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05.10.18 / Der satirische Wochenrückblick mit Hans Heckel / Gerade noch rechtzeitig / Wie wir dem braunen Putsch entgangen sind, wo die »Hetzjagd« wiederauferstand, und was »Bürger« sich alles einbilden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-18 vom 05. Oktober 2018

Der satirische Wochenrückblick mit Hans Heckel
Gerade noch rechtzeitig / Wie wir dem braunen Putsch entgangen sind, wo die »Hetzjagd« wiederauferstand, und was »Bürger« sich alles einbilden

Da sind wir ja gerade noch mal davongekommen: „Mutmaßliche Rechtsterroristen sollen Umsturz in Deutschland geplant haben“, schreit uns der Internet-Auftritt einer großen Tageszeitung entgegen. Ihr „Ziel soll es gewesen sein, die Gesellschaft ganz umzuwälzen“.

Du meine Güte! Danach standen wir also kurz vor dem Umsturz des politischen Systems, unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der „Umwälzung“ von uns selbst, was immer das Gruseliges heißen mag. Es kann sich bei den Terroristen also nur um eine weitverzweigte Großorganisation gehandelt haben, die massiv bewaffnet ist und unmittelbar davor stand, die Demokratie hinwegzufegen.

Es gab auch schon ein Datum für den braunen Putsch: den           3. Oktober. Während also überall im Lande die nichtsahnenden Deutschen den Tag ihrer Einheit feiern, hätten die bewaffneten Putschisten das Kanzleramt gestürmt, den Reichstag in die Luft gejagt, und aus dem besetzten ARD-Hauptstadtstudio hätte uns ein stiernackiger Skinhead angebellt, der mit rollendem „r“ Anweisungen an die kreidebleichen Bürger herauspeitscht: „Ausgangsspärrä!“

Nur durch das beherzte und frühzeitige Eingreifen der Sicherheitsbehörden ist uns dieses Horrorszenario erspart geblieben. Sie haben die Verdächtigen verhaftet und deren Wohnungen hochgenommen. Dort fiel ihnen das Waffenarsenal in die Hände, mit dem die Putschisten unseren Staat aus den Angeln heben wollten: einige Schlagstöcke und ein Luftgewehr. Zuvor hätten die Umstürzler ihren Staatsstreich bereits auf der Chemnitzer Schlossteichinsel bei einem Überfall auf einige junge Leute geprobt. Dabei seien Glasflaschen, Quarzhandschuhe und ein Elektroschocker zum Einsatz gekommen, wie die Sicherheitsbehörden mitteilen. Insgesamt umfasst die Terrorgruppe bis zu acht Personen.

Aha. Legen wir uns ein kühles feuchtes Tuch auf die Stirn und lassen diese bemerkenswerten Nachrichten ein wenig sacken. Ein gutes halbes Dutzend rechtsextremer Prügelfritzen, die als einzige Schusswaffe (Kenntnisstand Dienstagnachmittag) ein Luftgewehr im Schrank haben, verabreden sich, vermutlich nicht ohne gehörigen Bierrausch, die Regierung zu stürzen. Ihre „Pläne“ diskutieren sie völlig offen im Internet-Chat und per Telefon, wo alles abgehört und mitgelesen wird. Daraufhin lösen Sicherheitsbehörden, etablierte Parteien und geneigte Medien Revolutionsalarm aus, um uns alle in Angst und Schrecken zu versetzen.

Ist den Verantwortlichen obenrum was durchgebrannt? Das ist kaum anzunehmen, dafür sind die alle viel zu professionell. Andererseits: Denen müsste doch klar sein, dass sie mit dieser dünnen Soße bei jedem halbwegs durchblickenden Bürger nur Gelächter ernten.

Klar doch, das wissen die auch. Es macht aber nichts. In ein paar Wochen schon werden wir alle Einzelheiten vergessen haben. Dann ist nur noch von der „ausgehobenen Terrorzelle“ die Rede als Grund, alle „Rechten“ als Gefahr für unsere demokratische Ordnung, ja, für Leib und Leben zu enttarnen. Man muss so eine Sache nur oft genug wiederholen, dann wachsen jeder Unterstellung eigene Flügel, die sie ganz ohne echte Ursache von allein durch die Lüfte bewegen.

Kostprobe? Im Zusammenhang mit der Entdeckung der Umstürzlergruppe wärmt die zitierte Tageszeitung die Mär von den Jagdszenen in Chemnitz Ende August wieder auf, obgleich sowohl die Polizei als auch der sächsische Verfassungsschutz und die Lokalzeitung „Freie Presse“ ermittelt hatten, dass es diese Jagdszenen nicht gegeben hat. Sehen Sie: Am Ende siegt die Frechheit immer. Wer dann noch auf die Wahrheit zu verweisen wagt, der verbreitet eben „Fake News“, verharmlost rechte Gewalt, sät den Hass oder frönt Verschwörungstheorien. Suchen Sie sich was aus.

