten der heutige Zustand erläutert wird. Abbildungen und zahlreiche Fotos machen so ein Auffinden und Wiedererkennen leicht möglich. 

Dass Berlin eine Menge Geschichte unter dem Straßenpflaster birgt, weiß jeder. Wo sich diese Stellen verbergen und wo man suchen muss, wissen allerdings selbst viele Berliner nicht. Für historisch interessierte Leser ist dieses Werk ein Leckerbissen der besonderen Art.

Armin Woy: „Berliner Schicksalsorte. 42 Orte, die Geschichte machten“, Elsengold Verlag, Berlin 2018, gebunden, 176 Seiten, 20 Euro