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05.10.18 / Vielen Meinungsmachern zu deutschfreundlich / Vor 60 Jahren starb Papst Pius XII., der vormalige Nuntius für Bayern und das Deutsche Reich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-18 vom 05. Oktober 2018

Vielen Meinungsmachern zu deutschfreundlich
Vor 60 Jahren starb Papst Pius XII., der vormalige Nuntius für Bayern und das Deutsche Reich
Erik Lommatzsch

„Pacelli ist eine vornehme, sympathische Erscheinung, von hoher Intelligenz und vollendeten Umgangsformen, das Bild eines katholischen Kirchenfürsten.“ 

Wohlwollend charakterisiert Wilhelm II. in seinen im niederländischen Exil verfassten Memoiren den päpstlichen Nuntius in München, Eugenio Pacelli. Grund des Zusammentreffens des Kaisers mit dem späteren Papst Pius XII. am 29. Juni 1917 in Bad Kreuznach waren die Friedensbemühungen des damaligen Papstes Benedikt XV. Wilhelm II. berichtet allerdings, dass vor allem er es gewesen sei, der über den Nuntius den Papst aufgefordert habe, aktiver zu handeln, den Klerus der jeweiligen Länder zu beeinflussen und den internationalen Friedensbemühungen der Sozialisten etwas gegenüberzustellen. Nach Wilhelm II. sei Pacelli schließlich begeistert von den Ausführungen des Kaisers gewesen, mit „leuchtenden Augen“ habe er dessen Hand ergriffen. Nach einer anderen Überlieferung stimmt dies so gar nicht mit der Wahrnehmung des Nuntius überein. Als „abgehoben und nicht ganz normal“ habe dieser den Kaiser empfunden, der viele Themen zusammenhanglos berührt habe.

Bei der Episode handelt es sich einerseits um einen weltpolitischen Fußnotenvorgang. Andererseits sind hier die wesentlichen Elemente enthalten, die bis heute für Eugenio Pacelli – Kirchendiplomat, Vatikanpolitiker und schließlich Papst – stehen: eine distinguierte Erscheinung, hoch gebildet und bezüglich seiner Verlautbarungen und Handlungen immer wieder konträr interpretiert und beurteilt. Zudem spielt die Geschichte in Deutschland – bereits hier fängt es an: Vieles im politischen Handeln oder Nicht-Handeln Pacellis wird mit der ihm unterstellten Vorliebe für dieses Land erklärt.

Geboren wurde Pacelli am 2. März 1876 in Rom. Als Kirchenjuristen und -politiker hatten bereits seine Vorfahren gewirkt. Sein Großvater Marcantonio Pacelli hatte die Tageszeitung des Vatikanstaats, „L’Osservatore Romano“, ins Leben gerufen. Es geht die Fama vom Kind, das nie etwas anderes als Priester habe werden wollen. Das Studium – unter anderem an der Gregoriana und der Päpstlichen Lateranuniversität – schloss er doppelt promoviert ab, als Doktor der Theologie und des Kirchenrechts. Schon zuvor, 1899, war die Priesterweihe erfolgt. Den späteren Kardinalstaatsekretär Pietro Gas­parri unterstütze er maßgeblich bei der Ausarbeitung des 1917 öffentlich bekannt gemachten und im Folgejahr in Kraft getretenen Codex Iuris Canonici, der ersten Zusammenführung des lateinischen Kirchenrechts.

Das Jahr 1917 markiert in Pacellis sich rasch fortsetzender Karriere einen ersten Höhepunkt. Knapp 13 Jahre sollte er von nun an als Nuntius in Deutschland wirken. Unter Ernennung zum Titularbischof vertrat er den Vatikan zunächst in Bayern und damit im zweitgrößten Bundesstaat des Deutschen Reiches. Da der größte Bundesstaat, Preußen, über keine Nuntiatur verfügte, war Pacelli bereits zu diesem Zeitpunkt de facto der Vertreter des Vatikan im Reich. Seine strikt antikommunistische Einstellung und die ihm mancherorts unterstellten Ressentiments gegenüber Juden sollen sich durch das Erleben der Münchner Räterepublik in den Wirren nach dem Ende des Ersten Weltkrieges verfestigt haben. Offizieller Vertreter für ganz Deutschland wurde Pacelli 1920. Als sichtbares Zeichen seiner engen Verbundenheit mit Deutschland gilt, dass es in seinem persönlichen Umfeld nach seiner Rückkehr in den Vatikan sehr viele Deutsche gegeben hat. Bekannt ist die Ordensschwester Pascalina Lehnert, deren Einfluss derart weit gereicht haben soll, dass man sie später als „papessa“ bezeichnete.

