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12.10.18 / Als die USA Krieg gegen die Briten planten / Auf die Weigerung Londons zur Abrüstung reagierte Washington 1930 mit dem »War Plan Red«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-18 vom 12. Oktober 2018

Als die USA Krieg gegen die Briten planten
Auf die Weigerung Londons zur Abrüstung reagierte Washington 1930 mit dem »War Plan Red«
Dirk Pelster

Um nach dem Ersten Weltkrieg einer Fortsetzung des unseligen Wettrüstens zur See Einhalt zu gebieten, lud die seit 1920 republikanische und damit eher isolationistische und defensive US-Regierung 1921 Vertreter der führenden Seemächte Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan zu einer Konferenz in die US-Hauptstadt mit dem Ziel, die Aufrüstung zur See zu begrenzen. Das Ergebnis war der 1922 abgeschlossene Washingtoner Flottenvertrag. In ihm wurde das bestehende Stärkeverhältnis der beteiligten Länder bei Großkampfschiffen eingefroren. 

Da der Bau von Großkampfschiffen nun begrenzt war, wichen Washingtons Vertragspartner auf den vermehrten Bau von Kreuzern aus. Um auch deren Bau zu beschränken, lud der republikanische US-Präsident Calvin Coolidge zu einer weiteren Flottenrüstungskonferenz ein, diesmal in die neutrale Schweiz nach Genf. Doch die Konferenz scheiterte nicht zuletzt daran, dass die Vereinigten Staaten die vom Vereinigten Königreich (UK) geforderte hohe Anzahl von Kreuzern nicht akzeptieren wollten, die diese zum Schutz der Handelswege zwischen den Teilen ihres weit verzweigten Imperiums beanspruchten. 

Nach dem Scheitern der Genfer Verhandlung begann das US-amerikanische Militär, Pläne für einen Krieg mit dem aufrüstenden britischen Weltreich zu entwickeln. Gemäß dem sogenannten War Plan Red (Kriegsplan Rot) sollte gleich zu Beginn eines Krieges gegen Großbritannien ein groß angelegter Giftgasangriff und die Besetzung der Stadt Halifax auf der dem kanadischen Festland vorgelagerten Insel Neuschottland erfolgen. So sollte die Seeverbindung zwischen dem britischen Mutterland und dessen amerikanischem Dominion abgeschnitten und den Briten die Möglichkeit genommen werden, von Halifax aus ihre Flotte vor der nordamerikanischen Küste einzusetzen. 

Gleichzeitig beabsichtigten die US-Amerikaner, mit ihrem Heer in den Nordosten Kanadas vorzustoßen und alle bedeutenden Städte zu besetzen. Ebenso sollte es dem britischen Militär durch die Eroberung der Stadt Vancouver im Nordwesten unmöglich gemacht werden, an der Westküste zu landen. Die Operationen waren auf die westliche Hemisphäre begrenzt. 

Ein Angriff auf das britische Mutterland selbst war nicht vorgesehen. Allerdings war beabsichtigt, die Royal Navy in Seegefechte in der Karibik und im Nordatlantik zu verwickeln, um sie nach Möglichkeit weitestgehend aufzureiben. 

Der War Plan Red blieb bis 1974 unter Verschluss. Erst vor wenigen Jahren wurde er durch Zufall von dem US-amerikanischen Journalisten Peter Carlson entdeckt und der Öffentlichkeit bekannt gemacht. 

Mitnichten war der Kriegsplan Rot nur ein von einigen hitzköpfigen Generalstabsoffizieren im stillen Kämmerlein ausgetüfteltes Sandkastensspiel. Vielmehr wurde der Entwurf von Marineminister Charles Francis Adams III und Kriegsminister Patrick J. Hurley 1930 genehmigt und damit zur offiziellen Militärdoktrin der USA. 

An der Grenze zu Kanada bauten die US-Amerikaner in der Folge mehrere Flugplätze und Forts. 1935 hielten sie dort das größte bislang durchgeführte Manöver in der US-Geschichte ab. 

Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs stellten die US-Amerikaner die Weiterentwicklung des Planes ein. Mit dem Leih- und Pachtgesetz machte Präsident Franklin D. Roosevelt 1941 den Weg für militärische Hilfe an das mit dem Rücken zur Wand stehende Großbritannien frei. Allerdings nicht, ohne sich zahlreiche britische Militärbasen in Kanada und der Karibik übereignen zu lassen. So erreichte die US-Politik auf friedlichem Wege einige der militärischen Ziele des Kriegsplans Rot. 

Die Kredite, welche die Briten bei den US-Amerikanern im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg aufnehmen mussten, konnten erst 2006 vollständig von London zurückgezahlt werden. Ihr Empire hatten die Engländer schon Jahrzehnte zuvor verloren.