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05.10.18 / »Die Politik ist gefordert« / BDI wirft Bundesregierung Selbstbeschäftigung statt Einsatz für die deutsche Wirtschaft vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-18 vom 05. Oktober 2018

»Die Politik ist gefordert«
BDI wirft Bundesregierung Selbstbeschäftigung statt Einsatz für die deutsche Wirtschaft vor
Peter Entinger

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat die Bundesregierung wegen ihrer wiederkehrenden Streitigkeiten kritisiert und ihr Untätigkeit in der Wirtschafts- und Steuerpolitik vorgeworfen. 

„Eine Regierung im ständigen Selbstgespräche-Modus, das bedeutet Stillstand“, sagte BDI-Präsident Dieter Kempf anlässlich seiner Rede beim „Tag der Deutschen Industrie“ (TDI). „Eine große Koalition, die sich vor allem mit hausgemachten Krisen zu beschäftigen scheint, nützt niemandem.“ Die Regierung solle ihre Kraft fürs Regieren einsetzen und nicht fürs Opponieren innerhalb der Regierung, kritisierte der Chef der Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Eine zögerliche Wirtschaftspolitik sei Gift für die Konjunktur. „Wir brauchen eine Politik, die nicht nur verwaltet, sondern beherzt den Kurs unseres Landes bestimmt“, sagte er. Die Große Koalition sei zerstritten und zu sehr mit hausgemachten Krisen beschäftigt.

Kempf erklärte, in Deutschland herrsche die Haltung vor, die Wirtschaft sei stabil und das werde auch so bleiben. Dabei seien Handelskriege wie mit den USA Vorboten einer sich radikal wandelnden Werteordnung. Dies müsse die Politik einsehen. Die deutsche Industrie sei zwar noch in einer robusten Verfassung, die Konjunktur laufe aber nicht mehr so rund wie erwartet. „Die Politik ist gefordert – sie muss mehr Wirtschaft wagen.“ Viele in der Politik hätten sich an Konjunkturrekorde in Deutschland gewöhnt. Es komme aber nun auf „Wachstumsvorsorge“ an.

Ausdrücklich warnte der Industrie-Boss in seiner Rede vor Nationalismus, Fremdenhass und Abschottung. „In unserer Gesellschaft darf Fremdenhass keinen Platz haben“, sagte Kempf. Ein „angeblich heimatliebender Nationalismus, der gegen Zuwanderung und Freihandel mobilisiert“, sei der falsche Weg und schade Deutschland.

Kempf forderte von der Großen Koalition eine Auseinandersetzung mit Zukunftsthemen und mehr Tatendrang. So sei die Regierung in der Steuerpolitik untätig, was zulasten der Unternehmen gehe. „Das grenzt an unterlassene Hilfeleistung“, sagte Kempf und forderte mehr Ehrgeiz beim Abbau des Solidaritätszuschlags: „In der Steuerpolitik muss es Entlastungen für Unternehmen geben. In den USA und anderen Ländern sind die Unternehmenssteuern gesenkt worden, die Bundesregierung aber schaue diesem Treiben tatenlos zu.“

Insgesamt unterstellte der BDI-Vorsitzende Deutschland mangelnden Mut bei Reformen. Eine Innovationsoffensive bei Schulen und Straßen sowie für ein schnelles Internet bis in abgelegene Landkreise, sei „dringend nötig“. Kempf äußerte sich auch zur Dieselkrise. Der Industrie-Präsident forderte die Automanager auf, diesbezüglich Verantwortung zu übernehmen. Er erneuerte seine Skepsis im Hinblick auf technische Diesel-Nachrüstungen. Der BDI setze auf Software-Updates.

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte in einer Entgegnung Verständnis für die Anliegen der deutschen Industrie, blieb aber gewohnt vage. Sie könne alle gut verstehen, die sagen, die Regierungsbildung habe schon so lange gedauert und danach habe es wieder einen hohen Anteil an Selbstbeschäftigung gegeben. „Das wünschten wir uns anders. Ich nehme diese Bitte sehr positiv auf und werde alles daransetzen, um hierbei zu Verbesserungen zu kommen.“ Ziel müsse es sein, den Anteil der industriellen Produktion an der Wertschöpfung auch in Zeiten der Digitalisierung zu erhalten und nicht schrumpfen zu lassen: „Durch die Industrie 4.0 stehen wir hierbei vor riesigen Herausforderungen“, erklärte die CDU-Chefin. 

Nicht nur aus der Industrie-Spitze mehren sich die kritischen Worte Richtung Politik. Anlässlich eines Treffens mit dem Premierminister von Bosnien-Herzegowina, Fadil Novalic, in Sarajevo meldete sich der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) sowie der Europäischen Vereinigung der Verbände kleiner und mittlerer Unternehmen (CEA-PME) Mario Ohoven zu Wort: „Der Standort Deutschland muss sich anstrengen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Inzwischen haben Länder wie Bosnien-Herzegowina mit niedrigen Steuern und Arbeitskosten sowie hoher Produktivität als Standorte deutlich an Attraktivität gewonnen. Die Bundesregierung muss deshalb endlich eine Unternehmenssteuerreform angehen, die unsere Betriebe spürbar entlastet. Von den Gewerkschaften erwarte ich, dass sie mit Augenmaß und Zurückhaltung in künftige Lohnrunden gehen.“ Der Mittelstands-Präsident beklagte „Schaukämpfe, Postengeschacher und die Profilsucht einzelner Politiker“. 83 Prozent der Mitglieder seines Verbandes fürchteten um die politische Stabilität Deutschlands, zitierte Ohoven aus einer internen Umfrage. 

Unterstützung erhielt Ohoven von Reinhold von Eben-Worlée, dem Präsidenten des Verbandes der Familienunternehmer. So seien 93 Prozent der Familienunternehmer der Meinung, dass Union und SPD für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands bisher die Weichen nicht richtig gestellt hätten: „Die große Koalition ruht sich auf den Lorbeeren der Vergangenheit aus“, Deutschland verliere stetig an Wettbewerbsfähigkeit, und so wäre eine Steuerreform dringend geboten, erklärte von Eben-Worlée gegenüber der „Frankfurter Rundschau“. „Während sich unsere Nachbarn und internationalen Wettbewerber steuerpolitisch für die Zukunft aufstellen, passiert im Finanzministerium – nichts“, beklagte er Deutschlands Situation im internationalen Vergleich.