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12.10.18 / Urlaub in Gambia / Reise-Wahnsinn: Deutsche kommen als Touristen und Gambier in umgekehrter Richtung als Asylsucher

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-18 vom 12. Oktober 2018

Urlaub in Gambia
Reise-Wahnsinn: Deutsche kommen als Touristen und Gambier in umgekehrter Richtung als Asylsucher
Bodo Bost

Der vor 30 Jahren aus Deutschland abgeschobene Asylsucher Adama Barrow ist seit 2017 demokratisch gewählter Staatspräsident Gambias. Obwohl er seitdem politische Freiheiten hergestellt hat, steigt die Zahl der Asylsucher aus Gambia in Deutschland an. Deutsche sollen dafür als Touristen die Wirtschaft des Pleitelandes wieder ankurbeln.

Beim Staatsbesuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Gambia im vergangenen Jahr erzählte dessen Präsident Adama Barrow dem Deutschlandfunk: „Ich kam nach Frankreich, fuhr mit dem Zug nach Straßburg und kam dann über die Grenze nach Deutschland, nach Baden-Baden. Schließlich beantragte ich in Karlsruhe Asyl. Nach zwei Jahren wurde ich 1988 aus Deutschland abgeschoben.“

Damals gab es den Staat Gambia gar nicht, es bildete zusammen mit dem Senegal die weitgehend diktatorisch regierte Föderation Senegambien, die erst 1989 wieder aufgelöst wurde. 

Im Dezember 2016 gewann der nach seiner Abschiebung in Afrika zum Unternehmer aufgestiegene Barrow die Wahl gegen den seit über 22 Jahren autokratisch regierenden Präsident Yahya Jammeh. Dieser war noch durch einen Militärputsch an die Macht gekommen und war in seinen langen Amtsjahren durch Willkür, Aberglauben und Zauberei in Erscheinung getreten. 

Jammeh zweifelte zunächst die Wahl an. Erst nachdem die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (Ecowas) Soldaten schickte, floh Jammeh nach Äquatorial-Guinea ins Exil. Mitgenommen hat er sein Privatvermögen und Teile der Staatskasse. 

Die Euphorie über die neue Demokratie ist mittlerweile in Gambia erloschen. Barrow und seine Minister haben kaum Erfahrung in Politik und Verwaltung. Barrow entließ zwar die meisten politischen Gefangenen, das Land befindet sich aber noch immer in einer Übergangsphase. Deshalb gelten noch alle Gesetze aus der Jammeh-Zeit. Demnach ist in dem muslimischen Land beispielsweise Homosexualität noch immer illegal und kann mit bis zu lebenslänglicher Haft bestraft werden. Polygamie ist dagegen in der ehemaligen britischen Kolonie erlaubt, Barrow hat selbst zwei Frauen. 

Weitere Reformen sind angekündigt. Innerhalb von zwei Jahren sollen die Verfassung und die Gesetze durch eine Experten-Kommission überarbeitet werden. Außerdem gibt es eine Kommission, die herauszufinden versucht, wo das Geld ist, das unter Jammeh verschwunden ist und weswegen Gambia jetzt pleite ist. Derweil sind die Truppen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft noch im Land.

Zur Ankurbelung der Wirtschaft wird der Tourismus jetzt wieder gefördert. Gambia war, bevor es Pleite gegangen ist, schon eines der beliebtesten Reisziele in Afrika. Sowohl Lidl als auch Norma bieten in ihren aktuellen Reiseprospekten acht- oder 15-tägige Flugreisen zum Schnäppchenpreis von knapp 1000 Euro nach Gambia an, auch über Weihnachten. Von Reisewarnungen oder traumatischer politischer Verfolgung oder gar Folter ist in den Prospekten nicht die Rede. 

Norma erwähnt im Kleingedruckten allerdings, dass deutsche Reisende ein Rückflugticket und „genügend finanzielle Mittel für den Aufenthalt“ nachweisen müssen. Dies müssen Gambier nicht, die jetzt ihrem neuen Staatspräsidenten nacheifern und ins Asyl nach Deutschland aufbrechen. 

Obwohl Gambia mit knapp zwei Millionen Einwohnern eines der kleinsten Länder Afrikas ist, steht es bei den Hauptherkunftsländern Afrikas unter den ersten Zehn. Gemessen an seiner Größe ist Gambia das afrikanische Land, aus dem die meisten Asylsucher nach Europa kamen. Für 2016 bestätigte das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BamF) 5800 Asylanträge aus Gambia. Die Schutzquote lag bei 6,5 Prozent. Seit dem Regierungswechsel im letzten Jahr, sank die Quote auf 2,5 Prozent. 

Gambia zählt trotz der Billigreiseangebote nicht zu den sicheren Herkunftsländern, da SPD und Linke dieses Gütezeichen ablehnen. Derzeit leben etwa 140000 Gambier im Ausland. Deutschland ist neben Italien das Hauptaufnahmeland. Die meisten Gambier in Deutschland wurden nach Baden-Württemberg verteilt. 

Zurzeit gibt es zwar kein Rück­nahmeabkommen mit Gambia, aber die EU diskutiert mit Barrow über ein Rückkehrmodell für seine Landsleute. Die Überweisungen der Auslandsgambier machen allerdings 22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Ein Großteil der Familien und der Staat selbst sind von diesen Überweisungen abhängig, das dürfte ein Rückführungsabkommen schwierig machen. Im ersten Amtsjahr von Barrow 2017 wurden bundesweit laut Bamf 2562 neue Asylanträge von Gambiern gestellt, der Rück­gang war nicht so stark, wie der allgemeine Rückgang bei den Asylbewerbungen. Dem gegen­über wurden lediglich 153 ausreisepflichtige Gambier 2017 abgeschoben. 

Offenbar wurden 1988 unter Helmut Kohl mehr abgelehnte Asylsucher aus Gambia abgeschoben als unter der Angela Merkel. 1988 herrschte in Senegambien eine Diktatur, in die eigentlich nicht hätte abgeschoben werden dürfen, heute herrscht dort eine Demokratie, in die kaum abgeschoben wird.