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12.10.18 / Druck auf Braunkohle nimmt zu / Drei Blöcke in den Kraftwerken Jänschwalde und Niederaußem vom Netz genommen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-18 vom 12. Oktober 2018

Druck auf Braunkohle nimmt zu
Drei Blöcke in den Kraftwerken Jänschwalde und Niederaußem vom Netz genommen
Norman Hanert

Trotz immensen Aufwandes wird Deutschland seine eingegangenen Verpflichtungen zur Reduktion der Kohlendioxid-Emission kaum einhalten können. Das drohende Scheitern könnte weitreichende Folgen haben.

Noch bevor die sogenannte Kohlekommission sich auf ein Datum zum Ausstieg aus der Kohleverstromung verständigt hat, gehen immer mehr Kapazitäten in Kohlekraftwerken vom Netz. Bereits Ende September ist in dem südbrandenburgischen, überwiegend mit Braunkohle aus der Niederlausitz befeuerten Wärmekraftwerk Jänschwalde einer der sechs Blöcke vom Netz gegangen. 

Der stillgelegte Block war 1989 in Betrieb gegangen und war zwischen 1994 und 2014 mit neuester Turbinen- und Umwelttechnik ausgerüstet worden. Die Investitionen haben den Wirkungsgrad des Kraftwerks deutlich gesteigert und die Kohlendioxid-Emissionen gesenkt – trotzdem soll in Jänschwalde im kommenden Jahr ein weiterer Block vom Netz genommen werden. Bei dem Kraftwerksbetreiber, der Lausitz Energie Kraftwerke AG (LEAG), werden mit dieser Entwicklung etwa 600 Arbeitsplätze in den nächsten Jahren wegfallen.

In Nordrhein-Westfalen hat der Energieversorger RWE Ende September zwei Blöcke im Braunkohlekraftwerk Niederaußem im Rheinischen Revier abgeschaltet. Wie in der Lausitz bleiben die Blöcke bis zu ihrer endgültigen Stilllegung in vier Jahren in Sicherheitsbereitschaft. Die Betreiber solcher Reservekraftwerke werden laut Auskunft der Bun­desregierung allein für die Jahre 2017 und 2018 voraussichtlich 234 Millionen Euro erhalten. Die Vergütung für die Bereithaltung als Reservekraftwerke ist in die Netzentgelte eingepreist, die von den Stromkunden bezahlt werden müssen. 

Wie wichtig die herkömmlichen Kraftwerke noch immer sind, wurde erst wieder im vergangenen Sommer deutlich. Das monatelange Hochsommerwetter war häufig mit einer Flaute in den Windkraftanlagen verbunden. Um in solchen Lagen auch ohne Kraftwerke auskommen zu können, soll Energie aus Windparks und Solaranlagen künftig auf der Basis von Methan oder Wasserstoff gespeichert werden. Noch sind die herkömmlichen Reservekraftwerke wie etwa Jänschwalde für die Versorgungssicherheit aber unverzichtbar. 

Den Abschaltungen in der Lausitz und im Rheinland sollen in den nächsten Jahren noch weitere folgen. Grundlage für diese Entwicklung ist eine Regelung im Energiewirtschaftsgesetz. Dieses sieht vor, bis 2020 durch die Trennung mehrerer Kohlekraftwerksblöcke vom Netz bis zu 12,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid einzusparen. Trotz solcher Schritte zeichnet sich ab, dass die Bundesregierung ihre selbstgesteckten Ziele bei der Energie- und Klimapolitik nicht erreicht. 

Erst vor Kurzem hat der Bun­desrechnungshof vor einem Scheitern der sogenannten Energiewende gewarnt. Kay Scheller, der Präsident des Bundesrechnungshofes, sagte: „Der enorme Aufwand und die starke Belastung der Bürger und Wirtschaft stehen in krassem Missverhältnis zum bisher dürftigen Ertrag der Energiewende. Wenn die Energiewende gelingen soll, muss die Bundesregierung umsteuern.“ Scharfe Kritik übten die Rechnungsprüfer insbesondere am Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Die Energiewende ist aus Sicht des Rechnungshofs unzureichend koordiniert und mangelhaft gesteuert. 

Zudem sind die finanziellen Belastungen der Wirtschaft sowie der öffentlichen und privaten Haushalte enorm. Nach den Berechnungen des Bundesrechnungshofs betragen die Belastungen allein im Jahr 2017 mindestens 34 Milliarden Euro. Diese hohen finanziellen Lasten stehen im Kontrast dazu, dass, so der Bundesrechnungshof, Deutschland fast alle Ziele der Energiewende bis zum Jahr 2020 verfehlen wird. 

Mit dem Pariser Klimaabkommen und einem 2016 verabschiedeten „Klimaschutzplan 2050“ hat sich die Bundesregierung verpflichtet, die Emissionen sogenannter Treibhausgase im Vergleich zu 1990 drastisch zu reduzieren. Zusätzlich ist Deutschland im Rahmen der EU noch europarechtlich rechtlich bindende Verpflichtungen zur Reduktion von Kohlendioxid-Emissionen eingegangen, die nicht dem EU-Emissionshandelssystem unterliegen. Dies betrifft etwa den Verkehrssektor, den Gebäudebereich, die Landwirtschaft und die Abfallwirtschaft. Nach Berechnungen, die das Institut „Agora Energiewende“ vorgelegt hat, wird Deutschland allein in diesen Bereichen im Jahr 2020 das Ziel um voraussichtlich 93 Millionen Tonnen Kohlendioxid verfehlen.

Die bindenden Verpflichtungen im Rahmen der EU drohen für Deutschland in den kommenden Jahren eine teure Angelegenheit zu werden, da die Nichteinhaltung der sogenannten Klimaziele durch den Zukauf von Emissions-Zertifikaten ausgeglichen werden muss. Bislang waren diese Zertifikate in der EU reichlich vorhanden. Sollte sich das Angebot ab 2020 infolge schärferer Auflagen aber verknappen, könnten laut „Agora“ im nächsten Jahrzehnt auf Deutschland insgesamt Kosten von 30 bis 60 Milliarden Euro zukommen. In der Diskussion um den Ausstieg aus der Kohleverstromung könnten diese drohenden Milliardenkosten schon bald als Argument für eine beschleunigte Stilllegung aller Kraftwerke in der Lausitz oder im Rheinischen Revier dienen.