25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.10.18 / Spaltpilz für die Südtiroler Volkspartei / Wien will Südtirolern die österreichische Staatsbürgerschaft anbieten – Italien protestiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-18 vom 05. Oktober 2018

Spaltpilz für die Südtiroler Volkspartei
Wien will Südtirolern die österreichische Staatsbürgerschaft anbieten – Italien protestiert
Florian Stumfall

Die Südtiroler eignen sich unter vielem anderen als kleines Exempel der Staatsbürgerkunde, nämlich zur Unterscheidung zweier Begriffe, die meistens durcheinandergeworfen werden: Sie haben italienische Staatsbürgerschaft und sind von Nationalität deutsch. Auf diese formal einfache Regelung will nun die schwarz-blaue Regierung in Wien Einfluss nehmen.

Einfach nämlich ist diese Regelung deshalb nur im formalen Sinne, weil bei Weitem nicht jeder Südtiroler wegen seines italienischen Passes, den er in der Tasche trägt, auch italienisch empfindet. Im Grunde kommt das nur bei seltenen Ausnahmen vor, unbestritten dominant wird die Zugehörigkeit zum deutschen Kulturkreis empfunden und im Speziellen gilt vielen Menschen die Teilung Ti-

rols als offene Wunde. Nun hat die österreichische Regierung – seit jeher in der Rolle des Anwalts der Südtiroler in Streitfragen mit Rom – beschlossen, auf Wunsch den deutschen und ladinischen Südtirolern auch die österreichische Staatsbürgerschaft zu geben, wobei sie die italienische behalten könnten. Die Ladiner sind eine kleine Minderheit in der Minderheit vor allem im Grödnertal, die sich ungeachtet ihrer romanischen Herleitung den deutschen Südtirolern näher verbunden fühlt als den Italienern. So drucken die „Dolomiten“, die deutschsprachige Südtiroler Tageszeitung, jede Woche eine ganze Seite für die Ladiner, auf Ladinisch, versteht sich.

In Rom herrscht wegen der Wiener Pläne helles Entsetzen. Der Minister für parlamentarische Beziehungen, Riccardo Fraccaro, spricht von einer „unangebrachten und feindseligen Initiative“, und der Lega-Chef in Südtirol, Massimo Bessone, wittert einen Spaltungsversuch. „Unsere Partei steht allen drei Sprachgruppen offen“, beteuert er. „Daher sind wir gegen einen Pass, der nur deutschen oder ladinischen Südtirolern gewährt wird und der Bürger erster und zweiter Klasse schaffen würde.“

Nun ist es zwar richtig, dass die Lega allen offensteht, aber nicht alle wollen damit zu tun haben. Die Südtiroler nämlich haben mit der italienischen Rechten bis hin zu den Faschisten schlimme Erfahrungen gemacht. Unter Benito Mussolini galten sie als nationaler Auswurf und wurden mit stillschweigender Billigung Adolf Hitlers massiv unterdrückt. Auch in der heutigen Republik gilt die Regel: Gefahr für Südtirols schwer erkämpfte Autonomie droht weitaus mehr von der italienischen Rechten als von der Linken.

Doch nicht nur die römischen Regierungsparteien könnten gerne auf den Vorstoß aus Wien verzichten, auch die über Jahrzehnte unangefochtene Südtiroler Volkspartei (SVP) – aufs Engste verbunden mit der bayerischen CSU – hat damit ihre Sorgen. Denn sie belebt einen inneren Zwist, der seit dem Jahre 1986 andauert. Damals hatte der legendäre Südtiroler Landeshauptmann, also so etwas wie Ministerpräsident, mit dem italienischen Namen Silvius Magnago das sogenannte Paket durchgesetzt, die Autonomie-Bedingungen für Südtirol, die heute noch die Grundlage für das Verhältnis zwischen Bozen und Rom bilden. 

Das Paket war das Erreichbare, ein pragmatisches Ergebnis und allemal besser als das Bombenwerfen der „Bumser“ auf der Tiroler Seite sowie Gewalt und Folter von Seiten der italienischen Justiz und Polizei. Doch damals, 1986, hatten sich die Gebirgsschützen von Magnago und dem Paket abgewandt und hinderten ihren eigenen Landeshauptmann auf dem Parteitag in Meran daran, das Paket zu erläutern. Nur mit großer Mühe konnte die Einheit wieder hergestellt werden, und ein Riss blieb zwischen denen, die sich den Verhältnissen fügen und den anderen, welche die Loslösung Südtirols von Italien und die Wiedervereinigung Tirols verlangen. Der Wiener diplomatische Vorstoß träufelt daher Säure in die Tiroler Wunde. Obendrein kommt er zu einem besonderen Zeitpunkt. Denn am 21. Oktober sind Landtagswahlen, und das lenkt den Blick auf die heutigen Mehrheiten. Die SVP hatte vor fünf Jahren erstmals seit 1948 ihre absolute Mehrheit verloren und war eine Koalition mit dem Partito Democratico eingegangen, einer linkskatholisch-liberalen Gruppierung, die für alles und jedes steht.

Leicht ist allerdings festzustellen, an wen die SVP ihre Stimmen hatte abgeben müssen, nämlich die „Freiheitlichen“ und die „Süd-Tiroler Freiheit“. Diese beiden treten für die Loslösung des Landes von Italien ein. Nicht nur sie betrachten das Angebot eines österreichisch-italienischen Doppelpasses als eine Belebung der Separationsfrage – sie mit hoffnungsvoller Zustimmung, die italienische Seite von rechts bis links mit schroffer Ablehnung. Dazwischen steht die SVP. Denn der Riss „Loslösung oder nicht“, der die bürgerlich-konservativen deutschen Parteien in Südtirol trennt, ist für die Volkspartei gefährlicher als für die anderen beiden. Denn diese können, um ihrer Wähler willen, auf ihrer Forderung beharren. Doch die SVP kann das nicht in dem Maße, da sie dem Paket ein ewiges Leben zusprechen müsste, und das ist nicht möglich.

Jedenfalls zeigt Südtirol zweierlei: Von der friedensstiftenden Rolle der EU spürt man nichts. Brüssel kann das Heimatgefühl und die Zugehörigkeit zu einer Nation nicht ersetzen. Solche Vorstellungen waren von jeher Illusionen, weil in ihnen verschiedene Begriffe sinnlos gleichgesetzt wurden, die zu wenig miteinander zu tun haben.

Das zweite: Zumindest die Befürworter eines doppelten Passes für hier lebende Türken sollten sich aller Kritik an Wien enthalten, das schließlich Tirolern ihre angestammte Staatsangehörigkeit zurückgibt. Wer aber im Falle Südtirol Gefahren wittert, sollte sich im Falle der Türkei nicht ahnungslos zeigen. Hier nämlich, mit einem fremden Kulturkreis, sind die Probleme um ein Vielfaches größer.