Selbst wenn gar nichts passiert ist, kann man aus dem Nichts noch etwas schnitzen, wie die jüngste Bertelsmann-Studie eindrucksvoll vorführt. Deren Befund ist – wie kann es anders sein – sehr beunruhigend, denn die Bertelsmänner haben herausgefunden, dass wir Deutsche immer „populistischer“ werden. Vor allem die politische Mitte driftet demnach rapide in Richtung Populismus. Populismus, das wissen Sie ja, ist auch irgendwas mit rechts und daher von Übel, um nicht zu sagen: von Sachsen.

Doch was bedeutet das Wort überhaupt? Laut Bertelsmann-Stiftung ist jemand Populist, wenn er beispielsweise meint: „Die Politiker im Bundestag sollten immer dem Willen der Bürger folgen“ oder „Die Parteien wollen nur die Stimmen der Wähler, ihre Ansichten interessieren sie nicht“ oder auch „Mir wäre es lieber, von einem einfachen Bürger politisch vertreten zu werden als von einem Politiker“.

Die letzte populistische Forderung hat es mir besonders angetan. Bislang hatte ich immer gedacht, ein Politiker sei auch nichts anderes als ein „einfacher Bürger“, der von anderen „einfachen Bürgern“ gewählt wurde, um für diese Leute Politik zu machen. Dass ich damit den gefährlichen Populisten auf den Leim gegangen bin, habe ich erst von der Bertelsmann-Stiftung gelernt. 

Offensichtlich sind Politiker eben nicht einfach nur Bürger, sondern zählen zu einer ganz speziellen Kaste, die allein dazu erkoren ist, den Staat zu führen. Einfache Bürger haben an den Schalthebeln nichts zu suchen. Wer das anders sieht, stellt sich „gegen unsere Werte“. 

Endlich geht einem ein Licht auf: Bisher hatte man kaum verstanden, warum die politische Elite und ihre Herolde in den Staats- und Konzernmedien (etwa aus dem Bertelsmann-Verlag) mit solcher Wut, solchem Abscheu auf die Abkehr so vieler Wähler vom etablierten Politikbetrieb und dessen Betreibern reagieren: Sie erkennen darin nicht bloß einen demokratischen Wandel, nein, für sie ist das eine ungeheure Anmaßung des Pöbels, der „einfache Bürger“ in Posten wählt, die denen gar nicht zustehen, weil sie nicht die erforderlichen Auswahlverfahren der Partei- und Medienapparate durchlaufen haben.

Was läge da näher, als die Aufrührer mit der Gedankenkette „Populist-Rechts-Terror“ dermaßen in den Senkel zu stellen, dass sich kein einziger „einfacher Bürger“ mehr traut, dumme Frage zu stellen oder falsche Antworten zu geben?

Die Geschichte von den Chemnitzer Umstürzlern erfüllt noch eine weitere, nicht minder wertvolle Funktion. Der Verfassungsschutz zählt immer mehr radikal-islamische „Gefährder“ mit Bezug zu Deutschland. Das sind Leute, denen die Behörden jederzeit einen Terror-Anschlag zutrauen. Von diesen Herzchen gab es laut Inlandsgeheimdienst vor einem Jahr 1700, bis Mai 2018 stieg ihre Zahl auf 1900 an und im August waren es bereits 2220. Ist die Entwicklung so weitergegangen, müsste sich bis heute eine Armee von gut 2400 radikal-islamischen Gefährdern „mit Deutschland-Bezug“ versammelt haben.

Ein Schuft sei, wer die rasant ansteigende Mannschaftsstärke dieser blutrünstigen Armee, deren Gewehrläufe auf uns gerichtet sind, mit der Asyl- und Einwanderungspolitik der Regierung in Zusammenhang bringt. Etwa, indem er die falsche Frage stellt, warum Länder wie Polen oder Ungarn von solchen Entwicklungen verschont bleiben und ob das etwa mit deren „rechtspopulistischer“ Einwanderungspolitik zusam­menhängt.

Leider tun das aber einige. Wenn die Bertelsmänner Recht haben, werden es sogar immer mehr. In einer derart heiklen Lage hilft nur, die rechtsextreme Terrorgefahr so groß aufzublasen, dass alles andere dahinter verschwindet. Da müssen schon mal Luftgewehre und Glasflaschen ausreichen, um eine ultimative Bedrohung für Sicherheit und Demokratie zu belegen. Sonst kommt es noch so weit, dass die „einfachen Bürger“ außer Kontrolle geraten und fordern, die freie Ein- und Ausreise von Gefährdern zu begrenzen.