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12.10.18 / Blick in die ostpreußische Vergangenheit / Geschichtsseminar der Landsmannschaft Ostpreußen in Helmstedt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-18 vom 12. Oktober 2018

Blick in die ostpreußische Vergangenheit
Geschichtsseminar der Landsmannschaft Ostpreußen in Helmstedt
Andreas Galenski

Seit über 20 Jahren veranstaltet die Landsmannschaft Ostpreußen (LO) Geschichtsseminare. Seit neustem jedoch nicht unter einem Leitmotiv, sondern mit unterschiedlichen Themen. Diese Vorgehensweise fordert die Teilnehmer, die sich auf neue, teils unbekannte Aspekte Ostpreußens einstellen müssen, stark. 

Dem Aufruf des Seminarleiters Sebastian Husen, Bundesgeschäftsführer der LO, waren 40 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet gefolgt. 

Am Freitagabend führte Edmund Ferner die Seminarteilnehmer auf den Spuren seiner Ahnen in den russischen Teil von Ostpreußen. Es handelte sich um einen Bericht über eine Landeserkundung, die Ferner mit Unterstützung seines Enkels, der stark an Familienforschung interessiert ist, vorgenommen hatte. Der Lichtbildvortrag des Landesvorsitzenden der Landesgruppe Schleswig-Holstein zeigte nicht nur die Schönheit des Landes, sondern auch die enormen Herausforderungen bei der Suche nach verschwundenen Siedlungsplätzen, die heute teilweise als Wüstungen bezeichnet werden müssen. Die Teilnehmer wurden durch Gerdauen, Friedland, Pr. Eylau, Rauschen und Cranz geführt. Zum Abschluss ging es nach Königsberg, der Geburtsstadt von Ferner. 

Die Umwandlung des Ordensstaates zum ersten evangelischen Fürstentum war das Einstiegsthema des Sonnabends. Referent Volker Frank Hentrich, Doktorand an der Universität Hamburg, stimmte die Zuhörer auf das 16. Jahrhundert ein, die Zeit des Copernicus, des da Vincis, der Fugger, aber auch der Pest und der Hexenjagd. Es folgte das Hauptthema „Die Umwandlung des Ordensstaates in ein weltliches Fürstentum Preußen (1525) in der Darstellung der Apologie (Christiana responsio) Herzog Albrechts von Brandenburg–Ansbach“. Der Referent erläuterte die Hintergründe und Abläufe und zeigte auf, dass die Umformung des Ordensstaates ein rein politischer Akt war, Albrecht ohne Mandat handelte, die Initiative von Polen ausging und auf einer „erzwungenen“ Zustimmung beruhte. Interessant, dass die Einführung der Reformation erst vier Monate nach der Lehnsnahme erfolgte und von Polen ohne Einschränkungen gutgeheißen wurde. Der klar gegliederte und auch verständliche Vortrag stieß auf große Zustimmung bei den Zuhörern und fand seinen Abschluss in einer Fragerunde.

Professor Bernhart Jähnig, ehemals Archivdirektor am Geheimen Staatsarchiv in Berlin und Honorarprofessor am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin, erläuterte den Weg des Königsberger Domes zu einem evangelischen Gotteshaus. 

Die geistliche Inbesitznahme des Domes gestaltete sich relativ friedlich. Einen gewaltsamen Bildersturm gab es nicht, es verlief alles preußisch geordnet. Die Altäre wurden in der Regel von den Nachfahren der Stifter abgebaut, das Kirchensilber wurde im Rathaus abgeben und Fresken wurden übermalt und nicht zerstört. Zu aller Überraschung gab es einen Teilnehmer, der noch im Königsberger Dom getauft wurde. Es handelte sich um Edmund Ferner. 

Professor Bernd Sösemann von der Freien Universität Berlin referierte über die Ansichten und Urteile über Theodor von Schöns Leben und Werk. 

Heinrich Theodor von Schön wurde am 20. Januar 1773 in Schreitlaugken, Kreis Tilsit geboren und starb am 23. Juli 1856 auf Gut Arnau bei Königsberg. Er war kein einfacher Zeitgenosse, sondern verfolgt als Staatsmann, Schriftsteller und Preuße eine ihn überzeugende Idee konsequent und handelte zuweilen unkonventionell, um seine Ziele durchzusetzen. Dabei sparte er auch nicht an Kritik an dem Monarchen. Das verzehrte Bild von Schön, das bis heute existiert, ist das Ergebnis einer Instrumentalisierung des langjährigen Oberpräsidenten der Provinz Preußen durch liberale Kreise für ihren Kampf gegen Bismarck in den 1880er Jahren. Schöns Aufzeichnungen wurden aus verschiedenen Kontexten zusammengefügt und miteinander verwoben. Der Edition der Schriften Schöns widmet sich Sösemann, um die Quellenlage zu Leben und Werk für die historische Forschung zu verbessern. 

Die Ausführungen von Nils Aschenbeck über die Architektur des Wiederaufbaus in Ostpreußen ab 1915 stimmten die Ostpreußen stolz und traurig zugleich.  Aschenbeck, tätig als Hochschullehrer und Journalist, ist spezialisiert auf architekturhistorische Themen. Die Wiederaufbauarchitektur in Ostpreußen ist zu Unrecht vergessen, da sie eine wichtige Etappe in der Entwicklung der Architekturgeschichte darstellt.

