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05.10.18 / Schwarz-rot-goldene Streithähne / Die Burschenschaften streiten seit zwei Jahrhunderten für demokratische Rechte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-18 vom 05. Oktober 2018

Schwarz-rot-goldene Streithähne
Die Burschenschaften streiten seit zwei Jahrhunderten für demokratische Rechte
Klaus J. Groth

Sie streiten und sind umstritten: An Streitkultur hat es den Burschenschaften nie gemangelt. Untereinander nicht und mit dem gesellschaftlichen Umfeld ebenfalls nicht. Die Flügelkämpfe blieben nicht ohne Folgen. Der Korporation der Deutschen Burschenschaft gehören gegenwärtig 67 Vereinigungen an, zehn Jahre zuvor waren es noch 123. Am 18. Oktober jährt sich die Gründung der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft zum 200. Mal.

Das Gründungsziel war ehrgeizig. Die Allgemeine Deutsche Burschenschaft sollte 1818 alle bestehenden Burschenschaften zusammenfassen. Alle gingen zurück auf die 1815 in Jena gegründete Urburschenschaft. Deren Wahlspruch „Freiheit, Ehre, Vaterland“ wurde ebenso übernommen wie die drei Farben Schwarz, Rot und Gold des Lützower Freikorps, getragen als Dreifarbband. 

Nach der Gründung der Urburschenschaft in Jena waren in fast allen Universitäts­städten Burschenschaften gegründet worden, bereits 1816 in Breslau, Erlangen, Tübingen, Marburg und Gießen, ein Jahr später in Heidelberg, Königsberg, Rostock und Kiel, 1818 schließlich in Greifswald, Berlin, Freiburg, Leipzig, Würzburg, Prag und Wien.

Da erschien ein Zusammenschluss erforderlich. 14 Universitäten taten sich zusammen, um den Ideen des Wartburgfestes von 1817 zu folgen. Die politische Zerrissenheit des Vaterlandes zu überwinden war das Ziel. 

Doch bereits bei der Gründung zeigte sich, was sich in der Geschichte der Burschenschaften in zahlreichen Windungen permanent wiederholen sollte: In der Eigenwilligkeit einer gärigen Jungend ist nicht alles unter einen Hut zu bringen. 

Die nationalrevolutionären, demokratischen Freiheitsbestrebungen stießen allerdings auf entschiedenen Widerstand im Deutschen Bund. An vielen Höfen fürchtete man eine Revolution. Vertreter der wichtigsten Staaten trafen sich heimlich in Karlsbad, um zu beraten, wie man der studentischen Unruhe begegnen könne. Das Ergebnis waren die Karlsbader Beschlüsse. Mit ihnen setzte die sogenannte Demagogenverfolgung ein. Die Burschenschaften wurden verboten, die Universitäten unter staatliche Aufsicht gestellt. Von Wien aus gab der österreichische Staatskanzler und Außenminister Clemens Wenzel von Metternich den Takt an, Spitzel infiltrierten die Burschenschaften. Die Preußische Zensur-Verordnung vom 18. Oktober 1819 beseitigte die Zensurfreiheit der Professoren. Es setzte eine Verfolgungswelle ein, um „Behörden, Konsistorien, Schulen und Universitäten von gefährlichen Irrtümern, Verführern und Verführten“ zu reinigen. Damit begründet wurden Verfahren gegen Friedrich Schleiermacher und Ernst Moritz Arndt. Friedrich Ludwig Jahn wurde zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt. Allein die Zugehörigkeit zu einer Burschenschaft genügte für einen Verweis von der Universität. 

Ab 1824 galten alle Studentenverbindungen als geheime politische Verbindungen. Dabei geriet auch der Schriftsteller E. T. A. Hoff­mann ins Visier der Behörden. In einer zweiten Welle der Verfolgung wurde auch der Schriftsteller Ernst Reuter zu Festungshaft verurteilt. Seine Erfahrungen schrieb er nieder in dem Buch „Ut mine Festungstid“. Mit ihm waren 200 Studenten wegen Hochverrats verurteilt worden, 39 von ihnen zum Tode. Diese Urteile wurden später zu 30 Jahren Festungshaft geändert. Erst Friedrich Wilhelm IV. hob einen großen Teil dieser Urteile bei seinem Amtsantritt in Preußen auf. 

Da gab es allerdings große Teile der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft nicht mehr. Sie hatten sich aufgelöst, in einigen Teilen aber auch radikalisiert. Als die deutsche Revolution von 1848/49 die bürgerlichen Rechte stärkte, endete auch die Demagogenverfolgung. Die Burschenschaft musste sich neu gründen, die Zeit blieb für die studentischen Verbindungen unruhig. 

Eine massive Stärkung erlebte die Burschenschaft erst mit der Gründung des kleindeutschen Reiches 1871. Da war das Ziel, das sich die studentischen Revolutionäre gesetzt hatten, die Bildung eines deutschen Nationalstaates, zumindest teilweise erreicht. Die Burschenschafter waren nicht länger Aufrührer, sondern Träger des auch von ihnen gewollten Staates. 

Ruhe kehrte unter den Burschenschaften damit allerdings keineswegs ein. Mit dem sogenannten Progress entstand eine Reformbewegung, die in ihrer radikalsten Variante eine völlige Auflösung der Verbindungen zugunsten allgemeiner Studentenvertretungen verlangte. Sie konnte sich allerdings nicht durchsetzen. Es blieb bei den Streitereien und Eifersüchteleien, die erbittert ausgefochten wurden. Der Zwiespalt saß tief. Es wurde gestritten, ob das Duell mit der Waffe geeignet sei, eine angeblich verletzte Ehre wiederherzustellen, ob der Waffengang wichtiger sei als politische Arbeit, ob ein Burschenschafter keusch zu leben habe, ob es sinnvoll sei, in Turner-, Sänger- und Schützenvereine einzutreten und damit am politischen Leben teilzunehmen. Reformer und Liberale standen gegen Erzkonservative. Mehrere Dachverbände wurden gegründet und nach kurzer Zeit wieder aufgelöst. Eine Einigung war nicht in Sicht. 

Erst mit der Gründung des Allgemeinen Deputierten-Convents im Juli 1881 in Eisenach wurde der Grundstein für einen haltbaren Verband Deutscher Burschenschaften gelegt. Die Burschenschaften Arminia, Germania und Teutonia hatten gemeinsam eingeladen und waren erfolgreich: 35 Burschenschaften schlossen sich zusammen. Aber schon zwei Jahre später entstand mit dem Allgemeinen Deutschen Burschenbund eine liberale Gegengründung, Auseinandersetzung war und blieb Programm. Unter dem nüchternen Namen „Allgemeiner Deputierten-Covent“ konnten auch Gruppen mit sehr unterschiedlichen Auffassungen zusammenfinden. 

Schon allein, weil man sich auf ein Minimalprogramm beschränkte, das ein „Zusammengehen in allen allgemeinen studentischen und burschenschaftlichen Angelegenheiten“ anstrebte, ansonsten aber „alle anderen Prinzipien als Privatsache jeder einzelnen Burschenschaft“ deklarierte. Immerhin war dieser Dachverband erstmals von längerer Lebensdauer. Er blieb unter seinem Gründungsnamen bis 1902 erhalten. Dann benannte sich der studentische Zusammenschluss in „Deutsche Burschenschaft“ um.