Papst Pius XI. ernannte Pacelli 1930 zum Kardinalstaatssekretär. Nun in Rom wirkend, sind viele politische Schritte des Vatikan in dieser Zeit eng mit dem Namen Pacelli verbunden. Zu nennen wäre das bis heute gültige Reichskonkordat vom 20. Juli 1933. Vom Vatikan schon länger erstrebt, kam dieser Staatskirchenvertrag erst mit der Regierung Hitler zustande. Umstritten ist, ob ein Preis für die deutsche Unterschrift die Zustimmung der katholischen Zentrumspartei zum Ermächtigungsgesetz knapp vier Monate zuvor gewesen ist, das der nationalsozialistisch geführten Regierung nahezu unbeschränkte Freiräume zur Errichtung einer Diktatur ermöglichte.

Die Lage der katholischen Christen in Deutschland und die Verstöße gegen die Vereinbarungen des Reichskonkordats prangerte die in deutscher Sprache verfasste – was eine Besonderheit darstellt – päpstliche Enzyklika „Mit brennender Sorge“ scharf an. Wenn der Entwurf auch von dem Münchener Kardinal Michael von Faulhaber stammt, so geht der Text doch maßgeblich auf Pacelli zurück.

Am 2. März 1939 wurde Pacelli zum Papst gewählt. In das Pontifikat Pius’ XII. fiel der Zweite Weltkrieg. Einige unterstellen ihm, dass er sich auf den Bolschewismus als Antichrist kapriziert und diesen gegenüber dem Nationalsozialismus als das größere Übel betrachtet habe. Zudem sei er  eben latent antijüdisch gewesen. Im Nachhinein wurde verlangt, er hätte laut und vernehmlich seine Stimme vor allem zugunsten der verfolgten Juden erheben sollen. Sätze wie die der Weihnachtbotschaft von 1942, in welcher der Papst ausdrücklich beklagte, dass „Hundertausende“ allein „wegen ihrer Nationalität oder Rasse“ zu Tode kämen, genügten den Kritikern nicht. Ebenso wenig überzeugte sie das Argument, dass der Papst, für den ja ohnehin zunächst das Wohlergehen der Katholiken und deren unbeschränkte Religionsausübung im Fokus standen, sich aus der seinerzeitigen Perspektive von Diplomatie und Hilfeleistungen im Stillen wesentlich mehr versprochen hat. Der bekannteste und am nachhaltigsten wirkende Kritiker in Deutschland ist der Schriftsteller Rolf Hochhuth. 1963 wurde dessen anklagendes Drama  „Der Stellvertreter“ erstmals aufgeführt. Da war der „Stellvertreter Jesu Christi“ (Vicarius Iesu Christi), um den es in dem Stück geht, allerdings bereits schon ein halbes Jahrzehnt tot und konnte sich nicht mehr wehren.

Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 wurde von Winston Churchill der Vorschlag geäußert, den Papst als Verbündeten ins Lager der Alliierten einzubinden. Josef Stalin bügelte dies ab mit der Bemerkung, dass Kriege mit Soldaten geführt würden, und der Frage, wie viele Divisionen denn der Papst habe. 1953 soll sich Pius XII. nach Stalins Tod mit den Worten revanchiert haben, nun werde dieser ja sehen, wie viele Divisionen der Papst habe.

Weniger entspannt zeigte sich Pius XII. bezüglich dogmatisch-theologischer Fragen. Unter Berufung auf seine Unfehlbarkeit legte er 1950 fest, dass Maria leiblich in den Himmel aufgenommen worden sei.

Am 9. Oktober 1958 ist Pius XII., der wohl immer ein wenig rätselhaft bleiben wird, gestorben. Johannes XXIII. folgte ihm nach. Angefangen vom äußeren Erscheinungsbild über den Bruch mit jahrhundertealten Traditionen bis hin zur Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils hätte der Kontrast zu seinem Vorgänger kaum größer sein können. Laut dem französischen Philosophen Jean Guitton hatte Pius XII. angesichts der Zeitumstände bereits eine klare Vorahnung davon, dass er der letzte Papst typisch römischer Tradition sein werde.