Es begann damit, dass die Menschen die Städtearchitektur des Historismus – zur Schauseite die schönen Fassaden, rückseitig schmucklose, beengte Hinterhöfe – ablehnten. Diese Architektur sollte durch eine reine, luftige, offene Bauweise ersetzt werden. Nach 1905 wurde an die Bauweise um 1800 angeknüpfte. Doch die Sternstunde der Wiederaufbauarchitektur begann erst richtig in Ostpreußen im Jahre 1915. Die Gebäude sollten nach den Kriegszerstörungen infolge des Russen-einfalls schöner wiederaufgebaut werden als sie vorher waren, die Grundrisse sollten ungeplant wirken und die Häuser so dastehen, als ob diese Struktur zufällig gewachsen wäre. In Ostpreußen wurden 20 Bauberatungsstellen installiert, nur wer deren Empfehlungen umsetzte erhielt finanzielle Aufbauhilfen. Bis zu 600 Architekten kamen in die Provinz, um ein neues, besseres Deutschland mit einer wahrhaftigen Architektur zu schaffen. Der Wiederaufbau Ostpreußens wurde zur nationalen Aufgabe, getragen durch die Ostpreußenhilfe aus dem gesamten Reich. Die ganzheitliche Idee der Reform betraf nicht nur die Architektur, sondern auch die Innenausstattung und sogar Kleidung. Eine Persönlichkeit, die hier genannt werden muss ist Heinz Stoffregen, der sich um den Wiederaufbau von Gerdauen verdient gemacht hat. Die Unauffälligkeit und Bodenständigkeit der Wiederaufbauarchitektur ist zugleicht ihr Fluch, die Gebäude werden heute meist nicht als wertvoll erkannt und verfallen. Die Ideen damaliger Bauschaffender stellen einen wichtigen Zeitabschnitt in der deutschen Architekturgeschichte dar und wirken bis in die heutige Zeit hinein. 

Den traditionellen Filmabend gestaltete Gerhard Raßner. Sein Dokumentarfilm stellte die Bauetappen beim Wiederaufbau des Königsberger Domes vor. Jahr für Jahr von 1992 bis 2007 konnte man die Arbeiten an dem ehemaligen Gotteshaus verfolgen. 

Der Sonntagmorgen wurde von der Militärtaktik bestimmt. Der Berliner Historiker Richard Las-kowski referierte zum Thema: Ostpreußen 1944/45. Krieg im Nordosten des Deutschen Reiches. Er beleuchtete das Heranrücken der russischen Front, die Einnahme von Königsberg und den Vorstoß bis nach Pillau. Seinen Vortrag begleiteten Bilder aus Filmaufnahmen sowjetischer Kriegsberichterstatter mit einem hohen Seltenheitswert. 

Den Abschluss der Vortragsreihe übernahm Marianne Kopp, Vorsitzende der Agnes-Miegel-Gesellschaft. Das Thema der führenden deutschen Miegel-Expertin: „‘Von denen ich nicht weiß, ob sie noch leben’ – Postsperre und Internierung für die deutschen Flüchtlinge in Dänemark. Dokumentiert in privaten Briefen von Agnes Miegel“. Kopp ging ein auf die Fluchtumstände der ostpreußischen Dichterin, ihren Aufenthalt im Flüchtlingslager in Dänemark und dessen Umwandlung in ein Internierungslager. Ausführlich wurde auch das Verbot des Briefverkehrs mit Deutschland bis zum 5. April 1946 dargestellt. 

Die dargebrachten Briefzitate zeigten die sprachliche Aus-

druckskraft Miegels, aber auch den herzlichen und ehrlichen Umgang, den sie mit ihr nahestehenden Menschen pflegte. Trotz der Widrigkeit der Verhältnisse spricht aus den Briefen die lebensbejahende Einstellung und die Gabe der Dichterin, sich auch über kleine Dinge des Lebens, sei es ein geschenkter Apfel oder die ersten Frühblüher am Wegesrand, freuen zu können. Es ist Zeitgeschichte, die in diesen privaten Briefen dokumentiert wurde, so auch das letzte Kriegsjahr in Königsberg mit der verheerenden Zerstörung der Stadt in zwei Bombennächten im August 1944 und die Nachkriegszeit in Dänemark, mit oft überraschenden Details des Lebens zwischen den Ruinen und im Lager. Die anschließende Fragerunde zeigte die Wertschätzung der Seminarteilnehmer für die bedeutendste Dichterin aus Ostpreußen und wichtigste Balladendichterin ihrer Zeit. Die Teilnehmer staunten, als beiläufig bekannt wurde, dass Edmund Ferner, der erste Referent des Wochenendes, auch in einer Verbindung zu der Dichterin steht, Agnes Miegel war nämlich seine Patentante. 

Zum Abschluss des Seminars wurde traditionell das Ostpreußenlied gesungen. Die Veranstaltung wurde gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. 

Die Geschichte unserer Heimat hat noch viele bekannte und unbekannte Aspekte, eine gute Art diese kennenzulernen ist das nächste Geschichtsseminar der Landsmannschaft Ostpreußen vom 20. bis zum 22. September 2019 in Helmstedt.